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verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Wimpel wehen lustig im Winde, und wenn ein heller Strahl der Sonne, die Wolkenmauer spaltend, sie trifft, kann man die Farben und Zeichen der Flaggen noch deutlich vom Ufer aus erkennen.

„Gott gebe ihm eine glückliche Reise, und laß ihn im nächsten Frühjahr gesund und munter zurückkehren!“ sprach jetzt Nicol Mannis, seine Mütze abnehmend und sie nochmals grüßend gegen die schnell sich entfernenden Schiffe schwenkend. „Ich fürchte, ehe Geike den Canal passirt, macht der Wind ihm noch was zu schaffen.“

Karen, die auf den Arm des Vaters gestützt, unverwandten Auges den fortsegelnden Schiffen gefolgt war, richtete sich auf, um ein paar Thränen an ihren Wimpern zu trocknen.

„Laß uns gehen, Vater!“ sprach das junge Mädchen mit fester Stimme. „Ich habe nun weiter nichts mehr zu suchen.“

Nicol widersprach nicht. Er sah noch einmal nach dem wogenden Strome und dem grauen Himmel, dann erfaßte er die Hand der Tochter, und wendete sich der Stadt zu. Jens verweilte noch einige Minuten länger am Strande, dann folgte auch er den Vorangegangenen.

Die Uthlandsfriesen blieben noch eine Nacht in Tönningen, und machten nöthige Einkäufe für den Winter, um in keine Verlegenheit zu kommen, wenn etwa böses Wetter sie für längere Zeit an allem Verkehr mit dem Festlande verhindern sollte. Am andern Morgen erst verließen sie die belebte Hafenstadt, um auf einem offenen Wagen durch die Landschaft Eiderstedt nach Husum zu fahren. Hier nämlich lag des alten Mannis Ewer im Hafen.

(Fortsetzung folgt.)




General Seydlitz.
Ein Soldatenbild aus früherer Zeit.

In der Stadt Kalkar, im rheinischen Kreise Kleve, wird im September nächsten Jahres, zum zweihundertjährigen Jubiläum der Vereinigung dieses Kreises mit Preußen, das Steinbild des dort gebornen Generals von Seydlitz enthüllt werden, das seine Vaterstadt durch den Bildhauer Julius Bayerle in Düsseldorf ausführen läßt. Es ist uns vergönnt, den Lesern der Gartenlaube schon jetzt eine Abbildung nach dem Entwurfe des Denkmals zu liefern, was, nach den bisherigen Leistungen des Künstlers zu schließen, jedenfalls eine große Zierde der kleinen Stadt werden wird.

Seylitz’ Denkmal in Kalkar.

Unter den Heerführern Friedrichs des Großen ist Seydlitz eine der hervorragendsten Persönlichkeiten. Es kann nicht in der Absicht der Gartenlaube liegen, eine Verherrlichung seiner kriegerischen Thaten zu geben, wir müssen diese, so wie überhaupt seine Lebensgeschichte, als bekannt voraussetzen und haben deshalb mit Bezug auf seine hervorragende militairische Stellung nur zu erwähnen, daß nicht mühvolle Studien, nicht jahrelange Dienste im Generalstab ihn zum Heerführer gemacht, sondern daß, wie man sagt, ihm die Feldherrneigenschaften angeboren waren. Große strategische Combinationen auszusinnen und durchzuführen, dazu war Seydlitz nicht herangebildet und dazu hat ihn auch Friedrich nie verwendet, aber Niemand verstand, wie er, bedeutende Reitermassen von 50–60 Schwadronen auf engen Raum zu concentriren, zu bewegen und dieselben im entscheidenden Moment, den sein Scharfblick stets richtig erkannte, zu unwiderstehlich einherbrausendem Angriffe zu führen, kurz, er war ein Schlachtengeneral, wie es deren nur wenige gegeben hat, und dem z. B. Murat keineswegs an die Seite zu stellen ist. Als solcher rettete er die preußische Armee bei Collin vor gänzlicher Vernichtung, als solcher entschied nur er allein die Siege bei Roßbach und Zorndorf. Aber nicht minder groß ist sein Verdienst, das er sich um die Heranbildung der preußischen Cavallerie erworben hat. Diese Waffe war unter Friedrich WIlhelm I. sehr vernachlässigt worden. Man hat Colosse auf Kameele gesetzt, wie sich Friedrich der Große ausdrückte, und so die Reiterei zu einem schwerfälligen Unding gemacht. Friedrich erkannte in den schlesischen Kriegen bald, wie sehr, besonders der vortrefflichen ungarischen Cavallerie gegenüber, eine Umgestaltung dieser Waffe nothwendig sei. Wenn nun Ziethen hierbei sich das Verdienst erworben hat, zuerst den richtigen Weg betreten zu haben, so übertraf doch Seydlitz bald seinen Meister in allen technischen und taktischen Kunstfertigkeiten. Er wußte der preußischen Reiterei jenen Heldengeist einzuhauchen, der sie zu dieser Zeit charakterisirt, er machte durch unermüdliche Thätigkeit und Umsicht aus den Colossen – Centauren.

Mit 17 Jahren in einem Cürassierregiment als Cornet angestellt, zog Seydlitz bald die Blicke seiner Vorgesetzten und die Aufmerksamkeit des Königs auf sich, der ihn mit richtiger Würdigung seiner glänzenden Eigenschaften in rascher Folge zum Commandeur einer Husarenschwadron, zum Chef eines Cürassierregiments und dann zum Inspecteur der schlesischen Cavallerie ernannte. Dieses schnelle Aufrücken mußte seinen Ehrgeiz mehr stärken, als befriedigen; er fühlte, daß es galt, nicht nur das Errungene zu behaupten, sondern auch fernere Fortschritte zu machen. Das Bewußtsein seines persönlichen Werthes bewirkte bei ihm eine Haltung von Ernst und Würde, die später zu wortkargem, ja schroff abgeschlossenem Verhalten in solchen Gesellschaften führte, wo er, wie bei Hofe, nur ungern erschien. Durch und durch Soldat, und Reiter insbesondere, fand er volle Befriedigung in seinem Dienstberufe; nie strebte er, aus diesem Kreise herauszutreten. Am liebsten war er in Gesellschaft seiner Officiere, denen er der aufmerksamste, liebenswürdigste Camerad war, und mit diesen besonders auf Spazierritten, auf der Jagd, die er leidenschaftlich liebte, und in Gesellschaft schöner Damen, denen er nicht weniger zugethan war, blieb er keineswegs ernst und schweigsam. Er hielt auf geschmackvolle, vornehme Einrichtung und eine gute Tafel, wobei er, sowie des Abends, gern seine Officiere erscheinen sah. Bei solchen Abendzusammenkünften

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verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1858, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_348.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)