Seite:Die Gartenlaube (1858) 074.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

Seite des breiten gewundenen Pfades, bald war er zur Linken hinübergeschwankt, und eben so träumerisch irrend schweiften seine Blicke umher; bald ruhten sie auf einer Blumencorbeille, bald auf einer Gruppe von Bäumen, und als er endlich an dem kleinen See angekommen, auf welchem sich ein paar Schwäne bewegten, blieb er stehen, und schien die Blicke nicht von ihnen losreißen zu können, als ob er seine Freude daran habe, wie die schönen, mit einer so poetischen Mission unter den übrigen Geschöpfen bevorzugten Thiere – der nämlich, sich von allen Dichtern aller Zeitalter besingen zu lassen – an nichts Anderes dachten, als die Hälse in’s Wasser zu tauchen, und die Köpfe in den Schlamm zu stecken.

Als er endlich genug zu haben schien an diesem Schauspiel und sich abwandte, um weiter zu gehen, erblickte er in einiger Entfernung einen jungen Gärtner oder Gartengehülfen, der neben einem der Blumenbeete stand, und seine auffallend stattliche, kräftige Gestalt müßig gaffend auf die Schaufel lehnte – so daß ihm der Fremde gerade in derselben Weise zum Schauspiel gedient zu haben schien, wie diesem die beiden Schwäne.

Dem Fremden mochte die Entdeckung, so beobachtet worden zu sein, wo er sich ganz unbelauscht gewähnt, ein unbehagliches Gefühl erregen. Er ging jetzt rasch mit demselben straff elastischen Schritt, den er gehabt, als er sich noch in der Stadt befunden, weiter. Der Weg, den er verfolgte, und der sich schlangenartig zwischen den großen Rasenflächen umherwarf, führte ihn gegen sein Erwarten mit einer plötzlichen Wendung ganz in die Nähe des Gärtners.

Es war, wie gesagt, ein großer, kräftig gebauter Bursch mit einem echt deutschen Blondkopf, hübsch, frisch, von der Sonne gebräunt und dabei höchst kecken, unternehmenden Blicks.

Mit einem spöttischen Lächeln folgte er den Bewegungen des Fremden, und sah ihm mit demselben spöttischen Lächeln in’s Gesicht, während der junge Mann durch seinen Weg fast in gerader Richtung auf ihn zugeführt wurde.

Den jungen Cavalier schien dies höchlichst zu verdrießen, und um den Burschen in seine Schranken zurückweisen, blieb er neben ihm stehen, und sagte mit ziemlich befehlendem Tone:

„Schneide Er mir doch ein Bouquet aus den Blumen dort!“

Der Gärtnerbursch rührte sich nicht; auf seine Schaufel gestützt bleibend, antwortete er:

„Hier wird nichts abgeschnitten!“

„Und weshalb nicht?“

„Weil’s verboten ist für Fremde.“

„Ich bezahl’s ihm!“

„Für Fremde geht’s nicht!“

„Ich bin Seiner Herrschaft nicht fremd!“

„Ist Er ein Herr vom Hofe?“

„Vom Hofe? Nun ja, vom Hofe Apoll’s, guter Freund!“

Der Gärtner schüttelte den Kopf. Der Fremde aber schien sich auf seinen Strauß zu capriciren. Er wollte nicht abziehen ohne ihn. Der Bursche sollte nicht mit doppeltem Spott ihm nachschauen.

„Geb’ Er das Bouquet nur immer her. Ein gutes Trinkgeld soll Ihm werden,“ fuhr er immer in demselben befehlenden Tone fort.

