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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

und Schule verwahrlost, die Hindu’s noch mehr, als die Muhamedaner, und die Engländer haben zwar ein „Jung-Indien“ geschaffen aus männlichen Individuen, aber keine jungen Mädchen und Frauen dazu, so daß das englische „Jung-Indien“ an den Frauen zu Grunde geht.

Jung-Indien ist eigentlich blos Jung-Bengalen, denn auf Bengalen beschränkt sich diese „Reform.“ Jung-Bengalen besteht aus jungen, brahminischen, reichen Hindu’s, die englische Regierungsschulen besuchen und daraus hervorgegangen sind. Es ist kein einziger Muhamedaner darunter. Diese hassen alles Christenthum und besonders Englischthum heißer, hartnäckiger als je. Miß Martineau erzählt in ihrer Geschichte Indiens, wie die jungen Muhamedaner in ihren Schulen alle Tage im tödtlichsten Hasse gegen Christen- und Englischthum unterrichtet werden.

Die Regierungsschulen der ostindischen Compagnie, theils Gymnasien, theils Universitäten, beschränken sich deshalb auf elastische, schlanke, empfängliche, listige, aristokratische junge Hindu’s. Sie lesen Shakespeare, Milton, Byron u. s. w., lernen einige Elementar-Wissenschaften und lassen sich dann anstellen. Das ist ihr Wissenschaftstrieb, d. h. sie lernen eigentlich nichts und bleiben außerdem Hindu’s, deren Bildung nur dazu dient, sie zu Sclaven und Opfern ihrer höheren Civilisation zu machen. Sie fahren oder schweben in Sänften in die prächtigen Säle der Hindu-Universität zu Calcutta, werfen sich auf seidene Kissen und hören zu, was der Professor sagt. Dann fahren oder schweben sie wieder fort zu luxuriösen Mahlen, in parfümirte Bäder, zu tanzenden Bajaderen mit Wein, seidenen Kissen, Gesang, Schwelgerei, Lust und Liederlichkeit! Alle sind verheirathet, sechzehnjährige Bengels mit elf- bis zwölfjährigen Mädchen, die zu Hause eingeschlossen sitzen bleiben, sich putzen und rauchen und durch ihre Stupidität den Mann desto schneller und länger von sich forttreiben, je civilisirter und emancipirter er durch die „Universität“ geworden. Die Köpfe und Herzen dieser Frauen sind öde, öde Wüsten, oft schön von außen, aber inwendig leer, leer, leer, roh listig, eifersüchtig auf ihre Colleginnen (denn Alle haben mehrere Frauen), träge, unbeholfen, nach Tabak stinkend, gelbzähnig, faltig und alt und welk im siebzehnten Jahre, Vogelscheuchen gegen die durch Tanz und Uebung und Umgang, Leben und Reisen frisch und graciös gewordenen mit denen denn auch Jung-Bengalen seine Abende zubringt, statt in seinem öden Harem zu Hause. Jung-Bengalen hat durch die englischen Regierungsschulen seine Götter verloren und keinen Gott, nicht einmal den der Wissenschaft und der moralischen und intellectuellen Kraft, bekommen: es sind Atheisten. Die Frauen zu Hause erscheinen ihnen wie Wahnsinnige in einer fieberischen Masse von Götterbildern und wahren Augiasställen von Aberglauben. So ist das öffentliche und Privatleben dieser jungen Hindu’s, auf welche die Engländer ihre Hoffnungen bauten, demoralisirt, zerrissen und verwahrlost durch und durch. Man hat bei dieser „Reform“ nicht an die Frauen gedacht.

Hier ist ein Harem eines solchen Jung-Bengalen, von einem Indier gemalt. Das Original, im Besitze des Prinzen Soltykoff, ist photographirt und danach in Holz geschnitten worden, wie wir es vor uns sehen. Sechs schöne Frauen eines jungen Bengalen in ihrem „Zenana“, worin sie ihr Leben, ärger verschlossen, als die der Muhamedaner, verkauern, verputzen und verrauchen. Einige tragen Ringe mit Diamanten in der Nase, wie dies in einer bestimmten Gegend noch Mode ist. Die beiden ohne Ringe sind Brahminentöchter Bengalens.

Ihre Zenana’s oder Gefängnisse bestehen aus leeren Wänden ohne Meubles. Sie kauern auf dem Boden herum, thun, denken und fühlen nichts und rauchen starken Tabak oder Opium dazu.

