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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

No. 17. 1858.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Iffland.
Biographische Novelle von A. v. Sternberg.
(Fortsetzung.)

Hier machte sich eine Bewegung unter den Dreien bemerklich, sie flüsterten unter einander und endlich trat der, der sich des Armes der jungen Schauspielerin bemächtigt hatte, hervor und nahm in einem spottenden Tone das Wort:

„General sind Sie, mein Herr? Darf ich fragen, von wem Sie Ihre Epauletten bekommen haben?“

„Von wem –? Vom Könige, mein Herr. Sie scheinen daran zu zweifeln?“

„Und mit Recht.“

„Ei warum?“

„Weil es die Epauletten eines Komödianten sind.“

„Eines Komödianten?“

„Spielen Sie nur immerhin Ihre Rolle, wir kennen uns! Hahaha.“

„Ich habe nicht die Ehre.“

„Sehn Sie, lieber Graf, bemerken Sie, lieber Baron, wie dieser Possenreißer sich gut verstellen kann – hahaha.“

„Possenreißer?“

„Diese junge Dame hat mir bereits vertraut, wo sie eben herkommt; ich kann mir denken, mein Herr, Sie sind uns nachgegangen, um eins Ihrer alten Späßchen an mir zu üben.“

„Eins meiner alten Späßchen? Herr, ich bitte um Erklärung. Sind Sie verrückt oder wollen Sie mich verrückt machen?“

„Still, das findet sich.“

„Was findet sich?“

„Hahaha!“

„Meine Damen, wir wollen gehen! Es scheint, diese Herren sind von einem allzu reichlichen Mittagsmahle aufgestanden und sind in einer mehr als heitern Laune.“

„Nicht von der Stelle! Die Damen werden so gefällig sein, zu warten, bis ich diesem betrunkenen Droschkenkutscher die Wahrheit gesagt habe.“

„Das geht zu weit. Ich, der General Xavier, den der Hof, den die Stadt kennt, ein betrunkener Droschkenkutscher, ein Komödiant, ein Possenreißer! Herr, wer sind Sie?“

„Graf Sylchon, Ihnen zu dienen.“

„Wie, wenn ich Sie für einen Possenreißer halte? denn wenn Sie sind, wofür Sie sich ausgeben, würden Sie als Mann von Ehre Niemand beleidigen, der Sie nicht beleidigt hat.“

„Bravo, Herr Komödiant! Gut gespielt! Ich klatsche Beifall!“

„Herr, Sie sind ein Nichtswürdiger!“

„Teufel, wenn Sie wirklich General wären, so müßten Sie sich mit mir schlagen!“

„Ich stehe zu Diensten, wenn Sie wirklich Graf sind!“

„Hier der Baron Welten und der Graf Bolton kennen mich.“

„Und mich kennen diese Damen.“

„Genug der Worte, wir finden uns; gestatten Sie mir, Ihnen meine Karte zu geben, und jetzt leben Sie wohl, Herr Iffland!“

Er machte den Damen eine flüchtige Verbeugung und bog mit seinen zwei Gefährten in einen Seitengang. Der General brach in lautes Lachen aus, in das die Präsidentin einstimmte.

„Iffland!“ rief er, „also für den hält er mich! So erfahre ich denn selbst, daß es wahr ist, daß ich Aehnlichkeit mit diesem berühmten Manne habe. Aber was wollte er mit dem betrunkenen Droschkenkutscher?“

„Das kann ich Ihnen erklären,“ nahm die Präsidentin das Wort und erzählte ihrem Begleiter die bekannte Anekdote, auf die sich nun der General auch besann.

„Gleichwohl werde ich mich mit dem jungen Unbesonnenen schlagen müssen, denn seine Keckheit bedarf der Züchtigung.“

„Wir wären untröstlich,“ rief die Präsidentin, „wenn wir die Ursache wären, daß sich ein eben so zweckloser als gehässiger Streit entspinnt. Mein Rath wäre, den jungen Mann seiner Wege gehen zu lassen und das ganze Abenteuer als ungeschehen zu betrachten.“

„Ist dies auch Ihre Ansicht, mein Fräulein?“ fragte der General Sophie.

„Gewiß,“ erwiderte diese leicht hin, „Sie dürfen sich nicht in Gefahr begeben.“

„Mein schönes Kind, diese Worte rühren mich. Also Sie sind bange für mein Leben?“ Er erfaßte die Hand Sophiens und drückte sie leise. „Wie beseligend ist es, auf gefühlvolle Herzen zu stoßen!“

Sophie erröthete, aber sie besaß den richtigen Takt, ihren Arm ohne Ziererei in dem des Generals zu lassen.

„Darf ich Sie wiedersehen, liebes, gefühlvolles, gutes Mädchen?“ fragte er leise und versuchte nochmals, ihre Hand zu erfassen.

Man war an dem Hause der Präsidentin angelangt. Beim Abschiednehmen lud sie den, dem sie Dank schuldig zu sein glaubte, ein, sie zu besuchen. Mit einem lächelnden Blicke auf Sophien nahm der höfliche Begleiter die Einladung an. Sophie und ihre

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_229.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)