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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Mit dem Tode des eben erwähnten Propstes Walther erreichte aber auch die Blüthezeit der ganzen Stiftung ihren Höhepunkt; nach seinem Tode sinkt sie ganz rasch herunter. Das Hausgesetz Konrad’s, daß jedes Mal das älteste Glied des Wettinischen Hauses die Vogteigerechtigkeit haben sollte, trug dazu nicht wenig bei. Denn aus diesem Grunde wohl hauptsächlich gründete die markgräflich’ meißnische Linie eine neue Stiftung Alt-Zelle zwischen Leipzig und Dresden, dem sie ihre volle Gunst und Liebe zuwandte; und selbst, als die Vogteigerechtigkeit zu Anfang des dreizehnten Jahrhunderts wieder an den Markgrafen Dietrich von Meißen, den hochherzigen Gönner Walthers von der Vogelweide, übergegangen war, blieb das Kloster der Verwilderung und Zuchtlosigkeit preisgegeben. Wir besitzen über diese Vorgänge die genauesten, wenn auch wohl nicht ganz unparteiisch gehaltenen Berichte in der Chronik des Petersberges selbst, die ein Mönch aus dem Kloster, wahrscheinlich im Anfange der dreißiger Jahre des dreizehnten Jahrhunderts, geschrieben hat. Leider aber bricht dieselbe mit dem Jahre 1225 ab, so daß wir über den Schluß der Verwirrung im Unklaren sind. Das, was er erzählt, ist recht geeignet, uns Detailbilder über die Zustände der Geistlichkeit im dreizehnten Jahrhunderte zu geben, die der größte deutsche Lyriker, Walther von der Vogelweide, in so grellem Lichte schildert. Ja, es dürfte vielleicht nicht ohne Grund angenommen werden, daß Walther seine berühmten Strafgedichte gerade im Hinblick auf die zerrütteten Zustände dieses Klosters gesungen habe, da er sich in Thüringen und Meißen aufgehalten hat und mit den Verhältnissen anderer Klöster in diesen Gegenden nicht unbekannt war:

Eh’ ich noch länger so den Schuh
Mich drücken ließe, wie ich thu’,
Eh’ würd’ ich Mönch in Toberlu (Dobrilugk).

Vom Anfange des dreizehnten Jahrhunderts an blieben die Kirche und die Klosterräume so ziemlich in demselben Zustande, bis die Aufhebung des Klosters unter Herzog Heinrich im Jahre 1540 erfolgte. In diesem Jahre wurde die erste evangelische Kirchenvisitation auf dem Petersberge gehalten, die Klosterstiftung wurde aufgehoben, die Güter zog der Landesherr ein und ein Amtsschösser ward für das Amt Petersberg bestellt. Die Klostergebäude wurden von demselben als Wirtschaftsgebäude benutzt und selbst ein Theil der großen Kirche mußte als Scheune dienen. Noch in demselben Jahrhunderte, im Jahre 1565, schlug endlich der Blitz in den Thurm, so daß die Kirche mit dem größten Theile der Klostergebäude abbrannte, während nur die alte Capelle vom Feuer nicht berührt wurde. An eine Wiederherstellung der Kirche in ihrem ursprünglichen Style wurde natürlich nicht gedacht, sondern man baute vielmehr in die Reste derselben eine Kirche hinein, deren Seiten die äußersten Mauern der Seitenschiffe, die das Querschiff vom Lang schiff trennende Mauer und dieser entsprechend eine vierte mitten durch das Mittelschiff und die Seitenschiffe bildeten. Durch diesen Bau zerstörte man noch Vieles, was die Elemente übrig gelassen hatten, und in diesem Zustande blieb denn die Ruine mit der in sie hineingezwängten Kirche bis in das Jahr 1854.

Dennoch aber zog sie auch in dieser Gestalt zahlreiche Freunde der Kunst an, vor Allen den König von Preußen und den jetzigen König Johann von Sachsen. Beide besuchten am 3. Juni des Jahres 1831 den Ort, wo die Grabstätten des ersten Markgrafen von Meißen und so mancher anderer Glieder aus dem Hause Wettin sich befinden. König Friedrich Wilhelm IV. dachte gar bald nach seiner Thronbesteigung an eine Wiederherstellung derselben, und schon 1842 wurde ein Beamter auf den Petersberg gesandt, um einen Ueberschlag über die Kosten der Restauration aufzunehmen. Seit dieser Zeit nahm man Bedacht, das, was noch zu retten war, zu erhalten, und nur die alte Capelle mußte im Jahre 1843 ab getragen werden. Im Sommer 1853 wurde Befehl gegeben, das Kreuzschiff und den hohen Chor auszubauen, die Bogen des Kreuzschiffes zu öffnen und den hohen Chor mit der bisherigen Kirche wieder zu verbinden. Dieser Plan aber zeigte sich bald unausführbar, die bisherige Kirche ward ganz abgetragen und nun die alte Kirche in der ursprünglichen Gestalt, so weit man ihr aus den Ueberresten und aus den historischen Nachrichten nachkommen konnte, wieder hergestellt. Am 8. Septbr. 1857 wurde sie vom Könige von Preußen vor einer glänzenden Fürstenversammlung dem gottesdienstlichen Gebrauche feierlichst übergeben.

