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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

„Nichts weniger als das. Meine Frau hatte mit dem Ringe nie etwas zu schaffen. Ich zweifle, daß sie ihn je gesehen hat. Er gehört zur Nachlassenschaft jenes Georg Theodoro und ist mir, wie ich Ihnen bereits gesagt, anvertraut worden, damit er mir vielleicht das Aufsuchen der Erben dieses Mannes erleichtere.“

„Und wer ist denn dieser Auftraggeber, der im Besitz dieses wichtigen Ringes war, an welchem doch eigentlich nur Ihre Gattin Interesse haben kann? Wer ist der Mann, welcher jetzt im Besitz der übrigen Nachlassenschaft Georg Theodoro’s ist, die an die Erben zu bringen er sich so viel verhüllte, lichtscheue, geheimnißvolle Mühe und so viel Geld kosten läßt? Wer ist dieser merkwürdige Mensch?“

„Seinen Namen zu nennen, verbietet mir jetzt noch mein gegebenes Ehrenwort. Sehr wichtige Gründe halten ihn ab, hervorzutreten.“

„Ich glaub’ es wohl!“ lachte der Beamte boshaft. „Aber können Sie sich als Rechtsgelehrter und vernünftiger Mensch vorstellen, daß wir uns mit solchen Lappereien abspeisen lassen, wenn es sich um die endliche Lösung eines hartnäckig allen Versuchen geschickter Meister widerstandenen Räthsels, um die seit zwanzig Jahren erstrebte Aufhellung eines undurchdringlichen Dunkels handelt, dessen innerster, geheimnißvoller Kern ein Verbrechen ist, sein muß, über dessen Art und Weise und Beschaffenheit nicht einmal Vermuthungen aufzustellen waren? Nein, mein Herr, hoffen Sie nicht, so durchzukommen. Ihre Angaben sind lauter Widersprüche. Sie haben uns zur ersten Dämmerspur in diesem finstern Labyrinth verholfen, und Ihre Zusammenkunft mit einem bestraften Verbrecher und höchst verdächtigen Menschen gestern im Prater hat uns die Gewißheit verschafft, nach welcher Seite wir vorzuschreiten haben.“

„Dieser Mensch ist der einzige Bruder und Erbe des verstorbenen Georg Theodoro.“

„Genug mit diesem Märchen!“ sagte der Beamte bitter. „Wir wollen doch sehen, ob Ihre Gattin nicht mehr weiß von dieser wichtigen Sache.“

„Meine Frau ist als dreijähriges Kind von ihrem Großvater aus Kremnitz und Ungarn geführt worden, und weil ihr Großvater und Vater Feinde waren, so –“

„Ganz recht! ganz recht! Todfeinde!“ fiel der Polizeidirector hastig ein.

„So hat der Erstere, ihr Erzieher, nie etwas über ihren verstorbenen Vater bei ihr verlauten lassen. Sie kann Ihnen deshalb keine andern Angaben machen, als ich.“

„Wir werden sehen. Wenn Sie Ihrer Gemahlin Unangenehmes ersparen wollen, so geben Sie die beobachtete Rückhaltung auf, und machen Sie ganz offene Mittheilungen. Sie sehen, ich bin von jedem Ihrer Schritte unterrichtet. Es handelt sich um die Aufklärung einer der dunkelsten und räthselhaftesten Thaten, bei welcher selbst die Geisterwelt betheiligt ist. So werden Sie einsehen, daß Sie mit Vorwänden wie gegebenes Ehrenwort und poetischen Erfindungen nicht auskommen.“

„Mein Herr, ich kann nur dem Fürsten Staatskanzler oder dem Kaiser selbst nähere Eröffnungen über Personen, die durchaus geschont werden müssen, und über bis jetzt unbekannte Thatsachen machen.“

„Wohl! Ich werde Seiner Durchlaucht Ihr Gesuch vortragen.“

Am Abend wurde Doctor Liebheld in das Palais des Fürsten Metternich geführt.

Am folgenden Morgen schrieb er einen kurzen Brief an Eduard Kahlert folgenden Inhalts:

„Endlich Land, lieber Junge! Und was für ein Land! Ja, die gestern entdeckte Insel, die sich so lange meinem spähenden Blicke entzog, ist ein Wunderland. Aber noch liegt sie in der Perspective vor mir. Was werden wir erst entdecken, wenn unser Fuß auf ihrem festen Boden wandelt! Mit dem „wir“ meine ich Dich und mich; denn es ist des Kaisers Wunsch, der sich persönlich für unsere Angelegenheit interessirt, daß Du selbst mitwirkst. Komm also unverzüglich hierher. Wir werden erst eine Audienz beim Kaiser haben, und dann zusammen die Reise nach Kremnitz in Oberungarn machen, in dessen Goldbergwerken das geheimnißvolle Drama spielt, dessen Entwickelung und Abschluß herbeizuführen wir vom Schicksal berufen zu sein scheinen. Mache Dich gefaßt, Wunderbares zu erfahren!“

(Fortsetzung folgt.)




Der Canal von Suez.

Suez.

Unter den verschiedenen Fragen, welche die öffentliche Meinung beschäftigen, erregt und verdient keine eine größere Aufmerksamkeit, als die Durchstechung der Erdenge von Suez. Sie allein hat welthistorische Bedeutung, ihr gegenüber treten alle Tagesangelegenheiten in den Hintergrund zurück. Unabsehbar in ihren Folgen, stellt sich die Eröffnung einer abgekürzten Wasserstraße zwischen dem mittelländischen Meere und dem indischen Oceane jenen denkwürdigen Begebenheiten zur Seite, welche in der Cultur-Geschichte

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_144.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2020)