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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

an den wachsenden Einfluß der Gräfin, bat der Cardinal um ihre Vermittelung bei der Königin, mit der er sich um jeden Preis zu versöhnen wünschte. Bereitwillig übernahm die Gräfin die ihr angetragene Vermittlerrolle, und ihre angeblichen Verhandlungen mit der Königin hatten zunächst den Erfolg, daß dem Cardinal gestattet ward, sich zu rechtfertigen. Er händigte der Gräfin ein ehrfurchtsvolles Schreiben an die Königin ein und erhielt bald eine eigenhändige Antwort derselben mit den gnädigsten Zusicherungen. Der Cardinal schrieb wieder und die Gräfin ließ abermals eine Antwort an ihn gelangen, die nichts weniger als Haß und Verachtung athmete und wohl geeignet war, den eiteln, nichts argwöhnenden Mann zu dem Glauben zu verleiten, daß die Königin ihn heimlich liebe. Diesen verderblichen Wahn benutzte vorerst die Gräfin, um dem Cardinal nach und nach die Summe von 120,000 Livres abzuschwindeln. Sie gab ihm nämlich zu verstehen, durch Geldvorschüsse würde er sich der Königin, die sich manchmal in Geldverlegenheit befinde, ganz besonders verbinden. Wahrscheinlich theilte sie die geraubte Summe mit Cagliostro, dem als intellectuellem Urheber der saubern Intrigue ein Trinkgeld gebührte.

Kühn gemacht durch den guten Erfolg seiner schriftlichen Gunstbewerbungen, wagte der Cardinal, um eine geheime Zusammenkunft mit der Königin zu bitten. Diesen Wunsch zu erfüllen, ließ die Lamotte eine gewisse Demoiselle Oliva, die der Königin in Gestalt und Haltung ähnlich war, von Paris nach Versailles kommen und arrangirte hierauf folgende Scene. Der Cardinal mußte sich zwischen elf und zwölf Uhr Nachts in den Schloßpark begeben. Dort fand er an einer bestimmten Stelle eine tiefverschleierte Dame, die ihn erwartete und ihm mit den Worten: „Sie wissen, was das bedeutet,“ eine Rose überreichte. Während er die Rose an seine Brust drückt und auf eine Antwort sinnt, flüstert ihm eine unbekannte Stimme zu: „Fliehen Sie! dort kommen Madame und die Gräfin von Artois.“ Es war die Lamotte, die ihm gefolgt war und ihn jetzt fortzog.

Der Cardinal war nun soweit vorbereitet, daß die Gräfin zur Ausführung ihres Hauptplanes schreiten konnte. Auch hierbei war ihr Cagliostro behülflich, indem er Rohan’s wachsende Leidenschaft für die Königin, von der er geliebt zu sein wähnte, in feiner Orakelmanier durch geheimnißvolle Bedeutungen und Winke mehr und mehr entflammte.

Die Hofjuweliere Boehmer und Bassange hatten ein kostbares Halsband von Diamanten, dessen Werth sie auf 1,600,000 Livres anschlugen, anfertigen lassen und wiederholt der Königin zum Verkauf angeboten. Als sie im Jahre 1778 ihr erstes Wochenbett hielt, schien der König geneigt, ihr das Halsband zu schenken, sie lehnte es aber auf das Entschiedenste ab. Nach ihrer zweiten Niederkunft im Jahre 1781 wiederholte der König sein Anerbieten, erhielt aber auch diesmal eine abschlägige, fast zornige Antwort. Die französische Staatsschuld war schon damals zu einer ungeheueren Summe angeschwollen, die öffentliche Meinung murrte laut über die kolossalen Verschwendungen des Hofes, man glaubte daher den Grund einer sonst unerklärlichen Weigerung in der übeln Finanzlage zu finden, die der Königin die Pflicht auferlegte und vielleicht auch die erwünschte Gelegenheit bot, vor den Augen der Welt ein Opfer zu bringen, über das sie im Stillen seufzte.

Die Juweliere gaben die Hoffnung nicht auf, daß die Königin doch zuletzt das kostbare Kleinod kaufen würde. Auf Cagliostro’s Rath wandten sie sich Ende des Jahres 1784 an die Lamotte und versprachen ihr ansehnliche Geschenke, um sie für den Handel zu interessiren. Die Gräfin that anfangs etwas spröde, aber kaum war der Cardinal von seinen Gütern im Elsaß nach Paris zurückgekehrt, so stellte sie ihm vor, die Königin wünsche das Halsband zu kaufen, könne es aber wegen Geldmangel nur in Terminen aus ihrer Privatchatoulle bezahlen und würde es ihm Dank wissen, wenn er in ihrem Namen den Kauf mit den Juwelieren abschlösse und ihnen die Terminalzahlungen zusagte.

Bereits am 24. Januar 1785 konnte die Lamotte den Juwelieren anzeigen, daß der Cardinal zu ihnen kommen würde, um das berühmte Halsband für die Königin zu kaufen. Der angekündigte Besuch fand in der That statt, der Cardinal besah den Schmuck und ließ ihn zwei Tage später in seine Wohnung schaffen, wo dann der Kauf förmlich abgeschlossen wurde. Da aber die Juweliere Bedenken hinsichtlich der Bezahlung äußerten und wohl Anstand nehmen mochten, dem verschuldeten Cardinal den werthvollen Schmuck ohne Sicherstellung zu überlassen, zeigte er ihnen zu ihrer Beruhigung ein Handschreiben der Königin, worin die Kaufbedingungen genau angegeben waren: „Genehmigt, Marie Antoinette von Frankreich.“ Uebrigens zweifelte weder der Cardinal noch die Juweliere an der Echtheit dieses Handbillets, obwohl der Erstere als Prinz, Großalmosenier und ehemaliger Gesandter Frankreichs in Wien wissen mußte, daß Marie Antoinette niemals mit dem Zusatz „von Frankreich“ unterzeichnete.

