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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Zwecke erfunden haben, nämlich sogenannte Clipper. Diese Schiffe sind allerdings nicht so sicher, als die andern Segelschiffe, aber sie segeln um so schneller, und auf die letztere Eigenschaft kommt bei einem Sclavenschiffe das Meiste an. Das Geld zu ihrer Erbauung oder zu ihrem Ankauf liefern ohne alle Ausnahme Amerikaner, – Kaufleute von Newyork und Boston oder sonstigen Seestädten, nicht selten auch Großhändler, die ein Haus in Havanna haben. Diese Kaufleute haben durchweg eine angesehene, Credit genießende, in ehrenwerthem Klange stehende Firma, die Chefs der Firmen gehören vielleicht, sogar sehr wahrscheinlich, der frömmsten puritanischen Methodistensecte an, sie sind ohne allen Zweifel Mitglieder derjenigen politischen Partei, welche nach der Emancipation aller Schwarzen strebt und Gut und Blut für die Aufhebung der Sclaverei zu opfern schwört, sie haben vielleicht erst vor Kurzem bei einer großen öffentlichen Versammlung eine donnernde Abolitionistenrede gehalten; aber – mit Vergnügen geben sie ihr Geld her zum Ankauf und zur Ausrüstung eines Sclavenschiffes; denn im Handel kennt der Amerikaner weder Religion noch Politik und gegen einen guten Profit riskirt er immer eine doppelte Portion Frömmigkeit.

Natürlich ganz offen wird der Handel nicht getrieben, die Kaufmannsfirma wird nicht genannt, das Schiff wird in einem Hafen clarirt, der mit dem Sklavenhandel nichts zu thun haben kann, die Ladung, welche das Schiff eingenommen, ist eine ganz unschuldige; denn die zum Niggerhandel brauchbaren Waaren, die zum Transport von so viel hundert Sclaven nöthigen Wasserfässer, die für die kleine Mannschaft unverhältnißmäßig große Menge von Mundvorräthen, die Handschellen, Ketten und dergleichen sind im untersten Schiffsräume verborgen und mit anderen Waaren überdeckt, bis man sie auf hoher See ohne Gefahr auf’s Deck schaffen kann. Allein trotz dieser Heimlichkeit ist der ganze Handel das, was man ein öffentliches Geheimniß nennt, und jedes auch nur wenig mit den Verhältnissen vertraute Haus weiß, wohin es sich zu wenden hat, wenn es über ein Sklavenschiff Auskunft haben oder ein dazu taugliches Schiff selbst ankaufen will. Die Makler, die in diesem Artikel Geschäfte machen, sind Jedermann bekannt; die Handlungshäuser, welche zu solchen Geschäften Geld hergeben, sind ohne alle Schwierigkeiten zu finden, und die Capitaine, Supercargos und Matrosen, die man nöthig hat, haben ihre eigenen Abstandsquartiere, wo man sie zu jeder Zeit auftreiben kann. Das Geschäft ist ein ganz so regelmäßiges, wie jedes andere Rhedergeschäft, nur ist das Aushängeschild kein offenes. Man gesteht vielleicht ohne Scheu, daß man nach und von der Küste von Afrika Handel treibe, aber man gibt sich den Anschein, als ob man „in Palmöl und Elfenbein mache.“ Elfenbein und Palmöl werden auch von der afrikanischen Küste geholt; deswegen sind diese zwei Artikel die beste Bemäntelung des Sklavenhandels.

Man hat berechnet, daß im Durchschnitt jährlich 45 bis 50 Schiffe aus den Häfen des östlichen Amerika auf den Sklavenhandel auslaufen; eben so viel vielleicht aus dem Hafen von Havanna, aber auch hier blos amerikanische, keine spanischen Schiffe. Jedes Schiff hat eine Mannschaft von 15 bis 30 Matrosen, und die Bemannung der ganzen Sclavenflotte besteht aus etwa zweitausend Mann, ohne die Officiere. Die Schiffe sind von verschiedener Größe, meist von 100 bis 500 Tonnen Gehalt und ohne Unterschied schnelle Segler. Sie fassen 150 bis 600 Neger, da man auf eine Tonne Gehalt etwa 1 1/3 Neger rechnet. In neuester Zeit hat man sogar Dampfschiffe zum Sklavenhandel angekauft, welche allerdings den Vorzug haben, daß sie schneller fahren, als die Segelschiffe, und deswegen den Kreuzern an der afrikanischen Küste leichter zu entgehen vermögen. Können sie doch vermöge ihrer Dampfkraft auch bei contrairem Winde ihre Richtung beibehalten und ihre zwölf Meilen in der Stunde zurücklegen. Allein sie sind dennoch nicht so beliebt, als die Clipperschiffe, weil sie wegen ihres Tiefganges nicht in jede Bucht der afrikanischen Küste einlaufen können und weil ihre Ausrüstung und ihr Ankauf mehr Geld kostet. Auch ist die Abfahrt eines Dampfers immer von größerem Aufsehen begleitet und der Zweck seiner Fahrt, sowie die Zeit des Abganges können nicht eben so leicht bemäntelt werden, als bei einem Segelschiffe. Dieser letztere Punkt ist noch entscheidender, als der Geldpunkt, denn an Capitalien fehlt es nicht. Beträgt doch das Geld, das alljährlich im Sclavenhandel angelegt wird, über vier Millionen Dollars, mehr als zehn Millionen Gulden, nicht ganz sechs Millionen preußische Thaler! – Alles dies sind statistische Notizen, die öffentlich in den Zeitungen nachgewiesen werden, ohne daß irgend Jemand besonders daran Anstoß nimmt. Im Gegentheil, Viele finden den ganzen Handel natürlich und in der Ordnung, weil sie die Sclaverei für naturgemäß halten. Man hat also größtentheils von Seiten der öffentlichen Meinung gegen den Handel an sich nichts einzuwenden, sondern schüttelt blos mit dem Kopfe, wo sich einer über dem verbotenen Schmuggel hat ertappen lassen.

