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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

über die Hälfte weniger sterben. Darauf führt sie in langen Armeen von Beweisen und Aussagen Ursachen dieser überdoppelten Sterblichkeit an. Sie dampfen alle wie eine Reihe stinkender Würgeengel aus dem Fleischkessel der Caserne.

Die Times macht dies wieder auf eine drastische Weise anschaulich. Sie führt das grandiose Bild des großen englischen Küchen-Reformators, Alexis Soyer, von der Consumtionskraft und der Tischmannichfaltigkeit eines englischen Aristokraten an. Wenn so ein englischer Aristokrat, etwa im sechsten Jahre, sagt er, alle die lebendige Schöpfung, die er bis zur Erreichung des englischen aristokratischen Durchschnittsalters verzehren wird, auf einmal um sich sähe, würden ihn 30 Ochsen mißtrauisch anstieren, 200 Schafe, 100 Kälber und 200 Lämmer anblöken, 50 Schweine umquieken, 1000 geflügelte Hausthiere umflattern, außerdem 300 Truthühner, 150 Gänse, 400 junge Enten, 300 Tauben, 1400 Rebhühner, Fasanen, Hasel- und Birkhühner, 600 Waldschnepfen, 600 wilde Enten, kleine Kriech- und rothhalsige Pfeifenten, 450 Kibitze, Reefs und Ruffs, 800 Wachteln, Fettammern, Mornellen und Wasserhühner, 120 Perlhühner, 10 Pfaue, 360 Stück wildes Geflügel von fremden Ländern; 500 Hasen und 40 Hirsche würden todesahnend um ihn her zittern; im Wasser würden 400 Lachse, 120 Kabeljaus, 260 Forellen, 400 Makrelen, 300 Weißfische, 800 Solen, 400 Flundern, 400 rothe Mullets, 200 Aale, 150 Haddocks, 400 Heringe, 20 Schildkröten, 30,000 Austern, 1500 Hummern, 300,000 Shrimps und Prawns und 120 Steinbutten seine Nähe zu meiden suchen, jede Creatur in Furcht, daß sie zuerst auf seine Tafel spazieren müsse. An Flüssigkeiten würden sich vor ihm aufthürmen 50 Oxhoft Wein, 1368 Gallonen Bier und 5849 Gallonen Spirituosen ohne die 342 Gallonen Liqueurs. Dabei hat er noch keinen Löffel voll Gemüse, keinen Bissen Brod, keinen Pudding, keine Pastete, kein Stückchen Kuchen.

Dies würde der junge Aristokrat Alles für sein irdisches Leben vor sich sehen!

Und was würde der englische Soldat für seine einundzwanzigjährige Dienstzeit vor sich sehen? Einen Berg gekochtes, zähes, strähniges Rindfleisch von 7665 Pfund, kein Schafohr, keine Schweinepfote, keinen Kalbsfuß, kein Hasenbein, geschweige einen Reef- oder Ruff-Flügel. Selbst der Flügelmann bekommt während der einundzwanzig Jahre nichts davon zu sehen.

Immer gekochtes Rindfleisch, einundzwanzig Jahre lang alle Tage gekochtes Rindfleisch aus dem großen Casernenkessel, jedes Stück mit einem Hosenknopf, einem Stückchen Uniform, einer Lichtscheere (Siehe: Soyer) oder sonst genial gezeichnet. Jeden Tag 21 Jahre lang? Nein. Bald hungert er aus Ekel, dann ißt er wieder mit Ekel gegen das Verhungern und so fort, 21 Jahre lang, was den 42,000 Mann, die eher – mit kühner Metapher gesagt, doppelt und 1/5 – starben, zu lange war, so daß sie eben mit der doppelten und 1/5 Geschwindigkeit der größten Civilsterblichkeit lieber in’s Gras beißen, als in den Berg gekochten Rindfleisches. Warum brieten, schmorten, rösteten sie nicht zur Abwechselung? Durften nicht. Kochen, ausnahmsloses Kochen alle Tage Tagesbefehl. Doch nun wird’s besser. Der Fortschritt bleibt nun gewiß nicht aus. Er war „besonnen“ und ist „parlamentarisch.“ Die lebenden Soldaten werden als Belohnung für die 42,000 Todten künftig wahrscheinlich Erlaubniß bekommen, ihr Rindfleisch auch zu braten oder wohl gar zu schmoren.




Ein Besuch der Officin von Brockhaus in Leipzig.
Mitgeteilt von Albert Rottner.
(Fortsetzung.)


Die Buchdruckerei.

Wir haben nun die Produktion des zur Herstellung des Schriftsatzes erforderlichen Materials kennen gelernt und wenden uns den Arbeitsstätten zu, wo dasselbe praktische Anwendung findet.

Das technische Verfahren der Buchdruckerkunst theilt sich in zwei Hauptmomente: das Anfertigen der Druckformen und die Bewerkstelligung des Druckes selbst.

