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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Denselben Grund mögen die dramatischen Spiele dieser Gebirgsleute haben, die, eben so originell als alt, nur Scenen aus der christlichen Legende oder Jesusgeschichte darstellen, und uns so einen Begriff von der Bühne des Mittelalters geben. Hat irgendwo eine Gemeinde ein derartiges Schauspiel beschlossen, dann wird es durch Anschlagzettel in allen benachbarten Dörfern bekannt gemacht. Die Aufführung geht in einer Scheune vor sich, und hat ein zahlreiches und aufmerksames Auditorium. Eine andere eigenthümliche Volkssitte ist die des „Haberfeldtreibens“. Hat ein Individuum durch Wucher, Geiz, Unsittlichkeit oder sonst ein Laster, das von den Gerichten nicht direct bestraft werden kann, den öffentlichen Unwillen erregt, so versammelt sich vor seinem Hause des Nachts ein vermummter Haufe bei Fackelbeleuchtung, mit Waldteufeln, Pfeifen, metallnen Becken, alten Töpfen, mit denen sie, unterstützt von Geschrei und Gejohle, einen Höllenlärm so lange vollführen, bis der zitternde Missethäter in dem Haufen erscheint. Hier werden ihm von einem Sprecher seine Vergehen vorgehalten, und mit dem Versprechen der Besserung beruhigt, gehen die Leute auseinander.

Bergsteigen und Wildern ist ihnen, wie allen Bergbewohnern, angeborene Leidenschaft, dabei lockt auch die nahe österreichische Grenze zur Schmuggelei, und Alles ist ihnen lockend, was Gefahren bringt, die hier weit größer sind, als irgendwo, wozu sich aber auch hier weit mehr Schlupfwinkel bieten. In vielen Familien erbt sich dieses Geschäft vom Großvater auf den Urenkel fort, und manche hat schon im Kampfe mit den Grenzwächtern ihr Oberhaupt eingebüßt. Aber in stetem Kampfe mit den Elementen und dem Gesetz, geht der bairische Aelpler gestählt und ausdauernd daraus hervor, mit scharfem Blick und feinem Gehör jede Gefahr erkennend und sie mit athletischer Kraft bekämpfend, und ist einer jener Söhne der Natur mit allen ihren schlimmen, aber auch vortrefflichen Eigenschaften, die in unsern Tagen nur noch schirmende Berge oder dürre Steppen vor dem unaufhaltsamen Strom der Cultur, die alle Welt beleckt, bewahren.

Wir hoffen in einer späteren Schilderung Land und Leute des bairischen Hochlandes noch näher kennen zu lernen.

R. G.




Das Blei und seine gefährlichen Wirkungen.
Von Dr. Franz Döbereiner.
II.
Bleioxyd oder Bleiglätte. – Bleiweiß oder Kremserweiß. – Bleizucker. – Bleiessig und Bleiwasser. – Das kieselsaure Bleioxyd und seine Benutzung bei Glas und irdenem Geschirr. – Die Mennige, das Chlorblei und Kasselergelb. – Die Erkennung des Vorhandenseins von Bleiverbindungen in Speisen u. s. w.


Es ist in dem ersten Abschnitt hervorgehoben worden, daß nicht das Blei als solches, sondern erst dann, wenn es mit anderen Körpern verbunden und dadurch in Flüssigkeiten löslich gemacht worden ist, nachtheilig auf die Gesundheit und als Gift wirkt. Diejenigen Verbindungen, welche bei der Einwirkung verschiedener Agentien auf Blei entstehen oder die wegen technischer und häuslicher Verwendung dargestellt und in den Handel gebracht werden und deshalb Veranlassung zu Vergiftungen geben können, sind sehr verschiedener Art und sollen im Nachstehenden naher betrachtet werden.

Fürerst ist die Verbindung des Blei’s anzuführen, welche bei der Einwirkung von atmosphärischer Luft, besonders rasch unter Mitwirkung von Wärme entsteht und Bleioxyd genannt wird; sie heißt auch Bleiglätte und bildet sich nicht allein auf die angeführte Weise, sondern auch dann, wenn sauerstoffreiche Körper, z. B. Salpetersäure, oder Wasser und gewisse Substanzen, die eine große Anziehungskraft zum Bleioxyd haben, auf Blei wirken und zwar im ersten Fall durch Sauerstoffabgabe, im letzteren Fall durch Zersetzung des Wassers.

Das Bleioxyd ist für sich eine röthlichgelbe, metallglänzende und schuppige Substanz, die beim Zerreiben ein schön gelbes Pulver gibt. Es löst sich nicht in gewöhnlichem Quellwasser, aber etwas in reinem Wasser, mehr in Kalkwasser und in Laugen, leicht in verschiedenen Säuren, wie z. B. im Essig. Es wirkt trotz seiner Unlöslichkeit in gewöhnlichem Wasser giftig, weil es, in den Magen gebracht, daselbst Flüssigkeiten vorfindet, die lösend darauf wirken.

