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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Flächenumfang, den ein Flötz einnimmt, und dann durch die Gleichmäßigkeit seiner Mächtigkeit auf weite Erstreckung, was beides eben so sehr von mächtigen wie von schwachen Flötzen gilt. In der großen nordamerikanischen Kohlenformation ist ein 10 Fuß mächtiges Flötz, welches seiner ungeheuren Ausdehnung wegen den besondern Namen des Pittsburger Flötzes erhalten hat, über einen Flächenraum von 690 geogr. Geviertmeilen ausgebreitet. Auf diesem ungeheuren Gebiete kann man überall mit sicherem Erfolg nach Steinkohlen graben, dafern nicht zu hohe Ueberlagerung mit jüngeren Formationen es verhindert. Auch in Europa gibt es Flötze, welche man in ihrem Schichtensystem wie einen rothen Faden im Gewebe meilenweit verfolgen kann. Diese Erscheinung ist um so bemerkenswerther, wenn sich ihr die andere eben hervorgehobene beigesellt, wenn hunderte und tausende von Lachtern weit ein Kohlenflötz genau dieselbe Mächtigkeit mit der größten Stetigkeit inne hält und dasselbe die Zwischenmittel und die benachbarten Flötze thun, so daß man das Gebirge auf einem Querdurchschnitt wie mit Zirkel und Lineal in verschiedenfarbige Bänder abgetheilt findet. Es ist dies sehr schön zu sehen an einem langen tiefen Durchstich der Saarbrücker Eisenbahn.

Wenn diese Art des Vorkommens der Steinkohlen auf eine ruhige Ablagerung der dazu verwendeten Pflanzenmassen deutet und ganz dazu angethan ist, daß wir diese Art der Entstehung uns recht gut vorstellen können, so zeigt sich andererseits noch ein Vorkommen, welches schwerer zu erklären ist. Es ist dies das stockförmige Vorkommen. Eine Gebirgsart bildet dann einen „Stock“, wenn sie nicht in horizontalen oder geneigten eine weite Ausdehnung gewinnenden Schichten auftritt, sondern von einem anderen Nebengestein rings umschlossen mehr oder weniger senkrechtstehende oder liegende Massen (stehende oder liegende Stärke) bildet, bald von mehr kugliger, länglicher oder selbst linsenförmiger oder unregelmäßiger Gestalt. Solche Steinkohlenstöcke finden sich dann von den gewöhnlichen, uns bekannten Begleitern der Steinkohlenflötze in gebogenen Schichten umschlossen.

Figur 1., 2. und 3. zeigen uns das flötzförmige und das stockförmige Vorkommen der Steinkohlen. Figur 1. ist ein Profil

1. Profil der Potschappler Kohlenmulde. R Rothliegendes; S kohlenführendes Schichtensystem mit einem Kohlenflötz K; T Thonschiefer; Sy Syenit; P Porphyr; G Granit.

(d. h. ein senkrechter Durchschnitt) der Potschappeler Kohlenmulde; Fig. 2. ein Profil eines Kohlenstockes aus dem Becken von Creuzot (Dep. Saône und Loire), welches von jüngeren Schichten seicht bedeckt ist. Es steht etwas geneigt und schickt von seinem Stamme nach rechts zwei Flügel aus. Einen Horizontalschnitt durch diesen

2. Senkrechter Durchschnitt des stockförmigen Kohlenvorkommens von Creuzot mit den Schächten und Strecken. – 3. Horizontaldurchschnitt (Grundriß) desselben.

Stock in die Linie CD, also einen Grundriß des Stockes, stellt die Fig. 3. dar, an der wir sehen, daß wir wirklich einen Stock und kein Flötz vor uns haben.

Wenn schon solche Kohlenstöcke vielleicht durch störende Einwirkungen unmittelbar nach der Ablagerung der Kohlenmasse ihre Stellung und Form erhalten haben, so haben andererseits die eigentlichen Kohlenmulden mit flötzförmiger Einschaltung der Kohle oft die gewaltsamsten Störungen erlitten, wobei wir es jetzt dahin gestellt sein lassen, ob diese durch Einsturz der Schichtenfolge oder durch unterirdische Emporhebung veranlaßt worden seien. Sie haben vielleicht lange Zeit nach erfolgter Ablagerung des Schichtensystems stattgefunden. Schon in der Potschappeler Kohlenmulde (Figur 1.) bemerken wir eine allgemeine Krümmung und an der rechten Seite ist, wahrscheinlich durch das Empordringen des Grünsteins oder des Porphyrs, die Schichtenfolge zerbrochen werden, wobei drei Stücke derselben aufwärts getrieben wurden, von denen wir zwei schmal und keilförmig sehen. Von Hein in der Mulde als breites schwarzes Band angedeuteten Flötz sehen wir darum rechts drei losgerissene Strecken, weshalb man sagt, das Flötz ist „verworfen.“

Eine vielfache Verwerfung einer kohlenführenden Schichtenfolge zeigt uns Fig. 4., welche einen Durchschnitt einer Stelle des Hauptflötzes von Blanzy im Bassin der Saône und Loire darstellt. Wir sehen das 30 bis 36 Fuß mächtige Flötz – eigentlich durch

4. Vielfach verworfenes Kohlenflötz von Blanzy

ein schmales mittles und zwei mächtigere Seitenflötze zusammen angesetzt – vier Mal verworfen und dabei das eine Mal durch eine breite, mit Trümmergestein ausgefüllte Kluft auseinander gerissen und in der rechts hiervon liegenden Strecke „verdrückt.“ Im großen Maßstabe sehen wir die Schichtenstörungen an dem Aachener Kohlenbecken. (Fig. 5.) Wir unterscheiden darin zwei größere und zwei ganz kleine Kohlenmulden (KKK), welche vielleicht ursprünglich

5. Das Aachener Kohlenbecken. – KKK einzelne Kohlenbecken

von verschiedener Ausdehnung, rechts die Eschweiler, links die Worm-Mulde; Ue Schichtensystem des Uebergangsgebirges; Kk Kohlenkalk; S

Stollberg; H Herzogenwerth.

zusammengehangen haben und horizontal gelagert waren. Die unter der Steinkohlenformation liegende Uebergangsformation (Ue) sehen wir in ihren Schichten emporgestiegen und dabei die Kohlenformation gehoben und zerrissen. Die vielleicht dadurch erst isolirte Worm-Mulde (links) ist in ihrem ganzen Schichtenbau vielfach zickzackfaltig gebrochen, die Eschweiler Mulde (rechts) einfach muldenförmig gebogen worden. Solche Zickzackfaltungen haben gleichwohl den Verlauf der Flötze nicht unterbrochen, sondern in vielen Fällen kann man selbst ganz schwache Flötze auf weiten Strecken durch alle Faltungen hindurch verfolgen, was auf eine gewisse Biegsamkeit des ganzen Schichtensystems zur Zeit der Störung schließen läßt. Ein Blick auf unsere Figuren, namentlich auf Fig. 4. lehrt uns, daß diese Störungen der Schichtensysteme der Steinkohlenformation die Gewinnung der Steinkohlen vielfach erschweren muß, wenn man

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_208.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)