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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

es sind eben Familienangelegenheiten, die uns zwingen, daß Caroline noch eine kurze Zeit im ledigen Stande verbleibe.“

„Ich will nicht hoffen, daß Herr von Hammerstein im Spiele ist und Ihnen und Ihrer Tochter irgend etwas weißgemacht hat. Der hat keine rechtlichen Absichten, wie ich. Er schmunzelt nur um das Mädchen herum.“

„Der Herr Oberbergmeister hat weder mit mir noch mit meiner Tochter von seinen Absichten gesprochen.“

„Oder etwa gar der Laffe, der Steiger Leberecht Ambrunn? Ich weiß, er ist vernarrt in Lina; aber Sie werden sich doch nicht mit einem solchen Hause verbinden wollen?“

„Ich weiß, was ich mir und meinem Kinde schuldig bin,“ versetzte die Frau angesäuert.

„Also schlagen Sie ein! Wozu warten? Es könnte mich wieder gereuen.“

„Das steht bei Ihnen. Ich kann Ihnen nichts versprechen.“

Der Mann stand ärgerlich auf. Die hereingebrochene Dämmerung überschleierte den Grimm in seinen Zügen. In der Haustür begegnete ihm ein Mensch, in welchem er den alten Obersteiger Ambrunn erkannte. Er trat also an das niedrige Fenster und horchte.

Die Frau brachte Licht.

„Das ist ein seltener Vogel in diesem Hause,“ sagte sie nach der Begrüßung verlegen.

„Ein weißer Rabe, aber doch ein Rabe!“ krächzte der Alte rabenmäßig. „Ich will’s kurz machen, Kathi. Mein Junge will Dein Mädchen heirathen. Es ist mir gar nicht recht, aber er besteht darauf und ist ein Starrkopf, ein Tollerjan. Also wirst Du ihm die Lina zur Frau geben.“

„Ich werde aber nicht!“ versetzte die Frau trotzig.

„Du wirst müssen.“

„Wer will mich zwingen?“

“Ich“

„Aus welchem Grunde?“

„Weil Du einst meine verlobte Braut gewesen und mir untreu geworden bist.“

„Das kann mich zu nichts zwingen.“

„Nein, aber andere Dinge.“

„Welche?“

„Zum Beispiel der Ring, den Du Deinem Manne gestohlen und dem Georg Theodoro, Deinem Buhlen, gegeben hast, und das Rattengift, das Dir Theodoro für den Ring gab und womit Du Deinem Manne vom Leben geholfen hast. Meinst Du, ich wüßte nicht Alles?! Spreize Dich nur und ich schicke Dir den Geist des Gemordeten auf den Hals, der den Ring von Dir verlangt. Nicht vergebens sagen die Leute, ich habe Umgang mit dem Schachtgespenst. Weißt Du etwa nicht, wer das Schachtgespenst ist? Hat es nicht schon den Ring von Dir begehrt? Heult es nicht durch die alten Schächte nach dem Ringe? Der Geist Deines von Dir vergifteten Mannes ist’s. Verweigere mir nur die Tochter und ich schicke das Gespenst noch diese Nacht.“

„Da Du doch so viel von mir weißt, mein alter Schatz,“ sagte das Weib höhnisch, „so will ich Dir auch etwas sagen. Wer half denn dem Theodoro beim Gebrauche des Ringes? Du warst’s, Martin Ambrunn! Und warum thatest Du so große Sünde, Du jetzt so frommer Mann? Rächen wolltest Du Dich heimlich an Deinem Vorgesetzten, weil er Dir die Braut genommen. Stehst Du wirklich mit dem Schachtgespenst im Bunde, so kann’s nicht der Geist meines Mannes sein; denn Du warst sein ärgster und grimmigster Feind. Nun geh’! Deinem Sohne geb’ ich meine Tochter nicht.“

Der Streit in der Stube wurde durch einen andern vor den Fenstern unterbrochen oder beendigt. Leberecht Ambrunn war gekommen, um zu horchen, was sein Vater ausrichte, und hatte den horchenden Tomanek getroffen. Im Nu waren sie an einander und prügelten sich aus Leibeskräften ab. Der alte Obersteiger rannte fluchend fort.




