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werden. Zwar führen auch die Kreuzer oft falsche Flaggen, bis sie nahe genug an dem Sclavenschiffe sind, daß dasselbe ihnen nicht mehr entgehen kann, und ziehen dann erst ihre nationale Flagge auf. Allein die Sclavenschiffe lassen sich durch ein solches Manöver nur selten täuschen, sie kennen die Kriegsschiffe schon an der Bauart, ob’s englische oder amerikanische sind. Ueberdies, wenn alle Stränge reißen, so versenken sie lieber alle ihre Sclaven in’s Meer, ehe sie sich auf hoher See als Sclavenschiffe capern lassen, denn dann ginge es um den Kopf. Man hat daher mehr als ein Beispiel, daß dreihundert und mehr Sclaven an der Ankerkette in’s Meer versenkt wurden, ehe der Kreuzer den Sclavenhändler bekommen konnte, und – wie kann dann der Sclavenhandel erwiesen werden, wenn das Corpus delicti fehlt? Sind die Sclavenhändler aber erst an der heimischen Küste und haben ihre Sclaven gelandet, dann ist vollends eine Abfassung und Entdeckung unmöglich, denn dann verlassen die meisten Capitaine ihr Schiff und verbrennen es, damit alle und jede Spur ihres Handels vertilgt ist. Nur Wenige wagen es, Tabak und Cigarren in Cuba einzunehmen und damit als „ehrliche Kauffartheischiffe“ nach Newyork oder Boston zu fahren. Sie fürchten die Untersuchung ihrer Schiffspapiere und ziehen es vor, das Schiff zu vertilgen. Es trägt sich ja aus!

Trotz allem Dem bleibt der Sclavenhandel zu See, der Import derselben unmittelbar aus Afrika immer ein gefährlicher Handel. Nur die verwegensten Gesellen lassen sich mit demselben ein, fast immer nur solche, die ebenso gut bereit wären, das Piratenhandwerk zu ergreifen. Es ist ein Mischmasch aus aller Herren Länder, diese Handvoll Matrosen, die sich zum Sclavenhandel gebrauchen lassen, Portugiesen wie Schweden, Deutsche wie Spanier, Engländer wie Dänen, Amerikaner wie Europäer, ja sogar Weiße wie Schwarze! Es ist eine erhärtete Thatsache, Nigger selbst geben sich dazu her, Nigger einzufangen; aber jeder dieser Bursche hat vielleicht einen Mord auf dem Gewissen, jeder ist eines weiteren Mordes fähig. Darum wagen es nicht Viele, sich mit ihnen einzulassen, und eben darum ist die Zufuhr aus Afrika nicht hinreichend, um den Bedarf an Sclaven für die südlichen Staaten Nordamerika’s zu decken. Man mußte daher an andere Auskunftsmittel denken, und hat in neuester Zeit den Versuch damit gemacht, sogenannte „freie“ Neger als „Tagelöhner“ aus Afrika zu importiren. Zu diesem Zwecke organisirte sich vor Kurzem in Louisiana eine Compagnie, welcher die Legislatur jenes Staates die Erlaubniß ertheilte, vor der Hand zur Probe 2500 solcher „freiwilligen“ Tagelöhner mit einer „unwiderruflichen Dienstzeit von fünfzehn Jahren“ herbeizuschaffen; allein – die Probe dürfte schlecht ausfallen, denn die Bundesregierung muß diese Art von Handel nothwendig für Sclavenhandel erklären, da der Ausdruck „freiwillige Tagelöhner“ offenbar nur ein nomineller ist, und die „Miethe“ dieser Leute in nichts anderem besteht, als in deren Ankauf von den afrikanischen Händlern. So erweist sich auch dieses Mittel nur als ein Palliativmittel, und die Amerikaner greifen daher immer wieder zu ihrem Hauptmittel: „der Sclaven- und Niggerzüchterei.“