Die Herstellung hatte einen Kostenaufwand von mehr als 46,000 Thalern erfordert.

Von den Ahnen des jetzigen sächsischen Königshauses liegen auf dem Petersberge begraben: Konrad, Graf von Wettin, der Gründer des Klosters und erster Markgraf von Meißen aus dem Hause Wettin, gest. am 5. Februar 1157, seine Gemahlin, seine Schwester und sein Sohn Heinrich, gest. 1182, Friedrich, Graf von Brene, Heinrich’s Bruder, Dietrich, Markgraf von Osterland, Heinrich der Jüngere, Enkel Konrad’s, gest. 1187, Ulrich, Graf von Wettin, gest. 1206 und ein erst 12 Jahre alter Knabe Heinrich, Sohn Ulrichs, gest. 1217. Die irdischen Ueberreste dieser Vorahnen ruhten sämmtlich in der oben erwähnten Capelle und waren mit Steinbildern gedeckt, die aber in Folge der Restauration der Capelle jetzt einen andern Platz erhalten haben.




Interessante Zahlen- und Größen-Verhältnisse.
Die Zusammensetzungen des Alphabets. – Was und wie viel man mit 25 Buchstaben füllen kann. – Die menschlichen Laute. – Die Tonverbindungen. – Scat- und Whistspiel.


Interessantes aus der Mathematik? werden die meisten Leser ausrufen und ungläubig den Artikel bei Seite legen oder mißtrauisch einen zaghaften Blick hineinwerfen. Interessantes aus der trockensten und, wie Viele glauben, schwierigsten Wissenschaft, – das gehört zu den unmöglichen Dingen. Und doch sind viele Partien der Mathematik besonders geeignet, unser Interesse zu wecken, da sie uns eher wie jede andere Wissenschaft an sicherer Hand auf die Grenzen des vernünftigen, menschlichen Denkens führt und von hier aus eine Rundschau über ferne unbekannte Gebiete gestattet, die, in Nebeldunst gehüllt, sich bis in’s Unendliche erstrecken. Denn das Unendliche und sein Gegensatz, das Nichts, beide für den Menschen unbegreifbar, in denen jede Speculation, jedes Denken sich verliert, und die doch eben wegen ihrer Unnahbarkeit immer von Neuem uns reizen, ihrem Wesen nachzugrübeln; diese läßt uns die Mathematik wenigstens ahnen, wenn auch nicht verstehen. Die Zahlenreihen, die so Mancher als das Trockenste, Geistloseste mit verächtlichem Blick übersieht, oder die Formeln, von den Meisten für todt gehalten, sie bergen in sich die interessantesten Geheimnisse in Ursprungs Umfang und Bedeutung. Nirgends ist eine größere Harmonie zwischen den einzelnen Theilen, nirgends eine größere Gesetzmäßigkeit zu entdecken, und selbst das scheinbar Widersprechende steht in genauer Beziehung zu seinem Gegensatze. Vielleicht gelingt es mir in nachstehenden Artikeln, einige interessante Seiten der Mathematik darzustellen und Manchen von dem Vorurtheile zu befreien, das er gegen diese Wissenschaft hegt.

I.
Vielfältigkeit der Zusammensetzungen.

Wenn ich von den fünfundzwanzig Buchstaben unseres Alphabets je zwei, drei u. s. w. bis zu fünfzehn zusammenstelle, so daß ich nicht nur auf die Anzahl der einzelnen Elemente, sondern auch auf ihre gegenseitige Stellung sehe und dieselben beliebig oft in einer Zusammensetzung wiederholen darf, so bekomme ich bei Berücksichtigung aller möglichen Fälle und Versetzungen die ungeheuere Menge von circa 970 Trillionen solcher Zusammenstellungen. Ist nämlich eine Reihe von Gegenständen gegeben, so kann mir die doppelte Aufgabe werden, entweder diese Gegenstände in alle nur möglichen Stellungen zueinander zu bringen, oder alle die verschiedenen Verbindungen aufzusuchen, welche sich mit je zwei, drei oder mehreren vornehmen lassen. Natürlich kann auch Beides zugleich verlangt werden. So lassen sich z. B. die vier Buchstaben e, i, l, s vierundzwanzig Mal[1] versetzen, permutiren, und die sechs Buchstaben e, i, l, n, s, t geben fünfzehn[2] verschiedene Combinationsformen, wenn jedes Mal vier dieser Zeichen, aber nie dieselben wieder, verbunden werden. Soll nun jede dieser Combinationsformen

  1. eils iels leis seil
    eisl iesl lesi seli
    esil iles lies siel
    esli ilse Iise sile
    elis isel lsei slei
    elsi isle Isie slie

  2. eiln elms list
    eils elnt inst
    eilt elst lnst
    eins enst
    eint ilns
    eist ilnt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_323.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2021)