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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

reinlich gehaltenen und nicht überarbeiteten“ Pferde viel mehr zumuthen kann, als einem schlecht gehaltenen und ungestriegelten. Dasselbe weiß auch der Plantagenbesitzer, der nur statt der Pferde die Nigger substituirt. Natürlich also trifft ein gutmüthiger und vernünftiger Pflanzer eine andere Wahl in seinem Overseer, als ein bösartiger und kurzsichtiger!

Besuchen wir einmal die Negerhütten. Es ist ganz gleich, in welche von denselben wir gehen, denn es ist eine wie die andere.

Wir finden nur ein Gemach. Dieses ist Wohnstube, Empfangszimmer, Küche und Schlafraum zugleich. Das Ameublement ist ebenso einfach. Eine Lagerstätte, ein Tischchen, ein paar Sitze, eine Binsenmatte! Doch den Vorplatz vor dem Wohnzimmer hätten wir fast vergessen, und doch ist dieser die Hauptsache in einer Sclavenwohnung. Der Vorplatz bildet eine Art Portico. Luft und Licht sind in gleichmäßiger Fülle vorhanden, was in einem so heißen Klima, wie Louisiana oder Georgia, keine zu verachtende Beigabe ist. Im Frühjahr, Sommer und Herbst, oder eigentlich im ganzen Jahr (die kurze Regenzeit ausgenommen) ist dieser Vorplatz der Aufenthalt für die ganze Niggerfamilie. Hier wird gekocht, hier wird gespeist, hier werden Besuche angenommen. Im Wohnzimmer wird blos geschlafen.

So einfach, aber dem Klima entsprechend, die Wohnung ist, so genügt sie doch den Bedürfnissen des Negers. Ebenso ist’s mit seiner Nahrung. Doch dürfte diese sehr oft an das „Allzueinfache“ hinstreifen. Der Plantagenbesitzer im Süden braucht all sein Land für Baumwolle, Reis und Zucker. Er kann keinen Weizen pflanzen, weil dieser unter der tropischen Sonne nicht mehr fortkommt; er würde aber auch keinen pflanzen, wenn er könnte, denn das Pflanzen der Baumwolle trägt mehr ein. Darum kauft er seinen Bedarf an Mais, Mehl, Weizen, Kartoffeln u. s. w. von den nördlicher gelegenen Staaten. Allein soll er den Neger mit Weißbrod auffüttern? Oder soll er gar Schlachtvieh einführen, um den Sclaven mit Kalbfleisch zu mästen? Er selbst freilich hat der Truthühner und andern feinen Geflügels und Fleisches übrig genug. Er selbst hat volle Vorrathskammern vom weißesten Mehl; aber für den Nigger thun’s doch eben so gut Bohnen und Pökelfleisch! – In der That, wie es Regel ist, daß auf den Sclavenhaltereien in Virginien, Kentucky u. s. w. der Nigger von denselben Speisen ißt, von denen sein Herr genießt (wie er denn auch meist im selben Hause wohnt), so ist es umgekehrt in den südlicheren Staaten Regel, daß der Sclave nichts bekommt, als Bohnen und gesalzenes Fleisch, das er sich nach Belieben zurecht machen kann, und zufrieden darf er sein, wenn er nur dieses in hinreichender Fülle bekommt! Bohnen und gesalzenes Fleisch sind zwar an sich nicht theuer, aber – ein Overseer, der sich unentbehrlich machen will durch seine Aufopferung für den „Herrn,“ weiß oft auch hierin zu sparen! – Sind die Speisen einfach, so ist auch die Kocherei einfach. Abends nach neun Uhr werden die Töpfe mit Bohnen und Fleisch gefüllt und ein Kohlenfeuer darunter gemacht. Die Kohlen glühen zwar Morgens nicht mehr, aber es braucht blos eines starken Hauches, um sie wieder in’s Glühen zu bringen und das Essen für den ganzen Tag ist fertig,; denn Mittags und Abends wird blos gewärmt, was Morgens, oder vielmehr die Nacht über’ gekocht worden ist. Einige Abwechselungen in die Speisen bringt das kleine Gärtchen am Hause, denn auf diesen hundert Quadratschuhen darf der Neger pflanzen, was ihm beliebt, und natürlich pflanzt er seine Lieblingsgemüse. Freilich hat er nicht viel Zeit, seines Gärtchens zu pflegen, denn nur Sonntags ist’s ihm erlaubt, für sich zu arbeiten; aber der Garten ist doch meist in schönster Ordnung und Cultur.

In den nördlicher gelegenen Sclavenstaaten arbeitet der Neger im Hause, wie im Felde, je nachdem es die Jahreszeit mit sich bringt, denn die Cultur des Tabaks und Weizens erfordert nicht blos Feld-, sondern auch Hausarbeit. In den südlicheren Baumwollen-Cultur-Staaten aber ist die Feldarbeit die Hauptsache. Morgens in aller Frühe wird die Negerglocke geläutet. Sie hängt über dem Portico des Oberaufsehers. Das ist das Zeichen zum Ausstehen für den Sclaven. In jenen Gegenden, die sich dem Aequator mehr nähern, ist Tag und Nacht Sommer und Winter fast gleich lang. Die Sonne geht um 6 Uhr auf und um 6 Uhr unter. Die Negerglocke ertönt um 5 Uhr. Hurtig gefrühstückt. Man hat nicht lange Zeit dazu. Vor sechs Uhr beginnt die Arbeit. Sie dauert bis 12 Uhr. Eine kurze Unterbrechung, und sie beginnt wieder. Dann dauert sie bis 6 Uhr Abends, selten darüber, und nun ist Feierabend, um 9 Uhr aber müssen die Nigger im Bette sein. So ist es Jahr aus, Jahr ein. Nur die Erntezeit macht eine Ausnahme.

