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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

der ganze im Syrup enthaltene Zucker auf eine billige Weise gewonnen und das Verfahren fabrikmäßig ausgeführt werden kann. Ich habe nämlich bei Anwendung dieses Verfahrens in der Verarbeitung eines und desselben Syrups stets 37 bis 37 1/2 Procent körnig krystallinischen Zucker erhalten, welcher ohne irgend eine Reinigung durch Knochenkohle oder ein anderes Mittel von hellbräunlich gelber Farbe und von rein süßem, vollkommen rübenfreiem Geschmack ist; zugleich gewinne ich dabei ein viel gebrauchtes und daher leicht und gut zu verwerthendes Nebenproduct, ohne daß der Abfall von dem verarbeiteten Syrup seinen Werth als Material zum Düngen oder zur Gewinnung von Pottasche und dergleichen verliert.

Da nur Zahlen die richtigen Anhaltepunkte für die Rentabilität irgend einer commerciellen und industriellen Unternehmung geben, so will ich auch hier über mein Verfahren die betreffenden Data anführen. Bei einer Bearbeitung von zehn Centnern Syrup, diesen zu dem jetzigen Preise von 20 Sgr. für den Centner veranschlagt, betragen die Kosten für Syrup, Scheidungsmaterialien und Feuerung, ausschließlich des Arbeitslohnes, nahe 35 Thaler der Ertrag hingegen, wenn der gewonnene Zucker zu 11 Thaler für den Centner berechnet wird, ergibt nahezu 54 Thaler. Abstrahirt man von der Gewinnung des angedeuteten Nebenproducts, so stellen sich zwar die Kosten für die Bearbeitung von zehn Centnern Syrup nur auf etwas über 28 Thaler, dagegen gewährt der Ertrag aber auch nur etwas über 41 Thaler. Die Arbeitslöhne für erstes Bearbeitungsweise zu drei, für letztere zu zwei Thaler angeschlagen, sind gewiß nicht zu niedrig berechnet und es ergibt sich dann für ersteren Fall ein Gewinn von 16, für letzteren von 11 Thalern, ein Gewinn, der für einen Abfall von 2000 Centnern Syrup während einer Campagne zu einer beträchtlichen Summe, zu 3200 Thalern in dem einen und zu 2200 Thalern in dem anderen Falle steigt, so daß also jene 2000 Ctr. Syrup statt zu 1333 1/3, sich zu 4533 1/3, resp. zu 1/3 Thaler verwerthen, wobei noch nicht der Werth in Anschlag gebracht ist, den der Syrupsabfall als Düngematerial oder für die Verwendung zur Gewinnung von Pottasche und dergleichen behält.

Für die Einführung meines Verfahrens in den Rübenzuckerfabriken spricht noch der Umstand ein bedeutungsvolles Wort, daß mit Ausnahme einer wenig kostenden Vorrichtung die Lokalitäten und Utensilien, die bereits vorhanden, brauchbar sind und diese zu einer Zeit, wo die Rübensaftbearbeitung ruht, für die Ausbeutung des während der Campagne abgefallenen Syrups benutzt werden können. Ist die Quantität des in einer Zuckerfabrik vorkommenden Syrups nicht so bedeutend, um volle Beschäftigung während des Frühjahres und Sommers in einem den vorhandenen Utensilien und den Arbeitskräften entsprechenden Verhältniß und in Folge dessen mit der möglichst großen Ertragsfähigkeit zu gewähren, so mögen mehrere benachbarte Fabriken zur gemeinschaftlichen Ausbeutung des Syrups zusammentreten. Aber auch die Begründung eines besonderen Etablissements, das sich einzig und allein mit der Ausbeutung des Syrups nebst der Bereitung des angedeuteten Nebenproductes und der Verwendung des Syrupabfalles zu Fabrikation von künstlichem Dünger oder Pottasche und dergleichen befaßt, würde den Unternehmern eine sehr hohe Rente gewähren.

Die auf allgemeine Unterhaltung und Belehrung basirte Tendenz dieser Blätter gestattet den Abdruck der obigen Mittheilungen, ohne auf das Specielle derselben weiter einzugehen, worüber ich auf mündliche oder schriftliche Anfragen bereitwillig Auskunft geben werde.





Immermann und Grabbe.
Fragment aus dem Düsseldorfer Künstlerleben.

