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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Blätter und Blüthen.

Haifischfang im Canal von Mozambique. Bisher hatte die günstigste Brise unsere Reise beschleunigt, doch als die blauen Berge von Groß-Comoro in Sicht kamen, wurde der Wind zum leichten Säuseln und erstarb zuletzt vollkommen. Die vorher gleich Adlerfittigen ausgebreiteten Segel hingen jetzt schlaff von den breiten Raaen hernieder und die hochlaufende Dünung der See brachte bald das häßliche „Schlängeln“ des Schiffes hervor; eine taumelnde Bewegung, die durch die seitwärts anlaufenden Grundschwall des Meeres bewirkt wird, die das Schiff erst von einer Seite hebt, darunter wegläuft und es dann auf die andere niedertaumeln läßt, wobei Tauwerk und Blöcke krachend und klatschend gegen Segel und Masten anschlagen, eine jedem Seemann äußerst verhaßte Musik. Dabei gibt das eigenthümliche Zischen, das bewirkt wird, indem das Fahrzeug bald vorn, bald hinten in die Dünung einstampft, immer förmlich Notiz, daß man jetzt durchaus nicht von der Stelle kommt.

Geärgert und gelangweilt durch diesen Aufenthalt der Fahrt, stand ich hinten an der Railing (Umbrüstung) und sah träumend in die blaue Fluth. Da schoß plötzlich durch den kleinen Wasserraum, den ich eben im Auge hatte, ein flinker Lootse; ein etwa spannenlanger, blau- und rothgestreifter Fisch, der sich immer in der Nähe eines Haies aufhält, denselben fortwährend spielend umkreist, ohne von ihm je beleidigt zu werden, und der wegen dieses freundschaftlichen Verkehrs mit dem Hai sein Lootse genannt wird. Um zu sehen, ob nicht der unterm Steuerruder hin und her schießende Fisch einen seiner gewöhnlichen Gesellschafter in der Nähe habe, warf ich ein Stück Speck über Bord, und richtig, sofort kam unter dem Kiel des Schiffes der grünlichgraue Gesell mit seiner schlängelnden Schwimm-Bewegung hervor, drehte sich, um zuschnappen zu können, auf den Rücken, und klapp! war der Speck verschwunden, so daß ich die fürchterlichen Kinnladen deutlich zusammenschlagen hörte. – Gleich neben meinem Standpunkte war ein Häuschen, wo allerhand Eisengeräthschaften aufbewahrt wurden; schnell suchte ich darunter eine alte Wallfischharpune hervor, steckte sie an ein tüchtiges Ende und einen Augenblick danach saß das Eisen tief im Bauche des Schlemmers, der eine zweite Specksendung erwartet haben mochte. Durch gewaltiges Krümmen und Umsichschlagen suchte der Hai sich zu befreien, und das Wasser in seiner Umgebung war, wie ein siedender Kessel, mit weißem Schaume überzogen; doch sein Sträuben half ihm nichts.

Um Beistand rufend, brachte ich die gesammte Schiffsmannschaft in Alarm, Alles eilte herbei; an das festhängende Ende wurde ein zweites angeschoren, dies durch einen Block gesteckt und nun zogen „alle Mann,“ um den wilden Gesellen auf Deck zu bringen. „Hä kommt, hä kommt,“ schrieen schon Alle siegestrunken, da – paff! – ließ auf einmal die Last nach, der Hai hatte sich richtig losgeschlagen und war zurück in’s Meer gestürzt. Es hatte doch wohl zu lange gedauert, ehe wir vorbereitet waren, ihn in unsere Gesellschaft aufzunehmen. Ein trauriges „Ah“ entfloh Aller Munde. Doch Jan, ein alter, ausgewitterter Seemann, der von Anfang an da gewesen warr und mir beigestanden hatte, sagte bedächtig: „Ick glöv, he hat groten Hunger, wi möt mal tokiken.“ (Ich glaube, er hat großen Hunger, wir müssen ’mal zusehen.)

