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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

31. Mai 1786 habe der Generalprocurator zu einem der Richter, einem eifrigen Vertheidiger des Cardinals, geäußert:

„Sie haben soeben die Grundpfeiler der Monarchie erschüttert.“

Das war nun freilich eine lächerliche Uebertreibung, die Grundlagen der Monarchie werden nicht in Frage gestellt durch die Chancen eines Processes. Aber es läßt sich nicht leugnen, daß unter den secundären Ursachen der Revolution die Halsbandgeschichte eine der wichtigsten und wirksamsten war. Die Sittenverderbniß der Großen, die lüderliche Wirthschaft am Hofe, der Antagonismus zwischen den höchsten Staatsgewalten, die absichtliche Verdunkelung aller Rechtsbegriffe, die Willkürherrschaft, der Volkshaß gegen die Träger der höchsten Gewalt, die Ohnmacht der Krone – kurz, alle Mängel und Schwächen der Bourbonenmonarchie kamen durch diese Gaunergeschichte und den sich daran knüpfenden Proceß an den Tag. Die Namen des königlichen Paares wurden mit Gaunern und Intriguanten in Verbindung gesetzt; es war geschehen um den Nimbus des Thrones Ludwig’s XIV.

L. K.





Ein Besuch der Officin von Brockhaus in Leipzig.
Mitgetheilt von Albert Rottner.

So weit die Wissenschaften zurückreichen, so lange hat man auch den Buchhandel gekannt; konnte er auch ursprünglich nicht in der ausgeprägten Gestalt der Gegenwart auftreten, so weiß man doch, daß sein Ausgang zunächst bei den alten Griechen zu suchen ist. Das buchhändlerische Geschäft mußte aber so lange bedeutungslos bleiben, als ihm nicht die Mittel zu Gebote standen, die Wissenschaft zum Gemeingut zu machen. Da trat gleich einer glanzvollen Sonne aus dem erwachten Morgenroth die große Geburt unseres Jahrtausends, „Gutenberg’s Buchdruckerkunst,“ hervor und sie ist es, welche dem Buchhandel erst seine hohe Bedeutung gegeben hat.

Von Deutschland aus eröffnete die Kunst zuerst mit ihren Erzeugnissen den Handel, weshalb es auch als die Wiege des eigentlichen buchhändlerischen Verkehrs zu betrachten ist. Außer den zahlreichen Klöstern, Stiftern und den hohen Schulen, waren es vorzugsweise die im Aufblühen begriffenen Messen, wo die damaligen Buchdrucker den Hauptabsatz für ihre Preßerzeugnisse fanden. Vorzüglich bildete Frankfurt a. M. seit dem ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts den Mittelpunkt des deutschen Bücherverkehrs. Als aber Luther, der große Kämpfer für Denk- und Glaubensfreiheit, erschien, der sich in Schrift und Rede gegen die zahlreichen Mißbrauche der Kirche erhob, und seine kräftige Stütze in der Buchdruckerpresse fand, begann in Folge der Reformation die Culturwanderung des deutschen Geistes nach Norden, und der vielbesuchte Meßplatz Leipzig wurde für den Buchhandel des Nordens, was Frankfurt für den Süden war. In Frankfurt wurde der Buchhandel durch die Einführung einer kaiserlichen Büchercommission immer mehr beschränkt und belästigt, und es konnte daher in der That nicht Wunder nehmen, daß das durch eine eigene, so wie durch die nahe Wittenberger Universität und von der sächsischen Regierung in Bezug auf Bücherwesen vor Frankfurt hochbegünstigte Leipzig nach und nach den literarischen Verkehr immer mehr an sich zog.

In dem Herzen Deutschlands[WS 1] gelegen, bietet Leipzig für den Osten und Norden Europa’s den wichtigsten Vereinigungspunkt handeltreibender Nationen; für den deutschen Buchhandel aber ist es die Pulsader des Verkehrs aller Länder geworden, welche Literatur verbrauchen oder produciren.

Und so finden wir gegenwärtig hier nicht weniger als 168 Buch-, Kunst- und Musikalienhandlungen, zum Theil Verleger, als Producenten, zum Theil Sortimentshändler, als Vermittler der Verleger und des Publicums, oder Commissionshandlungen, als Vermittler des eigentlichen geschäftlichen Verkehrs der Buchhandlungen aller Länder unter sich. In naturgemäßer Folge dieser speculativen und industriellen Ausbildung mußten auch alle diejenigen Geschäftszweige einer höhern Blüthe und Vollkommenheit zugeführt werden, welche im Dienste des Buchhandels stehen, die Buchdruckerkunst und die Schriftgießerkunst, sowie alle die graphischen und technischen Künste, welche zur Herstellung literarischer und künstlerischer Objecte Anwendung finden, oder zu deren Ausführung mitwirken. So zählt Leipzig gegenwärtig 38 Buchdruckereien und 10 Schriftgießereien.

