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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

aus, als hätte man in nationaler Dankbarkeit lauter verdienstvollen Schornsteinfegern Monumente errichten wollen. Unter ihnen war und ist aber blos ein verdienstvoller Schornsteinfeger, welchem man just noch kein Denkmal gesetzt hat: Lord Palmerston.

Dieser war funfzig Jahre lang fast stets auswärtiger und Kriegsminister und setzte den Engländern blos in den Ländern anderer Völker Denkmäler, die schrecklich viel Geld, Flotte, Armee, Diplomatie und Blut zu erhalten kosten, so daß die Engländer tatsächlich kaum mehr an ihre eigenen Angelegenheiten zu Hause denken können, so sehr sind sie durch den berühmten Schornsteinfeger von ihrer Heimath weggefegt, außer sich und Ausland geworden.

Lord Palmerston war aber einmal vor einigen Jahren auf kurze Zeit Minister des Innern. Als solcher trat er mit einem Recept für Gensd’armenfabrikation auf, außerdem verbot er das Rauchen. Mit beiden Recepten hatte er Unglück: die Gensd’armen blieben aus und der Rauch blieb, obgleich „Punch“ das Verbot sehr drastisch unterstützte und bildlich darstellte.

Lord Palmerston hatte nämlich den großen Fabrikschornsteinen und Dampfschloten oberhalb der London-Brücke das Rauchen verboten. Diese wußten aber nicht gleich, wohin mit dem Rauche, und so qualmten sie fort, dicht um Palmerston und die Polizei herum, dick, schwarz, grimmig, unaufhörlich. Die Polizei sah den Rauch vor Rauch nicht und war in Verzweiflung, wie und wo die Schuldigen zu entdecken seien. Punch zeichnete einen Policeman auf einer himmelhohen Leiter an einem Dampfschlote in die Höhe gestiegen und in den schwarzen, dicken Qualm von oben mit erstickter Stimme hinunterhustend:

Hei no smoking allowed! Sie darfen hier nich roochen!“

Das Verbot und das Rauchen bestanden neben einander fort, wie tausenderlei andere Widersprüche in England; aber hier und da wurde doch ein polizeiwidriger Schornstein denuncirt und bestraft, so daß sich die Dampfmaschinen doch nach Mitteln umsahen, durch welche das Feuer gezwungen wird, seinen eigenen Rauch zu verzehren. Dieses große Problem des Jahrhunderts ist denn nun auch bereits auf verschiedene Weise mehr oder minder vollkommen gelöst worden.

Da Tausende von industriellen und commerciellen Geschäften und Unternehmungen, Betriebs-Capitalien, Preise von Fabrikaten, Gesundheit und Leben, landschaftliche Heiterkeit, Erdenglück und Himmelsbläue in allen Ländern damit zusammen- und davon abhängen, glauben wir, im Interesse der Majorität unserer Leser zu handeln, wenn wir mittheilen, wie weit man es in der Lösung dieser Aufgabe bis jetzt in England gebracht hat.

Eine „Dampf-Kohlenbergwerks-Association“ in London schrieb vor etwa einem Jahre den Preis von 500 Pfund Sterling auf die beste Methode aus, Feuer für eine bestimmt angegebene Art von vielröhrigen Dampfkesseln so zu unterhalten, daß es keinen sichtbaren Rauch abgebe. Der Feuerheerd ward dem Ermessen der Bewerber überlassen, Gestalt, Form und Größe des Dampfkessels aber jedem in einer Zeichnung geschickt und vorgeschrieben. Außerdem wurden Jedem Kohlen aus derselben Grube geliefert und die Ueberbleibsel derselben je von bestimmten Quantitäten sorgfältig gewogen.

Ueber diese Bewerbungen und Versuche ist jetzt ein sehr genauer Bericht erschienen, aus welchem wir das Wesentlichste mittheilen. Die Association bekam 103 Methoden der Rauchvertilgung in theoretischen Vorschlägen von allen Theilen England« zugeschickt. Davon wählte sie vier als die theoretisch vollkommensten zur Erprobung durch die Praxis auf ihre eigenen Kosten aus. Den andern Bewerbern wurde freigestellt, ihre Theorien auf eigene Kosten praktisch zu prüfen. Die vier von der Association geprüften sind die von Hopson und Hopkinson in Huddersfield, E. W. Williams in Liverpool, B. Stoney in Dublin und Robson in Süd-Shields. Den Preis von 500 Pfund bekam Williams, weil sich dessen Theorie als die bewährte, welche das Feuer auf die einfachste und wohlfeilste Weise zur vollkommensten Rauchvertilgung nöthigte, welche also mit andern Worten die vollkommenste Verbrennung und die größte Entwickelung von Hitze aus einem bestimmten Brennmaterial erzeugte.