In dieser Zeit darf keine Minute verloren werden, besonders in den Zuckerplantagen. Es steht zu viel auf dem Spiele. Ein einziges Gewitter könnte Tausende von Dollars Werth verderben. Darum wird zur Erntezeit auch kein langer Aufenthalt über Mittag gestattet. Das Essen wird Morgens mitgenommen und kalt auf dem Felde verzehrt. So nahe es auch ist bis zu den Negerhütten, es ist doch zu weit! Um diese Zeit erweitert man die Arbeitsstunden von zwölf auf fünfzehn. Immer noch wenig gegenüber Cuba, der spanischen Sclavenstätte, wo die tägliche Arbeitszeit Jahr aus Jahr ein fünfzehn Stunden beträgt und zur Erntezeit achtzehn! Aber streng und hart gearbeitet wird in Nordamerika, wie in Cuba. Die Negerin, die vielleicht einen Säugling zu nähren hat, wird eben so wenig geschont, wie der Knabe von 12 Jahren, oder der Fünfzigjährige, der bereits über das „rüstige“ Alter hinüber ist. Die Negerin kann ja ihren Säugling mit auf’s Feld nehmen! Sie macht es dabei wie unsere Zigeunerinnen und bindet sich ein Leintuch über die Schultern, daß es auf dem Rücken eine Art Sack bildet, in welchem der Sprößling gemächlich ruht, während die Mutter thut, was ihres Amtes ist. Schreit der junge Weltbürger und verlangt nach Nahrung, so gönnt sie sich eine Minute oder zwei, um sein Verlangen zu „stillen,“ und das oft bis in sein zweites und drittes Jahr. „Entstillt“ werden die Jungen und Mädchen erst, wenn sie lustig auf dem Boden herumkrabbeln können, um sich während der Abwesenheit der Eltern vor oder in der Niggerwohnung nach eigenem Gutdünken die Zeit zu vertreiben.

Die Leitung der Arbeit ist in den Händen des Overseer’s. Er ist so früh auf, als die Sclaven, er geht aber erst lange nach ihnen zu Bette; denn oft und viel macht er sich noch einen Nachtdienst, wenn die Sclavenwohnungen längst in tiefem Schlafe begraben sind. Dann schleicht er sich zwischen den stillen Häuschen durch und horcht und lauscht, ob sie Alle schlafen! Wehe denen, die noch wachen und zeigen, daß sie wachen! Wehe denen, die noch in später Stunde plaudern, denn hinter jedem Worte wird ein „Verschwörer“ gewittert! Oder könnten nicht die armen Geplagten sich darüber zu einigen suchen, wie sie am besten der Sclaverei entrinnen wollen? Wehe ihnen! Wehe aber auch denen, die sich während des Tages träg und faul erweisen! Der Oberaufseher ist hinter ihnen, wenn sie sich’s am wenigsten vermuthen. Wenn sie glauben, er sei eben zu einer andern Partie Sclaven hinübergeritten, die am andern Ende der Plantage beschäftigt sind, und in dieser frohen Hoffnung säumend stehen und plaudern, – in demselben Augenblicke steht er hinter ihnen und schwingt drohend seine Peitsche. Der Overseer ist der alte „Ueberall und Nirgends,“ den wir schon in unsern Knabenjahren mit entzückendem Grausen kennen lernten. Von Morgens früh an sitzt er zu Pferde und bereitet die ganze Plantage. Im Sattelknopfe stecken zwei Pistolen, und am Sattelknopfe hängt die Peitsche, die Sclavenpeitsche! Seinem Blicke entgeht Nichts, auch nicht das Geringste! Seinem Gutdünken fällt es anheim, ob er die Peitsche streng oder lässig handhaben will!

Die Peitsche des Overseer’s ist ein künstliches Stück Arbeit. Sie ist sehr lang, und aus gezwirnter Seide geflochten. Wo ihre Spitze auf die bloße Haut trifft, da spritzt Blut nach, und die Neger sind wegen des heißen Klima’s zum Theil halbnackt, zum Theil blos in leichtes Baumwollenzeug gekleidet, Männer wie Weiber! Der Oberaufseher ist in der Führung der Peitsche äußerst gewandt, ein wahrer Künstler. Viele üben sich in dieser ihrer Kunst viele Monate, ja Jahre lang, bis sie es endlich zur Virtuosität bringen. Sie haben zu diesem Zwecke in ihrem Privatissimum eine ausgestopfte Figur – einen Menschen vorstellend – hängen, welcher sie Hosen von Hirschleder anziehen. Auf dem Hirschleder wird jeder Hieb sichtbar, den sie nach der ausgestopften Figur führen, so daß sie bei ihren Hiebübungen im Augenblicke wissen, ob sie fehlgeschlagen haben oder nicht. Die Figur hängt an einer Schnur und bewegt sich nach jedem Hiebe. Wenn sie nun in den Feierstunden und Sonntags sich Jahre lang an dem Pseudomenschen geübt haben, so sind sie meist so weit gekommen, daß sie im Stande sind, eine Fliege auf dem Rücken des Negers zu treffen, so sicher ist ihr Augenmaß!

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_267.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)