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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

daß er nicht Zeit hatte, seine Büchse zu erheben. Im nächsten Augenblicke sah ich ihn rücklings unter der Tigerin hinstürzen, welche furchtbar brüllte und heulte. Meine „Shikari’s“ blieben bei dieser Gelegenheit bewundernswerth kaltblütig und händigten mir rasch meine Reserve-Büchse ein. Ich feuerte zwei Mal in das Schulterblatt der Bestie, während sie über dem armen Elliot lag; diese Wunden übten aber wenig Wirkung, denn sie schleppte ihn rückwärts an dem linken Oberarme, den sie mit ihren Zähnen festhielt, nach dem Sumpfe zu, in dem sie gelegen hatte. Der Grund war äußerst uneben und mit Felsstücken bedeckt, ich getraute mich deshalb nicht zu schießen, aus Furcht, meinen Freund zu treffen, denn da sein Gesicht unter ihrem Kopfe lag, konnte ich nicht nach ihrem Schädel zielen, während sie über die Felsstücke sprang. Elliot war ohnmächtig, als die Tigerin ihn fortschleppte. Sie brüllte fortwährend und sah nach uns, als ich ihr mit den Leuten etwa acht Schritt weit folgte und auf den Augenblick wartete, wo ich nach ihrem Kopfe zielen konnte, denn jeder andere Schuß war nutzlos. Endlich, nachdem ich zwei bis drei Mal vergeblich gezielt, traf meine Kugel sie glücklich in die Hirnschale, worauf sie den armen Elliot fallen ließ und todt auf ihn hinstürzte, ihre Klaue nach seiner Brust streckend. Rasch gab ich ihr mit dem zweiten Lauf den Rest und stürzte dann mit den Bheels hinzu, um Elliot unter der Tigerin hervorzuziehen.

Als wir ihn aufhoben, kam er sogleich zur Besinnung und bat um Wasser. Wir gaben ihm den Schlauch, der unser Wasser enthielt, und er that einen langen Zug daraus. Sein Arm war furchtbar zerfleischt, und wir verbanden ihn, so gut es ging, mit den Turbanen, welche die Leute bereitwillig dazu hergaben, und machten dann eine Bahre aus Zweigen, auf der wir ihn nach unserm Zelt in Rajghur, zwei und eine halbe Meile weit durch das Gebüsch trugen. Hinter ihm folgten die Bheels mit der Tigerin, einem äußerst starken Thiere.

Den ersten Schlag, welchen die Tigerin ihm mit der Tatze geben wollte, hatte Elliot mit seiner erhobenen Büchse parirt. Auf dem Schaft waren die Spuren ihrer Klauen zu sehen, Hahn und Versicherung waren so platt gedrückt, daß die Büchse erst reparirt werden mußte, ehe sie gebraucht werden konnte. Von Rajghur ließ ich Elliot nach der nächsten Stadt bringen, und nahm, als Alles dazu angeordnet war, Abschied von ihm, da ich ihm nicht weiter helfen konnte.

Nachdem ich gehört, daß eine Anzahl Officiere fünfzehn Meilen weit vom Lager auf einer Piknikpartie befindlich sei, ritt ich zu ihnen, und war sehr erfreut, bei ihnen Speise und Trank zu finden. Am nächsten Morgen meldeten die Bheels, daß ein Tiger gespürt worden sei, und es wurde beschlossen, eine Jagd anzustellen. Oberst D., die beiden Doctoren C. und M. und ich zogen dazu aus. Wir hatten drei Doppelbüchsen und meine Pistolen. Als wir den Abhang erreichten, ließen wir treiben, Doctor C., der Oberst und ich faßten auf Bäumen mit den Büchsen Posto, während Doctor M., welcher nur als Zuschauer gefolgt war, sich auf einen niedrigen Baum stellte. Sobald der Lärm der Treiber erschallte, kam ein starker Tiger in raschem Trabe auf uns zu. Wir ließen ihn dicht herankommen, feuerten dann dicht hinter einander, und streckten ihn zu Boden; gleich darauf sprang er aber wieder auf, und stierte umher in sichtlicher Unschlüssigkeit, was er thun solle. Er ging einige Schritte zurück. Hier gewahrte er Doctor M., der weiß gekleidet war, und vollkommen regungslos auf einem niedrigen Zweige des Baumes zwanzig Schritt weit von dem Tiger stand. Nachdem er lange den Doctor angestiert, der die Geistesgegenwart hatte, sich nicht zu rühren, lief die Bestie raschen Schrittes einem Korinthen-Gebüsche zu, und wir sahen sie nicht wieder, wie viel Mühe wir uns auch gaben, sie durch Herabrollen von Steinblöcken zu treffen und zu reizen. Der Regen machte unsern Bestrebungen vollends ein Ende.

Doctor M. wäre verloren gewesen, wenn er sich geregt hätte. Die „Shikaris“ sagten uns jedoch, der Tiger habe den Doctor sicher für ein Stück weißen Tuches genommen, das die Eingebornen bei ihren Jagden auf die Büsche hängen, um die Tiger zu schrecken.