„Niggerzüchterei?“ – Unsinn, Wahnsinn! – Und doch existirt dieser Wahnsinn in der Wirklichkeit! – Der Leser begebe sich gefälligst in die Staaten Virginia, Maryland, Nordcarolina und Kentucky, und er wird sogleich von dem Factum der „Züchterei“ überzeugt sein. Die genannten vier Staaten haben zu Bebauung ihrer Felder bei weitem nicht so viel Neger nothwendig, als die südlicher gelegenen, und dennoch halten sie deren, wenn nicht mehr, doch gleich viel. Sie halten sie aber nicht wegen ihrer Nothwendigkeit zum Feldbau, sondern wegen ihrer – Nachkommenschaft! Dies ist im Augenblicke ersichtlich, wenn man ihre Plantagen besucht, denn sie pflanzen nur ganz wenig Baumwolle, sondern vielmehr Tabak, Mais und fast alle Erzeugnisse der gemäßigten Zone. Sie könnten die Sclaven daher leicht ganz entbehren, und würden weit wohlfeiler und besser zurecht kommen mit weißen Arbeitern, wenn es ihnen blos um die Bebauung ihrer Felder zu thun wäre. Dem ist aber nicht so, sondern es ist ihnen hauptsächlich um die Nachkommenschaft ihrer Sclaven zu thun, und – hierfür eignen sich die genannten vier Staaten hauptsächlich. Das Klima ist hier sehr gesund, wenigstens weit gesünder, als weiter südlich, und eignet sich besonders gut für die Nigger. Die Art der Arbeit, die diese hier verrichten müssen, bringt es mit sich, daß sie sich nicht allzusehr anzustrengen brauchen, denn je mehr der Pflanzer von Virginien und Kentucky Bauer und Landmann wird, um so mehr nähert sich der Zustand seines Sclaven dem Zustand des freien weißen Knechtes oder Tagelöhners. Dazu kommt noch, daß die Nahrung eine weit kräftigere und gesündere ist, als weiter unten in Georgia und Florida, weil der Virginier u. s. w. sein Fleisch, seine Kartoffeln, seine Frucht, seine Milch nicht zu kaufen braucht, sondern selbst erzeugt, und daher nicht sparsam damit umgeht. Somit kann es nicht fehlen, daß die Negerheirathen in den genannten vier Staaten schon von Natur aus sich weit productiver erweisen, als in den übrigen Sclavenländern. Außerdem aber trägt der virginische und kentucky’sche Pflanzer alles Mögliche dazu bei, daß diese Productivität eine nachhaltige werde. Nicht blos sieht er auf gute Nahrung, große Reinlichkeit, mit einem Worte auf Alles, was die Gesundheit, das Wohlsein des Körpers befördert und erhält, sondern er sorgt auch dafür, daß die jungen Mädchen und Bursche unter seinen Negern zur rechten Zeit das Band der Ehe eingehen, wenn man überhaupt das Zusammenleben dieser Menschenclasse eine Ehe nennen kann. Negerinnen, die viel Kinder gebären, werden bevorzugt und besonders gut gehalten, damit sie Andern zur Aufmunterung dienen. Sie werden nie verkauft, sondern bleiben auf der Plantage ihr Leben lang, während die Unfruchtbaren sicher sein dürfen, so schnell als möglich fortgeschafft zu werden, weil sie dem Pflanzer nutzlos sind. Die Kinder, namentlich die Neugeborenen, werden gut abgewartet. Bei dem geringsten Anzeichen von Krankheit wird der Arzt zu Rathe gezogen. Auf diese Art und durch noch andere Mittel, deren specielle Aufführung mir erlassen bleiben möge, weil die Sprache keine decenten Worte dafür hat, wird es möglich, daß in Virginia allein jährlich über 30,000 Sclaven mehr geboren werden, als sterben. Diese 30,000 werden exportirt und verkauft. Eben so machen es Maryland, Kentucky und Nord-Carolina. Diese vier Staaten zusammen führen jährlich gegen 100,000 Sclaven mit einem Gesammtwerth von mehr als 100 Millionen Dollars aus. Somit kann der Ausfall des Südens (verursacht durch Klima und harte Arbeit) von diesen vier Staaten fast gänzlich gedeckt werden. Der Leser wird nun einen Begriff davon haben, was wir unter Niggerzüchterei verstanden wissen wollen. Er muß sich die Sache etwa gerade so denken, als wie eine Pferdezüchterei in Mecklenburg. Wie dort die Rosse gehegt und gepflegt werden, so in Virginien die Schwarzen. Wie dort der reiche Bauer oder der Edelmann sein Haupteinkommen vom Verkauf seiner herangezogenen Füllen erhält, so der halbsüdliche Pflanzer vom Verkaufe seiner überzähligen Sclaven!

Die Art und Weise des Verkaufs geschieht auch auf ähnliche Art, wie bei den Mecklenburger Pferden; denn wie der Pferdehändler die großen Pferdemärkte besucht, um seine Waare an den Mann zu bringen, so bezieht auch der Sclavenhändler die großen Sclavenmärkte, um seine lebende Waare so theuer als möglich zu verwerthen.

Natürlich ist der „Unterderhandverkauf“ ebenfalls in allen südlichen Staaten zu Hause. Wie in Deutschland der Nachbar vom Nachbar eine Kuh kauft, so kauft in Amerika der Nachbar vom Nachbar einen Sclaven. Allein der Ankauf im Großen ist nicht auf diese Art zu bewerkstelligen. Der südliche Pflanzer kann nicht im Lande herumziehen, um auf den einzelnen Plantagen die verkäuflichen Sclaven in Erfahrung zu bringen. Darum gibt’s nicht blos eine eigene Classe Menschen, eine Art Zwischenhändler, die sich mit diesem Handel beschäftigen und ein förmliches Geschäft daraus machen, sondern wir finden auch auf der andern Seite verschiedene Städte, welche sich dieses Handels bemächtigten, Städte, die besonders gut gelegen sind und denen daher natürlich Alles daran liegen muß, den Verkehr des Sclavenhandels in ihre Mauern zu ziehen. In diesen Städten blühen förmliche Sclavenmärkte, welche von den Händlern mit ihrer „Heerde“ oder ihrem „Trupp“ bezogen werden. Früher war ein solcher Hauptmarkt in Washington selbst, dem Sitze der Centralgewalt dieses „freien und glücklichen Landes“, wie der Amerikaner sein Vaterland gewöhnlich nennt. Allein seit 1850 hat doch der Schicklichkeitssinn des Congresses so weit gesiegt, daß dieser öffentliche Scandal endlich beseitigt werden konnte. Von jener Zeit an fanden in Washington keine öffentlichen Märkte, keine öffentlichen Sclavenversteigerungen mehr statt, es müßte denn bei einem Concurse sein, wo natürlich der Sclave eben so gut unter des Auctionators Hammer kommt, wie ein Stück Land, ein Haus, ein Pferd oder ein werthvolles Stück Möbel. Die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1858, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_352.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)