Und doch hat es nie einen schmählicheren Handel gegeben, als diesen, vielleicht aber auch nie einen profitableren! Die Neger werden an der Küste Afrika’s entweder von Zwischenhändlern, oder auch von den ersten Inhabern erworben. Es gibt nämlich eine Menge Staaten und Stätchen an dieser Küste, in welchen Sclaven zu haben sind, da dieser Verkauf fast das einzige Einkommen der dortigen Fürsten ist. Früher in alten Zeiten wurden die Kriegsgefangenen aufgefressen, nunmehr werden sie verkauft! Der Ankaufspreis schwankt zwischen 15 und 20 Dollars, besteht aber meist nicht in baarem Gelde, sondern in Flinten, die keinen Werth haben, in Spiegeln und sonstigem Flitterkram, der immer unsinnig hoch über seinen wahren Werth angesetzt ist. Der Unterhalt der Neger auf dem Schiff ist ein sehr kärglicher und besteht meist nur aus Bohnensuppe mit etwas Pökelfleisch. Die neu erworbenen Sclaven werden gefesselt und so nah auf einander aufgestapelt, daß sie sich kaum rühren können, Ohnehin ist das Zwischendeck, in welches sie gesperrt werden, so niedrig, daß dieselben nicht nur nicht stehen, sondern kaum sitzen und liegen können. Einem Neger wird nur der Raum von sechs Fuß Länge und drei Fuß Breite gestattet. Diese entsetzliche Zusammenspeicherung einiger hundert Menschen in einem niederen dumpfigen Raume, in welchem kaum der vierte Theil mit Anspruch auf Gesundheit existiren könnte, erzeugt nothwendig Krankheiten aller Art, und man darf daher als sichere Norm annehmen, daß ein Dritttheil der zu importirenden Sclaven auf der Fahrt zu Grunde geht. Oft beträgt der Verlust die Hälfte; ist er aber nur ein Viertheil oder gar noch weniger, so ist die Fahrt eine außerordentlich günstige. Allein trotz dieser großen Verluste ist der Profit immer noch ein ungeheurer, – ein solcher, daß es uns nicht mehr wundern kann, wenn die frommen und scheinheiligen Puritaner Neuenglands demselben nicht zu widerstehen vermochten!

Berechnen wir einmal die Kosten einer solchen Sclaveneinfuhr- Schmuggelfahrt, Nehmen wir dazu das Dampfboot Pajano del Oceano, das vor noch nicht langer Zeit von einer Gesellschaft von Kaufleuten, die sich zum Sclavenhandel associirt haben, angekauft wurde. Das Schiff ist in Boston gebaut. Es hieß früher Oceanbird, der „Seevogel,“ und machte seiner Zeit manche Fahrt nach Havanna. Die frommen Kaufherrn, die es um die Summe von 150,000 Dollars ankauften, tauften es ins Spanische um, weil sie in Havanna eine Commandite hatten. Rechnen wir nun weiter. Der Capitän, der natürlich nicht blos ein erfahrener Seemann, sondern auch insbesondere ein mit der Küste Afrika’s vertrauter Seefahrer sein muß, ein Mann, von dem vorauszusetzen ist, daß er Kopf und Auge auf dem rechten Flecke hat und mit toller Verwegenheit eine totale Verachtung aller bestehenden Gesetze verbindet, – denn wenn er gefangen wird, so steht Todesstrafe auf seinem Gewerbe, – der Capitän rechnet für seinen Antheil 20,000 Dollars, die ihm unter allen Umständen ausbezahlt werden müssen. Das Schiffsvolk mit den Unterofficieren kostet 30,000 Dollars, denn Matrosen, die sich zu einem solchen Unternehmen hergeben, müssen gut bezahlt werden, und selten bekommt der Geringste unter 500 Dollars für die Fahrt. Der „Seevogel“ ist übrigens so groß, daß er 2500 Sclaven fassen kann, denn es hatten ja früher fünfhundert Passagiere auf ihm Platz, und in den Raum, welchen ein gewöhnlicher Passagier einnimmt, bringt man bequem fünf Neger. Der Ankauf dieser Schwarzen mit ihrer Verproviantirung sammt den übrigen Kosten der Ausrüstung, als Kohlen, Wasserfässer, Rum u. s. w. soll 40,000 Dollars betragen, was ziemlich hoch gerechnet ist. Dazu kommen dann noch die Gratifikationen, die man an die Beamten der Küste zu zahlen hat, an welchen die Neger gelandet werden sollen, denn nur ums Geld ist die Gerechtigkeit blind. Diese sollen 50,000 Dollars betragen, zwanzig Dollars für den Kopf, was der gewöhnliche Preis ist. Für unvorhergesehene Ausgaben rechnen wir weitere 10,000 Dollars. Dies macht summa summarum: 300,000 Dollars. Diese 300,000 Dollars waren also nöthig, um den Seevogel auszurüsten, und dafür 2500 Stück Sclaven in Empfang zu nehmen. Von diesen 2500 Schwarzen werden fünfhundert während der Fahrt zu Grunde gegangen

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