Nach zwei Tagen erst wurde der Tiger etwa dreihundert Schritt von dem Orte, wo er stürzte, verendet gefunden.

Für ihre Raubzüge beschränken sich die Tiger gewöhnlich auf ein Gebiet von wenig Meilen, das sie dadurch genau kennen lernen. Beim Nahen der Nacht erschallt ihr Gebrüll an verschiedenen Stellen in einiger Entfernung von einander, um das in der Nähe liegende Wild nach dem Sumpfgebüsch zu treiben, dem sich der Tiger darauf zuwendet. Wenn er sich dann dort an den Stellen, welche das Wild zum Saufen aussucht, auf die Lauer legt, seine Opfer zu Boden reißt und tödtet, hat er nicht halb soviel Mühe, als wenn er sie auf einer großen Fläche jagt. Das Gebrüll dient indessen auch dazu, das Wild und kleinere Thiere zu warnen und zur Flucht zu treiben, sonst würden sie von den Raubthieren vollends aufgerieben werden.

Zu den Feinden des Tigers gehören auch die wilden Hunde. Wo es solche in Indien gibt, jagen sie den Tiger, der vor ihnen furchterfüllt flieht, bis er einen Baum findet, durch dessen Erklimmen er sich vor ihnen retten kann. Die Hunde belagern ihn jedoch darauf, und erheben einen so furchtbaren und fortgesetzten Lärm, bis gewöhnlich Schützen erscheinen, und den Tiger mit leichter Mühe erlegen.

Hat der Tiger einen Stier getödtet, so folgt ein interessantes Schauspiel. Schon während seiner Jagd kreisen die Geier, welche den Mord wittern, und ist er geschehen, so setzen sie sich ruhig auf die nächsten Bäume, um zu warten, bis der Tiger seinen Durst und Hunger aus dem Blut und Fleisch seines Opfers gestillt hat. Eben so sitzen die Schakals in ehrfurchtsvoller Entfernung. Erhebt sich der Tiger dagegen, so stürzen sie hinzu, und zanken sich dabei auf eine höchst komische Weise mit den Vögeln, sobald diese ein Stück Eingeweide oder Fleisch weghacken. Die Geier wissen dem Schnappen der Schakals jedoch sehr geschickt auszuweichen. Entfernen sich die letzteren mit einem Knochen, so beginnt erst das wahre Mahl der Geier. Oft fressen sie sich so voll, daß sie nachher kaum fliegen können.

Zuweilen rächen sich die Kuhhirten auf raffinirte Weise an den Tigern, welche sie ihres Viehes berauben. Nachdem sie von einem Baume aus zugesehen, wie der Tiger ein Stück Vieh erwürgt und seine erste Gier an diesem gestillt hat, steigen sie nach dessen Entfernung herab, machen mehrere Einschnitte in die Keulen des erwürgten Stieres, und streuen Arsenik oder das Mehl einer giftigen rothen Beere hinein, welche in den Dschungeln wächst. Jede dieser Giftarten ist geschmacklos, und wenn der Tiger nach einiger Zeit zurückkehrt, und auf’s Neue zu schwelgen beginnt, merkt er nicht, daß er den sichern Tod einsaugt.

Einer dieser Hirten zeigte mir die Reste von drei Tigern, welche er auf diese Weise getödtet hatte. Als Tiger-Jäger mußte ich über diesen Erfolg erfreut scheinen, bedauerte aber im Herzen dieses Tödten, das der Jagd Eintrag that.

Nach der Tödtung eines Stieres lauern die Eigenthümer desselben dem Tiger auch häufig von den Bäumen aus auf und schießen nach ihm, verwunden ihn jedoch nur, da ihre schlechten Gewehre und ihr schlechtes Pulver nicht hinreichen, die starken Thiere zu erlegen. Sie können höchstens darauf rechnen, daß die Tiger an den Folgen der Verwundung verenden; sie überstehen diese jedoch gewöhnlich, und ich fand häufig Kugeln unter dem Fell der von mir erlegten Thiere.

E. M.
Blätter und Blüthen.

Feuer ohne Rauch. Das alte Sprüchwort: „wo Rauch, ist auch Feuer“, oder umgekehrt: „wo Feuer, ist auch Rauch“, muß oder soll ungültig werden, da wir mit unserer feuerbegierigen Industrie und für unsere kalten, commerciellen Herzen viel und reelles Feuer, d. h. Feuer ohne Rauch bedürfen. Wir wissen, daß just Rauch Zeichen eines schlechten, unvollkommenen Feuers ist. Der Rauch ist nutzlos und schädlich, unverbraucht in die Luft entweichendes Brennmaterial. In England werden täglich über 1000 Centner reelle Steinkohlen als Rauch an die Luft gesetzt. Sie bilden einen ewigen großen Sack voll Asche über den Häuptern, der den Himmel verschließt und immerwährend schwarz auf Denkmäler, Vatermörder, Vorhemdchen, Damenhüte und das ganze englische Leben herabregnet. Die Denkmäler der Lords und Könige in London sehen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_255.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)