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machen, denn ich weiß nur einem Herrn zu dienen, und das ist mein gegenwärtiger.“

Edelsinn und Großmuth waren hervorragend in dem Charakter unseres Helden; stets hinderte er Grausamkeiten, schützte den Wehrlosen, strafte den Frevler. Dem Landmanne war er besonders freundlich zugethan und schützte ihn, wo er konnte. Nie hat Seydlitz seinen Ruf durch Eigennutz befleckt, obgleich ihm oft Gelegenheit wurde, durch Plünderung und Bedrückung sich zu bereichern. Als ihm der König die Plünderung des Jagdschlosses Hubertusburg, eine Repressivmaßregel für die Verwüstungen der Sachsen in Charlottenburg, übertragen wollte, wies er dieses entschieden von sich, und so kam es, daß er nie mit der Beitreibung von Kriegssteuern u. dgl. in den eroberten Ländern betraut wurde. Die preußischen Verstärkungen, welche der Fürst von Neuwied nach der Schlacht bei Freiberg dem Prinzen Heinrich zuführte, hatten ihren Weg in Sachsen überall durch die größten Ausschweifungen bezeichnet. Seydlitz empfing den General und seine Officiere mit der strengen Anrede, daß ihr Zug dem einer Räuber- und Diebesbande, aber nicht dem einer geordneten Kriegsschaar geglichen habe.

Wenn er auch im Dienste streng und unerbittlich war, so wußte er doch auch wieder einzulenken, zumal wenn es sich um Vergehen handelte, die weniger den Militair als den Menschen angingen.

In Ohlau war eine Familie, deren Kreis durch hübsche, anziehende Töchter belebt wurde, und für eine derselben hatte Seydlitz, aber zugleich einer seiner Officiere, die entschiedenste Neigung gefaßt. Dem General war der Nebenbuhler unbequem und er versetzte ihn deshalb an einen entfernteren Ort. Allein der Verliebte kam nun heimlich um so öfter, wagte sich ohne Urlaub Abends in Bürgerkleidung nach Ohlau und kehrte vor Tage unbemerkt in sein Standquartier zurück. Die Sache wurde jedoch verrathen und Seydlitz ritt an einem nebligen Herbstmorgen sehr früh auf die Jagd, wählte aber den Weg, auf welchem jener heim reiten mußte. Nichts ahnend, galoppirt der Sorglose, in Pikesche und Mütze gekleidet, heran, findet sich unerwartet dem General gegenüber, dem er nicht mehr ausweichen kann, und fängt in größter Zerknirschung Entschuldigungsworte zu stammeln an; doch Seydlitz, begnügt durch diese Verlegenheit und im Gefühl, daß auch seine eigene Rolle hierbei nicht die ganz richtige sei, fällt ihm in die Rede und sagt:

„Reiten Sie nur weiter, ich kenne Sie nicht; aber nehmen Sie sich in Acht, daß es der General nicht erfährt, es möchte sonst nicht gut ablaufen.“

Von dieser Zeit ab gab Seydlitz seine Bewerbungen auf und der Officier heirathete nicht lange darauf das Mädchen.

Unerschütterlich hat sich bei Seydlitz von frühester Jugend an die Achtung vor Gottesverehrung erhalten, und wenn diese auch nicht seine Leidenschaften vollständig zügeln konnte, so hielt er doch viel auf andächtige Gottesverehrung. Er sorgte, so gut es ging, dafür, daß vor jedem vorauszusehenden Gefechte die Soldaten durch den Feldprediger zur Tapferkeit und Ausdauer ermahnt wurden und daß den Sterbenden und Verwundeten der Trost des Geistlichen und der Genuß des heiligen Abendmahls nicht fehlte.

In gleicher Weise, wie bei Roßbach und Zorndorf, hat der berühmte Reitergeneral seinen Namen noch bei Kunnersdorf, Freiberg u. s. w. verherrlicht, so daß er für immer das Muster und Vorbild aller Cavalleristen sein wird, eine Wahrheit, die sein königlicher Herr, als er die Nachricht vom Tode des Helden erhielt, für alle Zeiten durch die Worte feststellte: „Seydlitz ist das schönste Loos geworden, das ein Soldat erreichen kann; er lebte unübertroffen und stirbt, ohne ersetzt werden zu können.“

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Sclavenhandel in Amerika.
Nr. 2.
Die Maßregeln gegen Sclavenschiffe. – Manupulation auf hoher See. – Dreihundert Sclaven an der Ankerkette versenkt. – Niggerzüchterei und Pferdezüchterei. – Die Sclavenmärkre. – Eine Sclaven-Auction. – Preise. – Spanische und französische Herren.

