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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

im Hause herumgelungert war, und das hatte der Wilhelm unterdeß gesehen, und dann führte er allerlei Redensarten von einem Strauß, den der Fremde mir geschenkt, und endlich, da eilte er gar davon, um mich beim Vater zu verklagen. Einen Todesschrecken bekam ich nun, denn der Vater, wissen Euer Durchlaucht, ist so heftig und zornig, und wenn es über ihn kommt, da hört und sieht er nicht. So lief ich hinter dem Wilhelm drein, um ihn zurückzuhalten und zu besänftigen – aber das Unglück will, daß, wie wir kaum hundert Schritte vom Hause sind, der Vater vom Küchengarten her mit dem Matthes, dem Jungen, angeschritten kommt, und plötzlich vor uns steht. Da hat’s eine schöne Bescheerung gegeben. Der Vater wußt’ ja noch nichts davon, daß wir uns das Wort gegeben, der Wilhelm und ich, und wie er nun Alles hört, was der Wilhelm in seinem blinden Eifer hervorsprudelt, ganz rabiat ist er da geworden, der Vater, und:

„„Ei, du schlechter, abscheulicher Bube, du Landstreicher du,“ hat er geschrieen, „ist das der Dank, daß ich dich zu mir genommen habe, als du nicht wußtest, wo aus noch ein, du Ausreißer, daß du mir der losen Dirne den Kopf verrückst, und mit solchem Scandal daher kommst, und daß ihr euch balgt, wie die Narren, – ein sauberes Früchtlein ist’s schon, aber für dich sind solche Früchtlein doch noch nicht gewachsen, Cumpan;“ und damit hat er den Wilhelm gefaßt, der Vater, und ihn nach der Wache gezerrt, und der Matthes hat laufen müssen, den Posten herbeizuholen, und weil der Wilhelm daheim ist Soldat gewesen und ist davon gelaufen von den Schwäbischen weg, haben sie ihn gleich angenommen auf des Vaters Wort, und so hat er mit den Soldaten gehen müssen, und da hat nichts geholfen, und nun ist’s mein Tod, gnädigste Frau Landgräfin, wenn der Wilhelm verloren ist, und nicht wieder frei wird!“

Die Landgräfin blickte jetzt sehr ernst auf das vor Schmerz ganz fassungslose Mädchen und sagte dann voll tiefer Theilnahme:

„Das ist schlimm, sehr schlimm, Minette; wie sollte der Wilhelm wieder frei werden? Der Landgraf wird ihn nicht herausgeben, einen so stattlichen Burschen …“

„Aber um Gottes Willen, gnädigste Durchlaucht …“

Die Landgräfin schüttelte den Kopf.

„Was soll ich Dir einen eitlen Trost oder Versprechungen geben, die ich nicht erfüllen kann? Ich darf mit einer solchen Bitte dem Herrn gar nicht kommen!“

Minetten’s Verzweiflung stieg auf’s Höchste; sie versuchte Alles, um der Landgräfin Herz zu erschüttern, aber diese konnte beim besten Willen ihr keine Beruhigung geben. Einen fremden Ausreißer, einen Burschen, stattlich, wie den Gärtnergehülfen, den sein eigener Brodherr abgeliefert hatte, weil er sich unnütz gemacht – den gab der Landgraf nicht frei um eines verliebten jungen Mädchens willen! Um so weniger, als ja auch Meister Allgeyer von dieser Liebschaft gar nichts wissen wollte. Und doch strengte die Landgräfin sich mit allen Kräften ihres Geistes an, um etwas zu entdecken, womit man den unglücklichen jungen Mann, den sie kannte, dem sie gewogen war, aus seiner verzweifelten Lage befreien und Minetten’s Kummer enden könne; und so sagte sie endlich:

„Ein einziges Mittel möchte es geben, armes Geschöpf, aber Du wirst es nicht ausführen können –“

„O sprechen Sie, liebste, gnädigste Durchlaucht, ich thue Alles, Alles, was nur menschenmöglich ist – ich würde dem lieben Herrgott seine Sonne vom Himmel herunterbitten, wenn’s etwas hülfe!“

„Sieh,“ sagte die Landgräfin, „ich glaubte, es sei der junge Goethe aus Frankfurt, den man unter die Grenadiere gesteckt habe; das ist ein berühmter Dichter und aus einem angesehenen Hause in der Reichsstadt; über den habe ich mit dem Herrn eben noch geredet, und der Landgraf ist so gütig gewesen, mir zu versprechen, daß er ihn frei geben wollte. Er wollte ihn sofort sich vorführen lassen, mit ihm sprechen und sodann ihm seine Freiheit ankündigen. Wenn man nun dem zuvorkäme, daß der Rekrut nicht gleich vor den Landgrafen geführt würde; wenn Du Dich unterdeß aufmachtest, und den Doctor Goethe aufsuchtest – Du wirst ihn beim Kriegszahlmeister Merk finden; wenn Du ihn bewögest, ihn, der ja das ganze Unheil eigentlich angestiftet hat, es dadurch wieder gut zu machen, daß er bei dem Offizier du jour sich als Stellvertreter für den Wilhelm meldete …“

„Würde der ihn annehmen statt des Wilhelm?“

„Das steht in seinem Belieben und Schwierigkeiten würde er keine machen, wenn ich ihn mit einigen Zeilen schriftlich darum ersuchte.“

„O Sie gütigste Durchlaucht!“ rief Minette frohlockend aus.

„Dann,“ fuhr die Landgräfin fort, „hätten wir gewonnen Spiel; der Doctor Goethe würde dann als Rekrut dem Landgrafen vorgeführt, und der Landgraf würde ihn entlassen – das hat er mir versprochen!“

(Schluß folgt.)




Die im Hafen von Sebastopol versenkten russischen Schiffe.

Ein russisches Linienschiff auf dem Meeresgrunde.

Im Anfange des Krimfeldzuges versenkten die Russen bekanntlich eine Anzahl großer, aber alter Kriegsschiffe am Eingange des Hafens von Sebastopol, um denselben der Flotte der Westmächte zu sperren. In dem ungeheuren Sturme, der bald darauf in dem schwarzen Meere wüthete und den dort befindlichen englischen und französischen Schiffen so verderblich war, wurde auch die Reihe jener russischen Versenkten so sehr erschüttert, daß die feindlichen Flotten, wäre ihnen dieser Umstand bekannt gewesen, ungehindert hätten in den Hafen hineinfahren können. Die Russen sahen sich dadurch veranlaßt, hinter jener ersten Reihe, nach der Mitte des Hafens zu, eine größere Anzahl Schiffe in einer zweiten Reihe zu versenken. Endlich, als man erkannte, daß Sebastopol trotz aller

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_104.jpg&oldid=- (Version vom 4.10.2020)