Der Bericht setzt zunächst auseinander, daß Feuer ohne Rauch noch kein vollkommener Verbrennungsproceß sei, da Gase aus Mangel an hinzutretendem Sauerstoff noch unverbrannt entweichen. Haupterforderniß ist also gehörige Versorgung des Feuers mit Luft, welche, durch das Feuer dringend, den Verbrennungsproceß möglichst vollkommen macht, aber auch nicht mit zu viel Luft, welche dann, neben dem Feuer hinziehend, dessen Wirkung vermindern würde. Bloßes Eindringen der Luft in das Feuer thut’s aber noch nicht, so daß es hierbei viel aus das Wie? ankommt. Danach nun unterscheiden sich auch hauptsächlich die vier geprüften Methoden der Rauchvertilgung.

Robson theilt das Local des Feuers in zwei Kammern, eine vordere für Kohlen und eine Hintere für Cokes. Erstere brennt mit ihrem Rauch in die verhältnißmäßig rauchlose Cokeskammer hinein, deren nun bedeutend erhöhte Hitze diesen Rauch mit verbrennt, da durch angebrachte Luftlöcher genug Sauerstoff dafür zugeführt wird. Aber der Rauch wurde nicht „ganz“ verzehrt. Die Einrichtung selbst erschien aber gut und man glaubt, durch Vervollkommnung der Coustruction diesen schwachen Punkt noch überwinden zu können.

Hopson und Comp. erzielten vollkommene Verbrennung ohne Rauch. Aber die Einrichtung ist complicirt. Säulen und Kammern von feuerfestem Thon bewirken eine vollkommene Mischung von äußerer Luft und den Gasen des Feuers, aber dieses Mauerwerk kann brechen und sich spalten, daher setzt diese Methode große Vorsicht und Sorgfalt beim Feuern voraus, was im Großen und in Masse nicht ausführbar ist, da man seltene, kostspielige, wissenschaftlich gebildete und praktisch geübte Feuermänner dazu brauchen würde.

Stoney’s Plan ist im Principe gleich mit dem von Williams. Beide lassen die Luft von Außen durch die Ofenthür einströmen. Ueber diese heraus ragt in Stoney’s Apparat der Boden des innern Feuerheerdes in gleicher Ebene hervor. Diese neigt sich nach innen und läßt das theils außerhalb, theils innerhalb placirte Brennmaterial immer nach dem Centrum des Feuers rutschen, wobei durch eine Menge kleine Oeffnungen in der Thür reichlich Luft zuströmt, ohne aber gänzliche Verzehrung des Rauches zu sichern.

Der Williams’sche Apparat läßt die Luft auch von außen durch kleine Oeffnungen eindringen, welche, durch Röhren nach außen verlängert, beliebig geschlossen werden können. Die Hauptsache dabei ist, daß inwendig stets zwei verschiedene Grade von Feuerung erhalten werden, eine weißglühende auf der einen, eine brennende und mit frischen Kohlen versehene auf der andern Seite.

Während die letztere Rauch entwickelt, verzehrt die Gluth der ersteren denselben, bis Alles vollständig durchglüht ist und nun auf der andern Seite wieder frisches Brennmaterial aufgeschüttet werden kann, welches nun bald in vollkommene Verbrennung übergeht, und so fort. Der Rauch wurde dabei vollkommen verzehrt, heißt es in dem Berichte, gleichviel, ob während der Stunde 15 oder 27 Pfund Kohlen per Quadratfuß verbrannten. Bei einem Experimente wurde die Verbrennung sogar auf 371/2 Pfund auf den Quadratfuß per Stunde getrieben, ohne daß Rauch sichtbar ward, obgleich dabei 5 1/2 Kubikfuß Wasser auf jedem Quadratfuß Feuerplatz per Stunde verdunsteten. Dabei ergab sich noch der Vorzug, daß keine besondere Sorgfalt und Wissenschaftlichkeit von Seiten des Heizers erforderlich ist, wenn er nur abwechselnd rechts und links frische Kohlen aufschüttet, was bei großen Fabriken u. s. w. sehr wichtig ist. Ueberhaupt beziehen sich diese Experimente blos auf große Fabrik- und Dampfmaschinenfeuer. Im Kleinen für Haus, Heerd und Ofener reicht man den Zweck schon ziemlich vollkommen durch sehr häufige, in kleinen Portionen regelmäßige Hinzufügung frischen Brennmaterials.