Der Cardinal hatte also das Halsband und nun lag ihm daran, es der Königin durch eine zuverlässige Person zukommen zu lassen. Zu dem Ende begab er sich am 1. Februar 1785 Abends mit dem Schmuckkästchen in die Wohnung der Lamotte zu Versailles. Kaum war er hier angekommen, als sich ein Mann anmelden ließ, der von der Königin gesendet zu sein vorgab. Die Lamotte ließ den Cardinal in einen Alkoven treten, dessen Thür halbgeöffnet war, und aus diesem Versteck sah er, wie ein Mann eintrat und der Gräfin ein Billet überreichte, das diese dem Cardinal zusteckte. Es enthielt den Befehl, dem Ueberbringer das Schmuckkästchen zu übergeben. Der Bote war ein Kammerdiener der Königin, Namens Lesclaux, und von Person dem Cardinal bekannt, weshalb dieser kein Bedenken trug, ihm das Schmuckkästchen anzuvertrauen.

War das Kleinod auf diese Weise wirklich in den Besitz der Königin gelangt? Die Anhänger des Prinzen Rohan, und unter ihnen namentlich sein Vicar Georgel, behaupten es ganz entschieden. Dagegen wird von anderer Seite geltend gemacht: der Cardinal habe zuversichtlich erwartet, die Königin am ersten Pfingsttage mit dem Halsbande geschmückt zu sehen; da diese Hoffnung nicht erfüllt werden konnte, habe ihm die Gräfin mitgetheilt, die Königin finde den Preis zu hoch und wolle, wenn er nicht ermäßigt würde, den Schmuck zurückgeben.

Wir haben hier nicht zu untersuchen, ob diese oder jene Behauptung richtig sei, da es nicht unseres Amtes ist, die Welt von der Schuld oder Unschuld der Königin zu überzeugen. Wir halten uns lediglich an die geschichtlichen Daten, die actenmäßig feststehenden Thatsachen, und dürfen daher nicht verschweigen, daß die erwähnte Mitteilung der Gräfin allerdings durch einen Brief bestätigt wird, den der Cardinal Ende Juni an die Juweliere richtete. Der Kaufpreis ward in der That um 200,000 Livres ermäßigt und die Königin davon in Kenntniß gesetzt durch ein Schreiben, das sie in ihrem Bibliothekzimmer aus Boehmer’s Händen empfing. Sie las es ganz unbefangen der Madame Campan vor, ohne auch nur durch ein Wort oder eine Miene Erstaunen über ein solches Schreiben auszudrücken, dann hielt sie es gleichgültig an eine brennende Kerze und verbrannte es, wie man ein werthloses Stück Papier verbrennt.

Indessen rückte der verhängnißvolle Tag heran, an welchem die erste Abschlagszahlung geleistet werden mußte. Noch vor Ablauf der Frist theilte die Gräfin dem Cardinal mit, daß die Königin nicht in der Lage sei, die erste Rate an dem bestimmten Tage zu zahlen. Natürlich sollte nun wieder der Cardinal aushelfen, dessen Vermögensverhältnisse, wie schon erwähnt, keineswegs glänzend waren. In seiner Verlegenheit ließ er die Juweliere kommen, eröffnete ihnen, daß die Königin die für den ersten Termin versprochene Zahlung erst im October leisten könne, und bot ihnen vorläufig 30,000 Livres als Zinsvergütung an. Diese Summe wurde denn auch angeblich im Namen der Königin den Juwelieren ausgezahlt.

Dies geschah im Juli 1785. Am 3. August erschien plötzlich Madame Campan bei den Juwelieren unter dem Vorwande, daß sie einige Schmucksachen zu sehen wünsche. Dann knüpfte sie mit Boehmer ein Gespräch an, erkundigte sich im Laufe desselben gelegentlich nach dem Halsbande und erfuhr nun von dem Juwelier den ganzen Handel, den wir schon kennen. Zugleich aber gestand ihr Boehmer, daß er sich seit einiger Zeit genöthigt sehe, zur Beruhigung der Personen, von denen er Geld geborgt habe, die schriftlichen Befehle der Königin vorzuzeigen. Die Sache war also schon ruchbar geworden. Indessen beeilte sich die Campan keineswegs, die Königin von den Mittheilungen des Juweliers in Kenntniß zu setzen, und als sie sich endlich dazu entschloß, war bereits die ganze Intrigue dem Polizeiminister Breteuil hinterbracht worden. Dieser, ein Todfeind des Cardinals, begab sich eilig zur Königin und erstattete einen Haß und Rache athmenden Bericht. Die Königin war entrüstet über den schändlichen Mißbrauch ihres Namens; sogleich wurde Boehmer herbeigeholt und nach dessen Vernehmung über die zu treffenden Maßregeln Rath gepflogen. Die Furien des Hasses und der Rache schienen bei dieser Berathung den Vorsitz zu führen, und das

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