Wie kommt es nun aber, daß dieser Handel doch noch besteht, während doch die Regierung der Vereinigten Staaten sich verpflichtet hat, denselben mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu unterdrücken? Konnte England in seinen Staaten und Colonien dies thun, warum Nordamerika nicht? Die Antwort ist einfach: einmal geschah es nicht, weil die Mittel der Vereinigten Staaten nicht ausreichten, die betreffenden Gesetze durchzuführen, und das andere Mal, weil die betreffenden Beamten sie nicht durchführen wollten. Die Küste der Staaten, wo Sclavenschiffe willkommen sind, ist eine außerordentlich ausgedehnte, und es würde eine mehr als fünf Mal so große Seemacht dazu gehören, als die Union besitzt, um allen Schmuggel zu unterdrücken. Soll man der paar Sclaven wegen das viele Geld ausgeben? Soll man wegen des Bischen Schmuggels das ganze Regierungssystem, welches eine so kleine Militair- und Seemacht, als nur irgend möglich ist, verlangt, um dem Präsidenten nicht zu viel Gewalt in die Hände zu geben, – umändern und ummodeln? Gott bewahre! Die bisherigen Bestimmungen müssen ausreichen. Können sie es etwa nicht? Hat man nicht in den letzten Jahren etwa fünfzig Schiffe weggenommen, die auf den Sclavenhandel auslaufen wollten? Allerdings, und immer sind sie in dem Seehafen, von dem sie abfahren wollten, gecapert worden; allein mehr als der zwanzigfachen Anzahl gelang es, ungehindert zu entkommen, und – einmal aus dem Hafen, einmal auf hoher See, ist es schwer, sogar fast unmöglich, des Schiffes noch habhaft zu werden! Allerdings hat die Unionsregierung in jedem Seehafen einen Beamten, der diesen gesetzlosen Handel zu unterdrücken die Pflicht hat. Es hat sogar dieser Beamte, der United States-Marshal, die ausgedehnteste Macht, jedes verdächtige Schiff wegzunehmen und den Capitain nebst Mannschaft vor Gericht zu stellen, wo sich dann bald zeigt, ob das Schiff zum Sclavenhandel ausgerüstet war oder nicht. Der Marschall hat sogar ein – echt amerikanisches – Anspornmittel, dies zu thun, denn das Schiff, wenn überwiesen, wird für gute Prise erklärt und sein Verkauf trägt den Officianten nicht wenig Geld ein. Allein wie oft drückt der Marschall die Augen zu, wenn man ihm ein goldenes Pflaster darüber legt! Wie oft wird ihm von seinen von der Gegenpartei erkauften Spionen das Geheimniß eines Sclavenschiffes erst verrathen, wenn dieses längst den Hafen verlassen hat! Wie selten wird es nur überhaupt den Behörden bekannt, daß ein Sclavenschiff ausgerüstet wird! Und wird ja einmal ein Fang gemacht, wird ein Schiff confiscirt, ist damit der Ausrüster des Schiffes, der Capitain desselben auch entdeckt? Gott bewahre; das Schiff führte falsche Papiere und der wahre Capitain mit den echten Papieren war noch nicht an Bord, als das Schiff vom Marschall weggenommen wurde. –

Der echte Capitain besteigt sein Schiff immer erst außerhalb des Hafens, wo die Jurisdiction des Marschalls aufhört, und folgt dem Clipper in einem unschuldigen Fischernachen von Weitem, bis er weiß, daß er sicher ist. Darum hat man auch gar kein Beispiel, daß ein Sclavenhändler (Rheder oder Capitain) je dieses Handels wegen gestraft worden wäre. Ja sogar die Matrosen, die man in den gecaperten Schiffen fand, sind noch immer oder wenigstens fast immer frei ausgegangen, weil sie nicht überwiesen werden konnten, wohl auch, weil man sie nicht überweisen wollte. Geld ist eine Macht in Amerika! So ist also nichts gecapert, als das Schiff, und – was macht das? Eine glückliche Fahrt bringt so viel ein, daß zwei oder drei Schiffe verloren gehen können, und gewöhnlich geht unter vierzig Schiffen nur eins verloren! Gehört doch der Fang eines solchen Schiffes (wie oben schon angedeutet) auf hoher See oder an den Küsten von Afrika oder beim Anlanden in Cuba oder an den südlichen Staaten des amerikanischen Continents zu den größten Seltenheiten. Die Schiffe sind gute Segler, die Capitaine sind verwegene Seeleute, so entkommen sie den Kreuzern meistens. Ueberdies darf ein englischer Kreuzer kein Schiff untersuchen, das unter amerikanischer Flagge (und eben so umgekehrt) segelt. So hissen denn die amerikanischen Sclavenschiffe die amerikanische Flagge auf, wenn sie einem Engländer begegnen, und die englische, wenn sie von einem amerikanischen Kreuzer verfolgt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1858, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_351.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)