Unter den Männern von Intelligenz und Talent, welche in den dreißiger Jahren dem Düsseldorfer Künstlerleben ein erhöhtes Relief verliehen, war unbedingt Immermann, der berühmte Verfasser des Münchhausens, der Hervorragendste und Einflußreichste. Nicht als hätte er es sich angelegen sein lassen, auf den Charakter der Schule im Allgemeinen oder auf die Richtung einzelner Künstler einzuwirken; dazu hielt er sich bei allem freundschaftlichen Verkehr einestheils doch immer noch zu fern, war zu wenig anschließend und aus dem Innersten mittheilend, und anderntheils mit seiner eigenen Kunstanschauung noch zu sehr in der Ausbildung begriffen. Daher benutzte er den Umgang mit den Künstlern zunächst zur Förderung seines eigenen Urtheils, zur Prüfung seiner Reflexionen, zur Bereicherung seiner positiven Wahrnehmungen. Seine zuerst in der Pandora erschienenen „Düsseldorfer Anfänge“ waren das Resultat dieser seiner zwölfjährigen Studien und Beobachtungen. Die dort ausgesprochenen Ansichten über das Wesen der Kunst brachte er keineswegs von Münster mit nach Düsseldorf, sondern gewann sie erst hier. Selbst die geistvolle und zutreffende Darstellungsweise, insofern sie von einer auffallend frischen und allseitigen Erregung zeugt, hat ihren Hauptgrund in der besonders auf ihn so wohlthätig einwirkenden künstlerischen Umgebung. Diese Einwirkung war aber nicht blos befruchtender und weckender, sondern auch kritischer Natur. Denn wie sehr sich auch das damals noch junge Malervölkchen vor seiner gewaltigen Persönlichkeit und vor der Thatkraft seines Geistes beugte, so war es doch deshalb nicht geneigt, ihn so ohne Weiteres anzubeten. Wagte man auch gegen ihn keine unumwundene Kritik, weil man den leicht Reizbaren nicht verletzen und erzürnen wollte, so ging eine solche doch für ihn theils daraus hervor, wie man das Vorgelesene hinnahm, theils wie man über ähnliche Poesieen von Andern – und zwar ohne viel Federlesens[WS 1] – urtheilte. Auch fehlte es dem jugendlichen Treiben nicht an Humor, Satire und Witz, und mancher anscheinend nur in die Ferne zielende Hieb traf unversehens den Nebenanstehenden. Vor Allem aber waren es zwei Dinge, denen man den Krieg erklärt hatte, der Langeweile und dem Zopfthum. Unter der ersteren begriff man aber allerlei, z. B. Weitschweifigkeit, Pedanterie, Trockenheit, Phrasenthum, Schwerfälligkeit u. dgl. Ihr entgegen stellte man plastische Anschaulichkeit, Deutlichkeit, Kürze, Lebendigkeit etc. Es ließe sich wohl aus zahlreichen kleinen Zügen nachweisen, – liefe man nicht Gefahr, selbst langweilig zu werden – daß Immermanns spätere ebenso einfache als lebendige, ebenso kernige als ungeschraubte Darstellungsweise stillschweigend diesen Anforderungen seiner Umgebung Rechnung trug.

Ich sage stillschweigend, denn Immermann war nicht der Mann, durch ein etwaiges Zugeständniß solcher Art seine Selbstständigkeit und Autorität in Frage zu stellen. Auch war er im Herzen durchaus kein Freund von einer solchen Accommodation der Form und zwar um so weniger, als er darin eine gewisse Annäherung an die flüchtige und pikantseinwollende Tagesliteratur erblickte, die er gründlich haßte, weil er ihr den Ernst der Gesinnung, die höhere Weihe, die wahre Erkenntniß der Kunstbedeutung absprach. Kam er auf sie zu sprechen, so umspielte ein zürnender Hohn seine seinen gekniffenen Lippen und seine Augen wetterleuchteten umheimlich hinter der Brille. Später machte sich diese Bitterkeit, dieser Stolz eines trotzenden Selbstbewußtseins weniger bemerkbar, ja es traten Momente der Milde, der Nachsicht und selbst einer gewissen Wehmuth bei ihm ein. Er hatte gewissermaßen auf der Höhe seines Strebens und seiner Anschauungen Posto gefaßt und durfte nun mit einiger Ruhe – um so mehr, da sich ihm jetzt die Kritik günstiger zeigte – auf die Umgebung und das Geleistete und Erreichte zurückschauen.

Was aber war es, was den Immermannschen Stolz, der nicht selten in schroffer Weise hervortrat, erträglich, ja Hochachtung gebietend machte? Es war seine durch und durch edle und wahrhaftige Gesinnung, sein energisches, unermüdliches Streben nach dem Höchsten, sein vollständiges Durchdrungensein von der hohen Bedeutung und der Heiligkeit des Dichterberufes, sein echt männliches, strenges und zuverlässiges Wesen. Schon seine äußere Erscheinung deutete unverkennbar auf diese Eigenschaften. Er hatte eine hohe, stattliche Gestalt, zu der sich erst in den letzten Jahren seines Lebens eine mäßige Beleibtheit gesellte. Seine Schultern, ohne hochstehend zu sein, waren nur wenig abhängend; ihnen entsprechend der Hals mehr kurz als lang, was der Haltung des mit einem vollen, kräftigen, tiefbraunen Haare versehenen Kopfes eine gewisse gebieterische Festigkeit verlieh. Die Kopfbildung neigte sich weniger zur ovalen als zur quadratisch gedrückten Kreisform. Auf der hohen Stirn thronte dictatorischer Ernst. Die Schwellungen über der Augenhöhle und nach den Schläfen zu waren vorherrschend ausgebildet,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Federderlesens
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 363. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_363.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)