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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Einrichtung, denselben großen Hut (im Trentschiner Comitat und bei den Horniaken, den Bewohnern der kleinen Karpathen) der Männer, dieselbe weiße Tücherkopfbedeckung der Frauen, dasselbe Regentuch, nur ohne rothen Streif, ähnliche Sitten und Gebräuche, ähnliche Bekleidung, aber vorzüglich denselben wunderlichen Tanz, das träumerische Drehen des Paares auf einer Stelle, und dasselbe wilde Emporschleudern der Tänzerin, und das darauf folgende tanzende Umkreisen des Tänzers durch die Tänzerin. Wenn nur noch ein Zweifel an dem slavischen Ursprünge der Hummeln geblieben wäre, in Ungarn wär’ er gehoben worden.

Der Hauptmoment der Kirmeß ist der sogenannte „Platz“. Es wird eine Maie gesetzt, wie in Thüringen; der Baum, welcher diesen alten deutschen Namen überall führt, ist auch hier eine bis zum Gipfel geschälte Tanne, welche in den Gipfelzweigen mit Tüchern, Bändern und allerhand Nürnberger Spielkram behangen ist. Ein ziemlich großer Kreis um diesen „Maienbaum“ ist zum Tanzplatz geebnet. Gegen Abend ziehen die jungen Bursche und Mädchen paarweise mit Musik unter Anführung des „Platzmeisters“ mit weißem Vortuche, die alte Bierstützel in der einen, einen Teller mit Bierglas in der andern Hand, auf und schließen einen Kreis um den Baum. Diese heißen nun Platzbursche und Platzmädchen. Sie müssen durchaus alle von untadelhaftem Lebenswandel sein; wer öffentlich Aergerniß gegeben hat, ist ausgeschlossen, und muß auf dem Tanzboden im Wirthshause tanzen. Noch jetzt wird streng auf dieses Sittengericht gehalten, und ich selbst war Zeuge einer wilden Prügelei, die daraus entstand, daß ein Bursche, der unerlaubten Umgang mit einem Mädchen gehabt, sich unterstand, am Platze zu tanzen.

Der Ortsvorsteher hat das Vorrecht, den Platz zu eröffnen und drei Reihen mit einem Platzmädchen allein zu tanzen. Dann tanzen sämmtliche Platzleute drei Reihen um den Baum, zuletzt ist der Platz allen anständigen jungen Leuten von gutem Rufe geöffnet. Die Anrüchigen dürfen auch nicht den Strauß mit rothen Bändern auf dem Hute und den mit Bändern gezierten Flitterkranz, das sogenannte Geflecht, im Haar tragen, welcher Putz das ausschließliche Vorrecht der Platzleute ist. Das Schwenken der Hüte, das Stampfen, Jauchzen und Emporwerfen der Tänzerinnen macht das Bild sehr lebendig. Dabei wird eine unglaubliche Menge Bier verschlungen, und mancher Bursch thut in diesen beiden Tagen mehr, als sich mit menschlicher Gesundheit verträgt. Die jungen Leute haben auch fast durchgehend ein krankhaftes Aussehen. Nach von Kraft und Gesundheit strotzenden, jugendlich blühenden Gestalten wird man vergebens suchen.

Die Tanzböden in den Wirthshäusern sind für feiner organisirte Naturen ein peinlicher Aufenthalt. Es darf nicht verschwiegen werden, daß sie zur Kirmeß gedrängt voll sind, und die vorgeschrittene Cultur die meisten ihrer nicht eben preiswürdigen Elemente durcheinander gewürfelt hat. Welch’ ein Staub und Dunst! Wie viel Schweiß-, Tabaks- und Bierexhalationen! Ein Gedränge und Gestoße, so daß einem eine pralle Dirne auf der Brust liegt, wenn man eben einen schreienden, berauschten Burschen abgeschüttelt hat.

Meist ist eine Kegelbahn in der Nähe, wo ein Platzbursche den Wirth und Aufseher macht, und zinnerne, mit Bändern geschmückte Gefäße, Tücher und andere für den Bauernstand werthvolle Raritäten ausgekegelt werden. Zuweilen ist auch ein mit Bändern und Tüchern prächtig herausstaffirter fetter Hammel der Siegespreis.

Der hervorstechende Charakterzug der Hummelbauern ist strenges, ja zähes Festhalten an Sitte und Gebrauch der Väter. Ihr Tanz ist bezeichnend für ihr Wesen: sie drehen sich immer auf der selben Stelle, und kommen nicht vorwärts. Doch finden wir diese Eigenheit bei allen Völkern: wie sie tanzen, so sind sie. – Inzwischen dringt der mächtige Geist der Neuzeit, der von der Befangenheit und dem Vorurtheil der Väter erlösende, dem auf die Dauer nichts widerstehen kann, auch in diesen Erdenwinkel. Auch unter den Hummeln hat er sein zersetzendes, nivellirendes Werk begonnen.

