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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

im Bett, hochroth im Gesicht und unter der leichten Decke unruhig sich hin- und herwälzend. Er klagte über beängstigenden Blutandrang nach dem Kopfe. Die Angelegenheiten seines Blattes schienen ihn fortan wenig zu kümmern. Eingehenden Gesprächen über seinen Aufenthalt in London wich er aus. In diesen Tagen war es, wo ihn die schreckliche Vorstellung zu peinigen anfing, daß er wahnsinnig werden könne. „Lieber zehn Mal das Leben, als den Verstand verlieren,“ äußerte er. Noch am Tage vor seiner letzten Reise suchte er mich in meiner Wohnung auf, traf mich aber nicht und hinterließ mir nur, daß er im Begriff sei, eine Reise zu machen, zuvörderst nach München; wohin sie ihn weiter führen werde, wisse er selbst nicht.

Man weiß das Uebrige: List kehrte von dieser Reise nicht wieder nach Augsburg zurück. Sein tragischer Ausgang durch einen selbstmörderischen Pistolenschuß und Nicolaus Lenau’s Irrsinn waren ein schwerer Schlag für die in mancherlei oberflächlichen Illusionen sich wiegende höhere Gesellschaft und die solide Classe. Bisher hatte man in Deutschland solche traurige Lebensausgänge fast nur an solchen Männern der Oeffentlichkeit erlebt, welche nicht, wie Nicolaus Lenau, Angehörige und Lieblinge der Gesellschaft und nicht, wie List, praktische und solide Männer, sondern excentrische oder verlüderte Genies gewesen waren. Hätte List bis zum Jahre 1848 gewartet, so würden wir ihn ohne Zweifel in Frankfurt und in der Paulskirche thätig gesehen haben; die Enttäuschungen, denen er auch hier nicht entgangen wäre, hat er sich selbst erspart.

List’s Benehmen war äußerst gerade und einfach, fast amerikanisch unceremoniös. Bodenstedt erzählt, daß List eines Tages in die Gemächer des Fürsten von Oettingen-Wallerstein eingedrungen sei, ohne die Anmeldung durch den Portier abzuwarten und seine brennende Cigarre aus dem Munde zu thun. List habe sich dann lachend gegen den Fürsten über Bodenstedt beschwert, daß dieser seine Cigarre aus Artigkeit weggeworfen habe. Der Fürst benahm sich natürlich als grand seigneur, bot dem Begleiter List’s eine feine Cigarre an und ließ nicht eher nach, als bis Bodenstedt sie angenommen. Ich erinnere mich nicht mehr, ob es bei dieser Gelegenheit war, wo auf einen Dichter der neueren Schule die Rede kam, der sich im Widerspruch zu den in seinen früheren Poesieen ausgesprochenen Ansichten in einen geschmeidigen Hofmann verwandelt hatte, und List davon Anlaß nahm, den Satz durchzuführen, daß die Poeten von Alters her immer einen Herrn brauchten, „dem sie wie ein Hündchen aufwarten müßten.“ List setzte diese seine Ansicht an Beispielen von Horaz und den Troubadours bis zu den Dichtern in Weimar auseinander. Mit unserer Zeit würde List auch den Triumph erlebt haben, eine Reihe schlagender Beispiele zur Erhärtung seiner Ansicht aus der nächsten Gegenwart entnehmen zu können. Doch ihm ist wohl, und es ist ihm vielleicht nicht so ganz übel zu nehmen, daß er es verschmähte, mit uns weiter zu leben.





Stein- und Braun-Kohlen und Torf.
Von E. A. Roßmäßler.
(Dritter Artikel.)


Das Vorkommen der Steinkohlen.