Wir treten also zuerst, um uns über das Anfertigen der Druckformen zu unterrichten, in den Setzersaal, der von beiden Seiten das Tageslicht empfängt und durch einen von Säulen getragenen Mittelgang in zwei Hauptabtheilungen getheilt ist. Hier erblicken wir in symmetrischer Ordnung Reihen von Regalen, die sich von den Fenstern nach dem Mittelgang hinziehen und mit den sogenannten Schriftkästen bedeckt sind, an denen die Setzer ihre Arbeit verrichten.

Um von dieser sinnreichen Manipulation, welche durch die Gewandtheit und Schnelligkeit, mit der sie ausgeführt wird, unsere Bewunderung erregt, einen klaren Begriff zu bekommen, müssen wir uns hier etwas verweilen und uns über die einzelnen Bestandtheile des Materials, wie über die Handhabung desselben unterrichten lassen.

Wir müssen nämlich zuvörderst nochmals auf die Schriften selbst zurückkommen, die wir in der Schriftgießerei nur in so weit kennen gelernt haben, als es zum Verständniß dieser Operation erforderlich war.

Es wird Jedem schon aufgefallen sein, daß es in den Schriften eine außerordentliche Verschiedenheit gibt, sowohl hinsichtlich ihrer Form als auch ihrer Größe.

In erster Beziehung haben wir zwei Hauptgattungen zu unterscheiden: die gewöhnliche deutsche Schrift, in der Kunstsprache Fractur genannt, und die lateinische Schrift, wovon man zwei Arten hat: die geradstehende, Antiqua, und die schrägliegende, Cursiv. Die Schriften in den übrigen Sprachen werden nach der ihnen zugehörigen Sprache benannt, z. B. griechisch, hebräisch, syrisch, armenisch etc.

Jede Schrift enthält zunächst die großen oder Anfangsbuchstaben, Versalien, und dann die kleinen, die man gemeine Buchstaben nennt, außerdem aber noch die zehn Zahlzeichen. Unter den zufälligen Bezeichnungen sind die Interpunctionen die unentbehrlichsten. Andere Zeichen sind: Sternchen, Kreuzchen, Paragraphzeichen, Nachweisungszeichen, arithmetische, mathematische, kaufmännische und ähnliche Zeichen. Außer diesen Typen, auf denen das Schriftzeichen, welches sie ausdrücken, erhaben dargestellt ist, gibt es aber noch andere, welche dazu bestimmt sind, die leeren Zwischenräume zwischen den Buchstaben, Wörtern, Zeilen etc. auszufüllen, denn in einem Schriftsätze muß Alles, auch das, was weiß bleiben soll, mit Metall ausgefüllt sein, so daß jede Columne oder gesetzte Seite eine zusammenhängende, obwohl aus lauter einzelnen Stückchen bestehende, ununterbrochene Metallmasse, also ein geschlossenes Ganze bildet. Diese Typen nun, welche niedriger sind, als die übrigen, damit sie eben nicht mit abgedruckt werden, nennt man Ausschließungen.

Wir haben noch den Größenunterschied der Schriften unter sich in Betracht zu ziehen und erwähnen hierüber nur im Allgemeinen, daß dieser jetzt nach sogenannten typographischen Punkten bestimmt wird, von denen 6 Punkte = 1 Linie und 72 Punkte = 1 Zoll sind. Auf Grund dieses Maßes werden die verschiedenen Größenverhältnisse der Schriften, welche man den Kegel der Schrift nennt, näher bestimmt, deren ursprüngliche Benennungen aber fast allgemein noch beibehalten werden. Die wichtigsten Schriftkegel sind in aufsteigenden Größenverhältnissen ihrer Benennung nach folgende: Diamant (4 typographische Punkte), Perl, Nonpareille, Colonel, Petit, Bourgeois, Corpus, Cicero, Mittel, Tertia und so fort bis zu dem größten Imperial, welches 108 typographische Punkte enthält.

Wir treten nun vor den Schriftkasten, um uns dessen sinnreiche Einrichtung erklären zu lassen. Bei dem Lesen einer Schrift muß es uns gleich auffallen, daß einige Buchstaben, wie a, e, d, m, i, n etc. sehr häufig vorkommen, während andere seltener gebraucht werden. Auf diesem Bedürfniß beruht nun auch die Einrichtung des Schriftkastens, in welchem für jeden Buchstaben und überhaupt für jedes typographische Zeichen, auch für die Ausschließungen, ein verhältnißmäßig großes Fach sich befindet. In dem Schriftkasten liegen, was in dem ersten Augenblick auffallend erscheint, die Lettern nicht nach der alphabetischen Folge, sondern eben nach dem durch Erfahrung festgestellten Verhältniß, so daß also diejenige, Typen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_224.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)