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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

er zu viel oder zu schwere führte, was nur alte bewährte Kämpen ungestraft thun können.

Wenn nun auch nicht jede Stadt solche berühmte Keller aufweisen kann, wie Bremen seinen Rathskeller – München den Bockkeller – Hamburg Wilcken’s Keller und Leipzig Auerbach’s Keller, so trifft man doch überall einen „Keller“ und darin gewiß etwas zu trinken! –

In Wien ist nun, besonders bei den Fremden, der Esterházykeller am bekanntesten. Die dort lagernden unverfälschten Ungarweine und der Name des Fürsten, der jedesmal, wenn er ausreitet, einen „silbernen Hut“ verliert, und so viel Schafheerden besitzt, daß dieselben einige kleine deutsche Fürstenthümer in zwei Stunden kahl weiden würden, lassen in dem Fremden dann Bilder von großartigen Kellerhallen mit Marmorsäulen und kunstvoll geschnitzten Riesenfässern aufdämmern, zwischen denen ehrwürdige Kellermeister mit Fackelbegleitung umherwandeln. Aber mag die Phantasie des Durstigen noch so groß und reich sein, die Wirklichkeit läßt Alles hinter sich, und das Gefühl eines ungeheuern Erstaunens erfüllt den Besucher, der zum ersten Mal den berühmten Keller betritt.

Der Esterházykeller in Wien.

In der Zeit von elf bis ein Uhr, so wie Nachmittags von fünf bis sechs ist die Thür zum Naß geöffnet. Wir verlassen den Graben, und schreiten in der stillen Naglergasse fort, bis wir zum Haarhof kommen, wo uns der kundige Mentor etwas bergab in eine Gegend führt, in der ein starker Ammoniakgeruch verherrscht. Mit Verwunderung stehen wir vor einer halbgeöffneten alten, verrosteten Eisenthür, in welche entweder der Rost, oder der kunstreiche Verfertiger eine Verzierung gearbeitet hat, die eben so wohl einem Adler, als einem umgestülpten, zerrissenen Regenschirm gleicht.

Durch diese Thür betreten wir eine Treppe, welche durch die täglichen Mißhandlungen der Heraufgehenden und durch ihr Alter boshaft geworden ist, und welche nichts lieber sieht, als daß man über sie hinunterfällt. Um dies nun möglichst zu erleichtern, hat man auf ihrer Mitte eine Fallthür angebracht, die wiederum nur zur Hälfte geöffnet ist, denn auf der andern Hälfte, die ganz so ausschaut, als ob sie seit ihrer Geburt niemals geöffnet worden, steht ein alter Windofen und ein Blechleuchter, der aussieht, als ob es sein Kind wäre, und in dem mit ungeheurem Hohn ein elendes Talgstümpfchen brennt, damit man die nun folgende pechschwarze Finsterniß sieht. Zur Ehre der Treppe müssen wir jedoch erwähnen, daß ein alter blankpolirter Strick an der Wand das Hinunterfallen bedeutend befördert, weil er die spaßhafte Gewohnheit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_093.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2020)