Unter Vorkommen verstehen wir hier mit der Sprache der Wissenschaft die Art und die örtlichen Bedingungen, wie sich die Steinkohlen als ein Glied der vielfach zusammengesetzten Erdrinde finden. Die Steinkohlen selbst, wie die sie stets begleitenden Schieferthone und Sandsteine, sind fast immer sehr regelmäßig und deutlich geschichtet, und geben sich dadurch auf das unverkennbarste als eine Bildung auf nassem Wege zu erkennen, gegenüber anderen Gesteinen, z. B. dem Granit, Porphyr, Basalt, welche nicht geschichtet, sondern massig sind, und auf dem Wege der Schmelzung sich gebildet zu haben scheinen. Wenn daher die Schichten der Steinkohlenformation nicht durch spätere gewaltsame Störungen aus ihrer ursprünglichen Lage gebracht worden sind, so bilden sie ganz wagerechte mulden- und beckenförmige Ablagerungen, welche nur an den Rändern nach Maßgabe ihrer Unterlage etwas aufrecht gerichtet sind; ähnlich wie ein Bodensatz, der sich in einer flachen Schüssel abgelagert hat, am Rande auch immer dünner wird und an demselben- auch etwas emporsteigt. Man muß daher glauben, daß sich die Schichten der Steinkohlenformation in flachen Thalmulden, die freilich in einigen Fällen einen sehr großen Flächenraum hatten, abgelagert haben. Diese flachen Thalmulden scheinen entweder an großen Landseen oder am Meere Buchten gebildet zu haben. Diese letztere Verschiedenheit gibt sich durch die Art der Versteinerungen kund. Gewisse Kohlenbecken liegen immer zunächst über mehr oder weniger mächtigen Kalkschichten, welche man eben deswegen Kohlenkalk nennt, weil er nur in dieser Vergesellschaftung mit den Steinkohlenschichten getroffen wird. Er enthält stets nur Versteinerungen von Seethieren, woraus man eben schließt, daß solche Steinkohlenmulden, welche den Kohlenkalk unter sich haben, am Ufer eines ehemaligen Meeres gelegen haben. Eine solche ist z. B. die im vorigen Artikel unter 3. aufgeführte Aachener Kohlenmulde. Daß der Kohlenkalk noch zur Steinkohlenformation gehört, geht daraus hervor, daß an manchen Orten noch unter ihm kohlenführende Schichten liegen, wie z. B. bei Berwickshire, wo die ergiebigsten Steinkohlenflötze unter dem Kohlenkalk lagern.

Das eigentliche kohlenführende Schichtensystem besteht, wie schon vorhin gelegentlich angedeutet wurde, nicht lediglich aus Steinkohle, ja diese ist der Masse nach nur ein untergeordneter Bestandtheil desselben. Die Hauptmasse wird aus Schieferthon- und Sandsteinschichten gebildet, welche oft sehr vielmal mit den Kohlenschichten abwechseln, „wechsellagern“ wie es die Wissenschaft nennt. Nach dem Sprachgebrauche des deutschen Bergmanns, aus welchem die Wissenschaft Vieles angenommen hat, nennen wir die nur von Steinkohle gebildeten Schichten oder Lagen „Flötze“, indem man den Namen Flötz einem Lager oder einer Schicht dann gibt, wenn es von einem nutzbaren Mineral gebildet wird. Die zwischen den Steinkohlen eingeschalteten Schieferthon- und Sandsteinschichten nennt man die „Zwischenmittel“ des kohlenführenden Schichtensystems.

Gewöhnlich enthält ein solches Schichtensystem eine mehr oder weniger große Zahl von Kohlenflötzen mit dazwischen lagernden Zwischenmitteln, woraus auf eine mehrmalige Unterbrechung der Steinkohlenablagerung an dem betreffenden Orte geschlossen werden muß. Wir werden später einige Thatsachen kennen lernen, aus denen sich ergibt, daß zwischen der Bildung zweier Flötze, die mir durch ein Zwischenmittel getrennt sind, dennoch zuweilen ein langer Zeitraum verflossen sein muß. Man kennt Kohlenmulden, in denen die Zahl der Flötze sehr groß ist. Am Donetz in Südrußland sollen 225 Flötze übereinander vorkommen, welche alle am Rande der Mulde nebeneinander zutage „ausstreichen“, und eine Gesammtmächtigkeit – der Bergmann nennt die Dicke einer Schicht ihre „Mächtigkeit“ – von 400 Fuß haben. Das Saarbrücker Bassin hat zwischen Bettingen und Tholey 164 Flötze mit 338 Fuß Gesammtmächtigkeit. Das Westphälische Becken zählte an verschiedenen Punkten 20 bis 70, das Niederschlesische 12 bis 80, das Zwickauer 9 bis 10, das Potschappler 4 verschiedene Flötze.

Die Mächtigkeit der Flötze ist nicht minder verschieden als ihre Zahl. Oft sind sie sehr schwach, bis papierdünn (die sogenannten Kohlen-Schmitze oder Säume) und dann natürlich nicht „bauwürdig“. Gewöhnlich, aber es ist dies keine ausnahmslose Regel, sind die Flötze mächtiger, wenn eine Kohlenmulde deren nur wenige enthält, und weniger mächtig in flötzenreichen Mulden. Bei der nicht mehr zweifelhaften pflanzlichen Abstammung der Steinkohle gibt es uns einen Begriff von der außerordentlichen Fülle der zu ihr verwendeten Pflanzenwelten, wenn man bedenkt, daß man Kohlenflötze bis zu 100 Fuß Mächtigkeit kennt. Das im allgemeinen kohlenarme Spanien hat gleichwohl, und zwar im Königreich Leon, die mächtigsten Steinkohlenflötze, die man kennt, da sie 10, 60, ja bis 100 Fuß erreichen. Sonst gelten Flötze von 12 bis 20 Fuß schon für sehr mächtig und selbst noch viel schwächere werden abgebaut.

Die Flächenausdehnung der Flötze ist zuweilen in doppelter Beziehung staunenerregend; einmal durch den ungeheuren

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_207.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)