Zur Abwechselung kratzt diese oder jene sich einmal in den Haaren oder auf einer verstimmten Guitarre. Sie wurden von dem Manne unter bestimmten Ceremonien gekauft, damit er seinem Range und Stande und Reichthume gemäß sagen könne: Ich habe so und so viel Frauen, wie bei uns der Bauer nach der Menge seiner Pferde und Kühe für reicher oder ärmer gehalten wird. Nur daß diese Frauen nichts produciren, nicht einmal Kinder, die, wenn sie sich in einzelnen Fällen einstellen, weder einen liebenden Vater, noch eine zarte, mütterlich weise und gefühlvolle Mutter keimen lernen und zwischen dem entnervendsten Aberglauben und der Demoralisation väterlicher Civilisation elendiglich aufwachsen. An Jung-Bengalen sehen die Engländer nun, woran es fehlt: an Frauen und Müttern. Engländer, die Indien kennen, sehen dies ein, aber die indische Reform-Bill weiß noch nichts davon. „Erzieht das weibliche Geschlecht!“ rufen die wirklichen Reformer. Dieses ist aber verschlossener, als die Casse des echten Hindu. Wohl dem, der zu Hause säet und erntet und nicht, wie die Engländer, die Existenz der Heimath von solchen fernen, vergrabenen Schätzen abhängig machen muß!




Sclavenleben in Nordamerika.
Zweiter Artikel.

Die Sclaven-Aufseher leisten in der Führung der Peitsche oft mehr, als der geschickteste Pistolenschütze, der das Licht zu putzen versteht, ohne die Flamme auszulöschen. Diese Geschicklichkeit ist aber fast nothwendig zu ihrem Amte, denn wenn sie den Neger wegen Fahrlässigkeit oder Faulheit strafen wollen, so sollen sie ihn so strafen, daß er nicht arbeitsunfähig wird, daß er Nichts an seinem Werthe einbüßt! Ein ungeschickter Hieb könnte ihm das Auge ausschlagen, daß er um Hunderte von Thalern weniger Werth wäre! Ein ungeschickter Hieb könnte ihn auf Wochen in’s Bett und auf die Krankenliste bringen, und würde dem „Herrn“ bedeutenden Schaden zufügen! Das Augenmerk eines „kunstgerechten Peitschers“ (sie heißen in der That „Scientific whippers“, wissenschaftlich gebildete Peitschenführer) geht daher dahin, dem Neger blos die Haut aufzuritzen, ohne ihn arbeitsunfähig zu machen. Das „Hautaufritzen“ verursacht Schmerzen, tolle, wahnsinnige Schmerzen, aber es hindert nicht am Gebrauche der Glieder!

Außer der Peitsche gibt’s natürlich noch andere Strafarten. Sie werden aber selten angewandt, außer bei wirklichen Vergehen. Manchmal sind diese Vergehen nur Sclavenvergehen, keine allgemein menschlichen Vergehen, allein Vergehen sind’s immerhin, und der Sclave weiß, daß er ein Vergehen begeht. Darunter sind zu rechnen: das Besuchen einer andern Plantage in heimlicher Nacht (oft und viel nur aus Liebessehnsucht, um die erkorne Schönheit eines andern Sclavenbesitzers zu sehen; oft und viel aber auch, um einen Entweichungsfall vorzubereiten), oder das Stehlen eines Bootes, um auf dem nahen Flusse zu fischen oder – durchzugehen. In diesen Fällen – den Entfliehungsversuchen, oder auch den Vorbereitungen dazu, werden Fußeisen und Handfesseln angewandt. Der Overseer nennt diese Instrumente: Jewelry, Geschmeide, denn er ist ein spaßhafter Mann, und weiß seine Torturen mit Witzen zu verschönern. In gewöhnlichen Fällen, bei Diebstahl, Ungehorsam u. s. w. wendet man die Neck-Yokes oder die Stocks an. Die Neck-Yokes oder „Nackenjoche“ sind hölzerne Joche mit eisernen Ringen. Zwischen diese wird der Hals des widerspenstigen oder diebischen Niggers gesteckt, und derselbe wird, trotzdem daß das Joch seine dreißig Pfund wiegt, und trotzdem daß der Körper sich in diesem „Schmuck“ nur mühselig bewegen kann, gezwungen, seine gewöhnliche Arbeit nach wie vor zu verrichten. Die Stocks bestehen aus einem sehr dicken und breiten eichenen Brete, das aufrecht in den Boden gerammt ist. In diesem Brete befindet sich etwa 3½ Fuß vom Boden ein Loch, das groß genug ist, den Hals eines Menschen durchzulassen. Wird nun der Nacken des zu Strafenden mit dem Kopfe hier hinein gezwängt, so muß er natürlich ganz krumm gebückt stehen, und schon dieses „Gebücktstehen“ macht nach kurzer Zeit große Schmerzen. Damit ist aber der Aufseher nicht zufrieden, sondern er bringt im Rücken seines Opfers ein anderes ähnliches Bret an, das mit zwei kleineren Löchern versehen ist. Durch diese zwei Löcher werden nun die Hände des Negers gezwängt, indem ihm die Arme auf dem Rücken gebunden werden. Diese Stellung verursacht außerordentliche Schmerzen, und der Sträfling hält dieselben nur wenige Stunden aus; dann verfällt er in Convulsionen und Krämpfe, die seinem Leben bald ein Ende machen würden, wenn man ihn nicht losschnallte. Dies geschieht jedoch augenblicklich, da man den

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_298.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)