Ungläubig sahen die jüngern Matrosen ihr sonst nie bezweifeltes Orakel an, denn es schien ihnen nicht möglich zu sein, daß der arg zerfleischte Hai noch jetzt bei gesundem Appetite sei. Doch Jan ließ sich nicht stören, nahm einen großen, eisernen Haken, schärfte schnell die Spitze etwas an, steckte ein tüchtiges Stück Speck darauf und an einem starken Tau befestigt wurde schnell der unbeholfene Köder in das Meer hinabgeworfen. Vom Haifisch war indeß lange Zeit nichts mehr zu sehen und die jungen Skeptiker wollten schon prahlen, Recht gegen den Alten behalten zu haben, als der unerschütterliche Jan ausrief: „Stopp! hä kömmt,“ und in der That, der Hai kam wieder angeschwommen. Trotzdem sein Rücken schon so zerrissen war, daß ein großes Stück seines weißen Fleisches heraushing, schien dieser große Raubfisch dadurch wenig incommodirt zu sein und seine Beutelust blieb unverändert.

Jetzt war er beim Köder angekommen, besah ihn mit seinen kleinen, geschlitzten Augen, hob ihn mit dem schaufelförmigem gewaltigen Kopfe, wie prüfend, in die Höhe, ließ ihn wieder sinken und trieb einen Augenblick unentschlossen nebenher. Doch die Freßgier siegte, er kam wieder, drehte sich, und klapp – Köder und Haken war verschwunden, und zwar hatte der Hai mit solcher Kraft zugeschnappt, daß wir deutlich sahen, wie der Haken in Folge des Zuschlagens der Kinnladen, mit der Spitze oben durch den Kopf hindurchgedrungen war. Sofort zogen alle Mann an dem Ende, und bald lag der zweimal betrogene Fresser, wüthend um sich schlagend, auf dem Deck. Es war ein riesiges Exemplar und maß wohl gegen 10 Fuß Länge und die gewaltigen Schläge seines Schwanzes machten das Schiff so stark dröhnen, daß wir fürchteten, er werde die Seitenplanken zerschmettern. Der Koch, ein baumstarker Mann, schlug mit dem Rücken einer Axt gewaltig auf den Fisch los, ohne daß dieser die geringste Wirkung davon zu fühlen schien. Da erhob wieder der alte, erfahrene Jan seiner Stimme: „Lat em gohn“ (Laßt ihn gehen), sagte er, nahm ein armdickes, langes Stück Holz und stellte sich beobachtend vor den Rachen des Hai’s hin. Als dieser einen Augenblick mit Umsichschlagen inne hielt, stieß er ihm plötzlich die lange Stange in den Rachen, dieselbe bis zum Schwanzende hineintreibend. Der Hai, dessen Inneres Nichts als ein gewaltiger Magen, fast ohne alle Eingeweide ist, hatte also jetzt buchstäblich „einen Stock verschluckt“ und war außer Stande, durch die Kraft seines Schwanzes noch schädlich zu werden. Endlich konnte man sich ungefährdet dem in ohnmächtiger Wuth den Stock zerbeißenden Haie nähern; er wurde nun zerschnitten, das Schwanzfleisch dem Koch übergeben, der ganz leidliche Beefsteaks daraus machte, die Haut abgeschält, deren trockne, rauhe Außenseite ein gutes Polirmittel bietet, und die Wirbelsäule wählte ich mir aus, da dieselbe, gleichmäßig abgedreht, einen der schönsten Spazierstöcke liefert.

Ernst Lochner.

Die Sage der Indianer von der Erschaffung der Menschen. Der Neger und Indianerhäuptling Tscha-hu-Tlack erzählte unter allen kleinern Traditionen, die unter den Indianern noch im Schwunge sind, keine besser, als die von der Erschaffung der Menschen. Als ich ihn in Begleitung einer Dame, die sehr viel Antheil an ihm nahm, besuchte, fragten wir ihn über die Religion der Indianer förmlich aus. Bei dieser Gelegenheit erzählte er unter Anderm folgendes:

„Der weise Aneth-Ematla, welcher vor mir Häuptling der Tallogis war, theilte mir bei meiner feierlichen Aufnahme als sein Nachfolger nebst andern weisen Sprüchwörtern, Sagen und Geheimnissen, die ich alle auswendig lernen mußte, in der heiligen Priestersprache sowohl, wie in der Sprache des gewöhnlichen Lebens, und die ich geschworen habe, in jeder Nacht des Neumondes in der tiefsten Waldeinsamkeit laut wieder herzusagen, die Schöpfungsgeschichte mit. Die Geheimnisse darf ich nur meinem Nachfolger mittheilen; alles Andere will ich Euch gern erzählen. Als der Schöpfer, dessen heiligen Namen ich nur im Gebete nennen darf, die Welt erschaffen, erschuf er auch den Menschen. Aus einem Kreidefelsen formte er einen weißen, aus dem braunen Sande unter den Kiefern des Landes einen braunen, und aus dem schwarzen Boden in den Flußniederungen einen schwarzen. Und als sie wohlgerathen waren, machte er heimlich drei Bündel, in Palmblätter gewickelt, auf die drei Menschen zusammen und sprach: Wählet Euch ein jeder nach seinem Gutdünken. Du, Tuatscha (Schwarzer), erst. Du, Eb-ru (Gelber), darauf. Du, Libsche (Weißer), nimmst, was übrig bleibt. Was Ihr wählet, sei Euer Loos hinfür. Der Schwarze wählte das schwerste Bündel und fand darin ein Beil, eine Hacke und einen Spaten, deshalb ist er bestimmt, den Boden zu behauen mit harter Arbeit. (Ich habe aber frevelnd die Gabe des großen Geistes verflucht und von mir geworfen; habe viel erduldet deshalb, bin aber jetzt gereinigt von meiner Schuld.) Der braune Indianer wählte das zweite schwerste Bündel und fand darin Bogen und Pfeil, Lanze, Tomahawk und Messer, deshalb jagt, kriegt und raubt er von Anbeginn der Welt. Der weiße Mensch nahm dann das kleinste Bündel, öffnete es und fand darin das Buch. Das sagt ihm Alles. Deshalb ist er weise, aber auch listig, denn das Buch sagt Alles, was er wissen will, Gutes und Böses.“


Zeichen der Zeit. In Nr. 70. (vom 24. März) des Magdeburger Correspondentenden steht wörtlich folgende Todesanzeige:

„Verwandten und Freunden hiermit die Hiobspost, daß uns Gott heute in der Frühe unsre Gertrud wieder genommen hat; das Kind starb an des Satans Stickhusten. Weil wir uns just an diesem Mägdlein fast zu sehr erfreuten, hat uns der Herr gezüchtigt. Gelobt sei Er!
Tangermünde, den 21. März 1858.
Steinbrecht, Superintendent.“     

Das Blut möchte Einem in den Adern erstarren bei Lesung dieser wenigen Zeilen. Wer jemals ein liebes Kind unter den grünen Rasen gebettet hat, vermag den Schmerz zu ermessen, unter dem Elternliebe und Elternlust bei der Leiche des geliebten Wesens zittert. Von einem Lehrer der christlichen Liebe müssen wir jetzt erfahren, daß diese Liebe etwas Verwerfliches, ein Verbrechen war! Und welch’ einen traurig-niedrigen Begriff muß dieser Mann von der Hoheit Gottes haben, daß er in ihm nur den Gott der Strafe sieht, ein Wesen untergeordneter Art mit menschlichen Rachegelüsten, das den Satan benutzt, um allzuheiße Vater- und Mutterliebe zu bestrafen mit dem Tode des Lieblings! Die große, schöne Lehre unseres Herrn und Heilandes – wie falsch und lieblos wird sie doch von Vielen aufgefaßt!


Casernenfutter. Wer, der jemals beim Militair gestanden und in der Caserne Quartier gehabt hat, kennt nicht diesen Ausdruck – den Schrecken aller Hungrigen und an appetitliche Kost Gewöhnten? In vielen deutschen Casernen wird das Möglichste in diesem „Futter“ geleistet, und doch, wenn man den englischen Zeitungen glauben darf, aus denen jetzt wie im Chore ein Schrei des Entsetzens dringt, wird in England die Lebensmittelfrage der Soldaten in einer Weise behandelt, welche die deutsche Praxis weit übertrifft und wahrhaft abschreckend ist. Wir hoffen, nächstens etwas Näheres darüber mittheilen zu können.[WS 1]


Allen Freunden gemüthlichen Humors

wird für das laufende Quartal der überall gern gesehene

Illustrirte Dorfbarbier.
Ein Blatt für gemüthliche Leute von Ferdinand Stolle.

bestens empfohlen. Während General Pulverrauch und der Dorfbarbier die Weltgeschichte coram nehmen, verhandeln Breetenborn und Nudelmüller die brennenden Fragen des Tages, der Bildermann mit seinen komischen Illustrationen und Zeitbildern aber wird von jetzt ab doppelt interessant werden, da die Preisausschreibung so viel gesunden Witz und Humor eingebracht, daß er für lange Zeit mit zwerchfellerschütternden Bildern aufwarten kann. Für 10 Ngr. vierteljährlich abonnirt man bei allen Postämtern und Buchhandlungen.

Die Verlagshandlung.

Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. siehe den Artikel „Der Tod im Casernen-Fleischkessel
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 200. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_200.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)