VII.
Der ehemalige Verlobte.

Einige Tage später hielt ein Reisewagen vor dem ersten Gasthause in Kremnitz, aus welchem Dr. Liebheld mit seiner Frau und seinen beiden Kindern, Eduard Kahlert und Elise Wellschütz stiegen. Kaum hatten sie Zimmer bezogen, als der Advocat schon eine Karte zum Oberbergmeister von Hammerstein schickte. Dieser ließ antworten, daß er sogleich selbst kommen werde. Alle sahen mit Spannung dem Eintritte des Mannes entgegen, welcher einst Frau Aureliens Verlobter gewesen war und den Doctor im Duell schwer verwundet hatte. Niemand war auf sein Erscheinen neugieriger, als Lieschen; denn sie wußte aus dem Munde ihrer Freundin sehr viel Interessantes von ihm und hatte sich in ihrem kleinen Kopfe ein schönes romantisches Bild von ihm gemacht. Sie und Eduard Kahlert waren sehr angenehm überrascht, einen wohlgebildeten, gewandten, ja sogar liebenswürdigen Mann eintreten zu sehen, der nur mit einer beängstigenden Haft und Ueberstürzung sprach und sich bewegte und dadurch die Besorgniß wach rief, daß er sehr leidenschaftlich sei. Mit der Gewandtheit eines Weltmannes grüßte er unbefangen die kleine Gesellschaft auf eine Weise, daß jedes sogleich über alle Befangenheit hinaus war.

„Es hätte nicht des kaiserlichen Befehls bedurft,“ sagte er zu Liebheld gewandt, „um mich zu vermögen, daß ich Ihnen jeden Freundschaftsdienst leiste; denn Ihre Ankunft in dieser Bergstadt erfüllt einen meiner heißesten Wünsche: gegen Sie begangene Übereilungen nach Kräften wieder gut zu machen. Lassen wir die Thorheiten eines Brausekopfs ruhen, wo sie begraben liegen, und Sie, werthe Frau, genehmigen Sie das geläuterte Gefühl von Hochachtung, welches ich für Sie hege, daß Sie fest und muthig der Stimme des Herzens folgten, und sich nicht der Macht eines alten eigensinnigen Mannes und den Zudringlichkeiten eines jungen leichtsinnigen beugten. Sie sind, wie ich weiß, eine sehr glückliche Frau; es steht zu bezweifeln, daß Sie das im Bunde mit mir geworden wären. Wer weiß, wie und wo auch mir ein schönes Eheglück blüht.“

„Sie sind noch nicht vermählt, Herr von Hammerstein?“ fragte Aurelie teilnehmend.

„In der Erinnerung an Sie hätte ich mein Herz fast an ein zweites Fräulein von Schönebeck verloren, aber – sie ist ja Ihre Schwester, und ich sehe jetzt schärfer. Auch sie verrieth keine Anlage, daß sie mich lieben könnte, und – Sie verzeihen – ihre Mutter ist eine böse Zugabe.“

„Wir kennen die Schwester noch nicht.“

„Sie sieht Ihnen ähnlich und ist auch musikalisch. Das ist für unser einen verführerisch.“

„Wer kann wissen, wie nah Ihnen das Glück steht!“ sagte Aurelie bedeutungsvoll, und Liebheld stellte Kahlert und Lieschen, die Letztere als seine Tochter vor.

„Ihre Tochter?“ fragte der Oberbergmeister erstaunt.

„Dem Herzen nach ist sie unser Kind, und sobald wir in’s Vaterland zurückgekehrt sein werden, wird sie durch einen gerichtlichen Act unsere Adoptivtochter werden; aber auch Freund Kahlert wird sich bei dieser Adoption betheiligen. Wir wollen durchaus beide Väter dieser guten Tochter sein.“

Hammerstein wandte sich an Lieschen und ließ, während er sprach, sein Auge auf ihren reinen edlen Zügen haften: „Glückliches Kind, das so viel Liebe genießt! Welch einen Schatz von Liebe müssen Sie selbst besitzen! Möchte ich nicht diesen beiden Herren zurufen: „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte!““

„Wer weiß, was geschieht!“ drohte Aurelie mit dem Finger. „Auch unsere Elise ist musikalisch.“

„Sind Sie es auch, Herr Kahlert?“

„Wenigstens kann ich die zweite Geige spielen.“

„So laßt uns doch gleich ein Concert einstudiren. Wir nehmen Fräulein Lina auch dazu. So bilden wir gleichsam eine Künstlerfamilie.“

Hammerstein war ungemein heiter und riß die Andern mit fort. Er liebkoste die Kinder und tanzte mit ihnen; er wollte mit Lieschen gleich ein Duett singen, als ihn Liebheld erinnerte, daß sie zuvor sich über die Angelegenheit besprechen möchten, welche die Familie nach Kremnitz geführt. Die Frauen zogen sich auf seinen Wink in ein anderes Zimmer zurück.

„Ich bin über die Hauptsachen bereits von Wien aus unterrichtet,“ nahm der Oberbergmeister das Wort. „Eine köstliche Schickung hat uns vor einigen Tagen bereits die Teilnehmer des Verbrechens verrathen. Ihre Aufforderung an den Griechen Philipp

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_159.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)