Für Jeden, der nach Erkenntniß und Belehrung strebt, muß es vom höchsten Interesse sein, einen tiefern Einblick in die Stätten zu thun, aus denen ihm die geistige Nahrung in einer für die weiteste Verbreitung geeigneten Form zugeführt wird. Nur Wenige mögen bei dem Lesen eines Schriftstückes sich bewußt sein, welche Stadien dasselbe zu durchlaufen hat, bevor es an die Oeffentlichkeit hervortreten kann, in seiner Vollendung den gesteigerten Anforderungen zu genügen, welche gegenwärtig der in den weitesten Kreisen ausgeprägte Kunstsinn an typographische Erzeugnisse macht. Es wird daher gewiß vielen unserer Leser willkommen sein, wenn, wir sie auffordern, uns in die Werkstätten der Kunst und Industrie zu begleiten, deren Aufgabe es ist, die Producte des Geistes zu vervielfältigen und das, was der menschliche Geist des Einzelnen gedacht und erforscht, zum Gemeingut Aller zu machen.

Wir wählen zu diesem Besuch die Officin von F. A. Brockhaus, welche eine Vereinigung fast aller auf dem Gebiete der typographischen Production mitwirkenden Geschäftszweige aufweist und uns Gelegenheit bietet, die Herstellung der Schriftstücke von der rohen Schriftmasse bis zu ihrer Vollendung als fertige Bücher in allen Stadien zu verfolgen, um ein lebendiges Bild der gesammten typographischen Thätigkeit vor uns aufzurollen.


Die Schriftgießerei.

Die Buchdruckerkunst verdankt ihre Entstehung dem Bedürfnisse, die Schrift durch Farbendruck leichter und schneller zu vervielfältigen, als dies durch Wiederholung mit der Hand und der Feder möglich ist. Als Vorläufer der Buchdruckerkunst ist die Holzschneidekunst zu betrachten, vermittelst welcher die Schrift in Holztafeln erhaben geschnitten wurde. Das Buchstabenalphabet der Sprachen führte aber bald darauf hin, die ganzen Holztafeln zu zerfällen und die Buchstaben einzeln in Holz, Blei oder Zinn zu schneiden, um aus denselben Druckformen für die Schrift zusammenzusetzen, welche nach gemachtem Gebrauche auseinander genommen und zu einer neuen Form wieder gebraucht werden konnten. Durch dieses Zerfällen erst entstand die zweite Verfahrungsweise, die sogenannte Typographie.

Die Lettern oder Buchdruckertypen sind vierseitig prismatische, aus Schriftzeug oder Schriftgießermetall gegossene Stäbchen, deren Begrenzungsflächen in rechten Winkeln zu einander gestellt sind, und deren Höhe ganz gleich sein muß, damit ihre obern Flächen nach Vollendung des Satzes in einer und derselben Ebene liegen und bei dem Abdrucke mit dem Papiere gleichmäßig in Berührung kommen. Auf der obern Fläche des Typenkörpers befindet sich das abzudruckende Zeichen erhaben und in verkehrter Stellung. Eine Anzahl Lettern so mit einander verbunden, daß sie abgedruckt einen bestimmten, zusammenhängenden Text geben, bildet einen Schriftsatz oder kurzweg Satz. Da nun diese Typen, um den Schriftsatz herzustellen, geeignet sein müssen, in jede beliebige Ordnung gebracht zu werden, so kann natürlich eine Type in der Regel auch nur ein einziges Schriftzeichen darstellen.

Um diese Typen hervorzubringen, muß man zuvörderst ein Original des gegossenen Buchstabens (Stempel) haben, welches das Schriftzeichen ebenfalls erhaben und verkehrt enthält. Dieser Stempel wird, als Vater der Schrift, Vaterbuchstabe oder Patrize genannt. Da nun aber zum Gießen der Lettern eine Form erforderlich ist, welche das Schriftzeichen vertieft enthält, damit die darin abgeformten Lettern wieder erhaben erscheinen, so werden die aus Stahl gefertigten Schriftstempel in ein weicheres Metall und zwar gewöhnlich in Kupfer eingeschlagen. Diese Abschläge nennt man Mutterbuchstaben oder Matrizen.

So vorbereitet, treten wir nun in den Gießersaal ein, wo wir sieben Gießöfen und an jedem drei bis vier Gießer beschäftigt finden. In dem Feuerungsraume des Gießofens hängt ein gußeiserner Kessel, welcher das geschmolzene Metall in flüssigem Zustande enthält. Das Schriftmetall besteht aus einer Legirung von Blei mit Antimonium Regulus. Das Gießen der Lettern wird vermittelst einer besonderen Form, des sogenannten Gießinstruments, ausgeführt, in welches die Matrize so hineingelegt wird, daß das

  1. Vorlage: Deutschands
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_212.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)