Man benutzt das Bleioxyd zu sehr verschiedenen Zwecken, wie zur Darstellung mancher Glas- und der Glasurarten (s. unten), zur Bereitung von Bleizucker und anderen Verbindungen, zum Sieden des Firnisses, zur Oelkittbereitung, in Kalkwasser gelöst als Färbungsmittel für Haare u. s. w. Die gefährlichste Verwendung des Bleioxydes war die früher gebräuchliche zur Weinkünstelei, indem man säuerliche Weine damit längere Zeit in Berührung setzte, wodurch die Säure angezogen und der sauere Geschmack aufgehoben, dagegen aber ein eigenthümlich süßlicher hervorgerufen wird. Mag diese Künstelei auch jetzt nicht mehr ausgeführt werden, was wir besonders Hahnemann zu verdanken haben, der durch die von ihm eingeführte und nach ihm benannte Weinprobe ein sicheres Mittel zur Erkennung dieser wahrhaften Weinvergiftung gegeben hat; so darf man das im ersten Abschnitt über die Löslichkeit des Blei’s in Wein Gesagte nicht unberücksichtigt lassen, nur daß hier der Erfolg langsamer ist.

In allen Fällen, wo das Bleioxyd in einem bestimmten Verhältniß mit einer Säure in Berührung kommt, entsteht ein sogenanntes Bleioxydsalz, d. h. eine Verbindung des Bleioxydes mit der betreffenden Säure. Diese Salze besitzen, besonders wenn sie in Wasser auflöslich sind, ungemein giftige Eigenschaften und sind im Allgemeinen als die Ursache der Vergiftung zu betrachten, wenn Blei dieselbe veranlaßt hat. Leider haben mehrere Bleioxydsalze eine sehr verbreitete Anwendung und da einige derselben eine große Aehnlichkeit mit Mehl, Zucker und ähnlichen zum Genuß dienenden Substanzen und zugleich einen süßlichen Geschmack besitzen, so muß dabei und bei ihrer Aufbewahrung mit großer Umsicht verfahren werden. Einige Bleioxydsalze haben eine schöne Farbe und dienen deshalb als Farbematerialien zum Anstreichen, so wie auch zum Färben und Drucken der Zeuge, dürfen aber nicht bei Speisewaaren verwendet werden.

Das gebräuchlichste Bleioxyd ist das kohlensaure Bleioxyd, das auch als Bleiweiß oder Kremserweiß bekannt ist und hauptsächlich als weiße Anstrichfarbe mit Oel benutzt wird. Da jedoch schon die mit einer Beschmutzung der Haut verbundene unausgesetzte Beschäftigung mit Bleiverbindungen, also auch die mit Bleiweiß, eine sehr gefährliche Krankheit – die Bleikolik – verursacht, ferner das Bleiweiß mit dem Oel nach und nach an der Luft gelb oder bei Zutritt von Schwefelwasserstoffgas – welches sich aus Abtritten und überall da, wo thierische Körper in Fäulniß begriffen sind, entwickelt – braun wird, so ersetzt man es jetzt immer mehr und mehr durch das weißbleibende und gefahrlose Zinkweiß.

Ein anderes, häufig als Malerfarbe in Anwendung kommendes Bleioxydsalz ist das chromsaure Bleioxyd, das im normalen Zustand prächtig citronengelb (Chromgelb), bei einem Ueberschuß von Bleioxyd aber orangefarben bis schön feuerroth (Chromorange oder Chromroth) erscheint. Diese Farben sind wegen ihres Glanzes und ihrer Beständigkeit sehr beliebt, aber doch mit Vorsicht zu verwenden.

Der bekannte Bleizucker ist essigsaures Bleioxyd und entsteht in allen Fällen, wo Blei, reines oder kohlensaures Bleioxyd mit einer hinreichenden Menge von Essig in Berührung kommen; es findet wegen des Wassergehaltes des Essigs eine vollständige Lösung statt und die farblose Flüssigkeit, welche einen süßlichen, hintennach zusammenziehenden metallischen Geschmack besitzt, gibt beim langsamen Verdampfen das Salz in farblosen säulenartigen Krystallen. Der Bleizucker ist wegen seiner großen Löslichkeit in Wasser eins der giftigsten Bleisalze und gibt, da er in den Künsten und Gewerben mannichfach benutzt wird, gar zu leicht zu unabsichtlichen Vergiftungen Anlaß. Ganz verwerflich ist seine Verwendung zum Klären des Weins, der Zuckerlösungen und anderer als Getränke dienender Flüssigkeiten, da er – obgleich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 134. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_134.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)