Von ihrer Abstammung wissen die Hummeln selbst nichts; auch hat sich kein historisches Document, ja nicht einmal Andeutung erhalten, wann sie ihren jetzigen Wohnsitz eingenommen haben. Sie sind eben einer jener abgerissenen Völkerfetzen, deren eine Menge in Europa durcheinander flattern, und die nach Jahrhunderte langem Bewahren ihrer Farbe endlich abbleichen und in der Allgemeinheit aufgehen, welcher die europäische Völkerfamilie entgegenschreitet.




Aerztliche Strafpredigten.
Den Frauen und Müttern.

So lange als die Frauen für ihren Beruf nicht anders als jetzt vorgebildet werden, so lange wird es in der Welt auch nicht besser, so lange wird es nur wenige glückliche Ehen geben und so lange wird sich die Menschheit in körperlicher und geistiger Hinsicht schwach und erbärmlich zeigen. Oder meint man etwa, die Berufsstellung einer Frau, als Lebensgefährtin des Mannes, als Erzieherin der Kinder und Leiterin eines Haushaltes, sei eine so niedere, daß sie sich ohne entsprechende Vorbildung ganz ohne Weiteres einnehmen und gehörig ausfüllen lasse? Fast scheint man dies zu glauben, denn mit was für Begriffen Mädchen, oft noch ganz unreif und noch halbe Kinder, in die Ehe treten, das ist erbarmenswerth. Durch das Bischen englisch und französisch Plappern, Singen und Clavierspielen, Tanzen, Nähen und Stricken, Kochen und Braten wird ein Mädchen, dessen Verstandesorgan (das Gehirn) leider Gottes ja außerdem auch noch 8 Loth leichter als das des Mannes ist, wahrlich nicht befähigt, eine naturgemäße leibliche und geistige Erziehung der Kinder zu leiten und eine beglückende Gefährtin des Mannes sein zu können. Dadurch wird sie höchstens Das, was so viele unserer jetzigen Frauen sind, nämlich putz-, vergnügungs-, zank- und herrschsüchtige, den Mann auf diese oder jene Weise tyrannisirende und maltraitirende, dünkelhafte, engherzige und selbstsüchtige, dick- und trotzköpfige, manchmal recht gelehrte und pfiffige, aber doch ungebildete, meist herzlose und doch sentimentale (nervöse, hysterische) Wesen mit gewissen äußeren Formen und conventionellen Redensarten, aber ohne selbstthätiges inneres Geistes- und Gemüthsleben. Daher kommt es denn aber auch, daß die allermeisten Männer bittere Reue über ihre Verehelichung empfinden und durch die Frau nach und nach aus dem Hause hinweggetrieben werden, um anderswo irgendwie die nöthige Erholung oder doch Linderung ihrer Eheleiden zu suchen. Natürlich trägt dann bei den einsichtslosen Frauen, die ja, wie bekannt, trotz aller beweisenden Gründe doch stets bei ihrer einmal gefaßten falschen Ansicht beharren und nie eines Bessern belehrt werden können, nur der Mann die Schuld, sich selbst sprechen sie immer frei davon.

Doch was hilft alles Klagen über die Frauen, damit ändern wir ja doch nichts, suchen wir lieber zum Vortheile unserer Nachkommen eine solche Erziehung des weiblichen Geschlechtes anzubahnen, durch welche die Frau gehörig befähigt wird, die ihr von Gott angewiesene Stellung ordentlich ausfüllen zu können. Zu diesem Zwecke trägt aber ohne Zweifel das Meiste eine richtige Kenntniß und Behandlung der Kindheit des Menschen bei und sind nur einmal Jungfrauen und Mütter von der Wichtigkeit einer naturgemäßen leiblichen und geistigen Erziehung des Menschen in dem ersten Lebensalter überzeugt, dann werden sie sicherlich dahin streben, den Kindern eine solche Erziehung angedeihen zu lassen, und dabei werden sie zugleich sich selbst besser erziehen. Jetzt freilich weiß man wirklich oft nicht, wer ungezogener ist, ob Mutter oder Kind. Jetzt sind fast die meisten Mütter als subtile, allerdings absichtslose Mörderinnen ihrer gestorbenen und als Gesundheitsverderberinnen ihrer noch lebenden Kinder anzuklagen. Jetzt sollten Mütter die Thränen, die sie über kranke oder ungerathene, verdorbene und undankbare Kinder weinen, lieber über ihre eigenen Fehler, die sie bei deren Erziehung gemacht haben, vergießen. Das klingt allerdings erschrecklich, ist aber die reinste Wahrheit, die freilich nicht gern gehört wird, am wenigsten gern von Frauen, die lieber jedem Anderen (wie der Amme, Kindermuhme, Schule, dem unglücklichen Schicksale, den Anlagen und dem Temperamente des Kindes, der Erbsünde u. s. w.) die Schuld des körperlichen oder geistigen Mißrathens eines Kindes zuschieben, als sich selbst.

Die große Sterblichkeit unter den kleinen Kindern hat

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_312.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)