Für Kohlenfeuer im Kleinen reicht die schon vor 15 Jahren patentirte Einrichtung von Jules hin, um stets Feuer und Hitze ohne Rauch zu sichern. Die Einrichtung besteht in beständiger Versorgung des Feuers mit kleinen Quantitäten vermittelst sich mechanisch drehender Eisenstangen. Es ist ein Apparat, der nur aufgezogen und mit Kohlen versehen zu werden braucht, um ein einmal gut brennendes Feuer hell und rauchlos zu unterhalten.

Im Großen ist das Problem durch Williams wesentlich gelöst worden und das Palmerston’sche Rauchverbot keine Fabel mehr. Da sich die civilisirte Erde überall dichter mit Dampfschloten bedeckt, wie mit Kirchtürmen und adeligen Schlösserzinnen, ist diese gelöste Aufgabe von der weitesten und breitesten Wichtigkeit und eine heitere Aussicht für Alle, die reine Luft und klaren Himmel dem schwarzen Schmutze vorziehen, mit welchem jetzt alle großen dampfgetriebenen Industrieen umhüllt erscheinen.




Auch nicht übel! Burmeister erzählt in seiner Reise durch die Pampas, daß er im Postzimmer der Estancia la Cobra, einer abscheulichen Barracke, eine so große Menge der größten blutsaugenden Wanze Vincucha angetroffen habe, daß er es vorgezogen, im Freien zu übernachten. „Doch auch diese Stelle,“ fährt er fort, „gönnte mir das Schicksal nur kurze Zeit; es zogen plötzlich Regenwolken herbei, die bald sich entluden, und mich in’s Zimmer zurücktrieben. Es blieb nichts anderes übrig, als mich ganz in eine wollene Decke zu wickeln, um vor den Wanzen sicher zu sein. Diese großen, über ein Zoll langen Bestien sind eine sehr lästige Plage der argentinischen Lande; sie halten sich am Tage in den Fugen des Dachstuhls oder sonst wo versteckt, und kommen in der Nacht hervor, die im Zimmer Schlafenden anstechend, um ihr Blut zu saugen. Jung und halbwüchsig sind sie noch ungeflügelt und bauchiger gebaut; im reifen Lebensalter haben sie große Flügel, einen flachen Leib und fliegen geschickt. Ein recht vollgesogenes Thier schwillt enorm an, und kann den Umfang einer Eichel annehmen; bei mir ist freilich keine so stark geworden, ich fühlte sie alsbald, schon ehe sie gestochen hatte, an der Bewegung der Haut, griff zu und riß ihr den Kopf ab. Am andern Morgen lag gegen ein Dutzend todt vor meinem Lager.“



Das herrschaftliche Erbbegräbnis zu Riesa in Sachsen. Der berühmte Bleikeller in Bremen und eine Gruft im Dorfe Wiewert bei Franecker haben die Eigenschaft, daß die daselbst beigesetzten Leichen nicht verwesen, sondern nur vertrocknen. Ein Gleiches erzählten wir neulich (in Nr. 12.) von der Gruft in dem ungarischen Dorfe Szent-Ivanyi. Die Kirche in Riesa, jenem von drei Eisenbahnen gekreuzten Städtchen, bietet im herrschaftlichen Erbbegräbniß eine ähnliche Eigenthümlichkeit. Dasselbe enthält gegen 30 Leichen, und schützt menschliche Körper und Gerätschaften vor Fäulniß. Glieder von Leichnamen, welche schon 202 Jahre hier ruhen, lassen sich noch sehr gut bewegen. Ein junges Frauenzimmer, das 1634 beigesetzt ward, hat noch ziemlich Farbe, und zwei ältere Leichen sind noch ganz den von ihnen in der Kirche aufgehängten Bildnissen ähnlich. Fliegen und Spinnen, welche man in dem einen Sarge bemerkt, sind gleich dem menschlichen Körper nur vertrocknet. Eine im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts begrabene Leiche trägt einen Lorbeerkranz, dessen Blätter noch riechen. Eins derselben aber, das man heraus nahm und sorgfältig verwahrte, hatte nach einigen Tagen den Geruch verloren. Gleichwohl zeichnet sich dieses in seinen Wirkungen sonderbare Begräbniß weder durch Lage, Boden noch Bauart aus. Ueber dieser Gruft bemerkt man durch eine Oeffnung noch eine zweite mit ganz unversehrten, doch nie geöffneten Särgen, wogegen in einem dritten, nur fünfzig Ellen von jenem entfernten Begräbniß die Leichen verwesen.




Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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