„Was will Er mit dem Strauß?“ versetzte der Gärtnerbursche. „Er kommt damit gar nicht zum Garten hinaus; an den Ausgängen wird vigilirt, von den Aufsehern, den Schildwachen – die werden Ihn anhalten, wenn Er mit Blumen daher kommt.“

„Thut nichts – ich werde den Aufsehern ein Stück Geld in die Hand drücken.“

„Ist hierorts nicht Mode, das Geldindiehanddrücken!“ antwortete der Gärtner lächelnd. „Und noch einmal, was will Er denn mit dem Strauß, daß Er sich’s so viel will kosten lassen?“

„Was geht’s Ihn an?“

„Nun, ich meinte nur –“ versetzte der Bursch, sich jetzt abwendend und seine Schaufel ergreifend, um die Erde zwischen den Blumen damit aufzulockern.

Der junge Herr zog seine Börse hervor und nahm ein paar Silberstücke heraus.

„Das erhält Er für den Strauß,“ sagte er.

Der Gärtner hielt in der kaum begonnenen Arbeit inne und blickte den Fremden verwundert an. Eine solche Hartnäckigkeit und zwar, wie es doch allen Anschein hatte, blos um die Befriedigung eines launenhaften Wunsches zu erreichen[WS 1], mochte ihm etwas Neues sein. Er kannte den Eigensinn einer Poetenphantasie nicht.

„Geld thut’s allein nicht,“ antwortete er dann; „wenigstens gehören auch gute Worte dazu. Was will Er mit dem Strauß?“

„Muß ich denn, durchaus etwas damit wollen?“

„Weil Er sich’s so viel will kosten lassen, ja!“

„Gut denn – ich will ihn meinem Schatz schenken.“

„Das ist etwas Anderes!“ sagte der Bursche, indem er sein krummes Gartenmesser hervorzog.

„Hat Er je von der Blumensprache gehört?“

„Müßt ich doch nicht Gärtner sein, hätt’ ich nicht wohl davon gehört; aber ich verstehe mich nicht darauf. Bin noch nicht lang’ in dem Geschäft!“

„Nun, seh Er, die Levkoien da, die Er mir schneidet, die bedeuten: „heut komm ich!“ und die dunkle Nelke – geb’ er mir die dunkelrothe Nelke hinein, die bedeutet: „um sieben Uhr, wenn der Abend purpurn niederdunkelt!““

„Das ist hübsch,“ sagte der Gärtner. „Und dieser Goldlack, bedeutet der auch etwas? Soll ich ihn hinzugeben?“

„Freilich – „ich bin Dir treu wie Gold“ bedeutet er – und „bleib’ Du mir auch im Stillen hold“ sagt die Aurikel; so, schneide Er von beiden ab.“

„In der That, die Blumensprache gefällt mir, ich danke Ihm für den Unterricht; will mir’s merken:

Ich bin Dir treu wie Gold,
Bleib’ Du mir auch im Stillen hold –“

recitirte, wie um sich’s einzuprägen, der Gärtnerbursche.

„Und dann,“ fuhr er fort:

„Wenn der Abend purpurn niederdunkelt –“

„Aber da fehlt der Reim darauf; müßt’ so etwas sein, wie munkelt – funkelt –“

„Richtig,“ fiel der junge Fremde ein, „funkelt – etwa:

Dem Sterne gleich Dein schönes Auge funkelt!
Der Gedanke zwar ist wenig neu,
Doch Anlage hat Er zur Poeterei! – –

„Am Ende finden wir noch, daß wir Brüder im Apoll sind!“

„Apoll, was besagt das?“ fragte der Bursche, indem er sich aufrichtete, die geschnittenen Blumen ordnete und einen kleinen Knäuel Bast aus der Brusttasche hervorzog, um den Strauß zu binden.

„Nun will Er gar noch Unterricht in der Mythologie, nachdem er die Blumensprache bereits gelernt. Das nächste Mal, mein Freund! heut’ sage ich ihm nur, daß Brüder im Apollo nicht immer so viel heißt, wie gute Brüder!“

Der Gärtner überreichte seinen Strauß.

„Ich danke Ihm,“ sagte der junge Herr. „Da nehm’ Er sein Trinkgeld. Adieu!“

„Adieu,“ versetzte der Gärtner, und während der Andere sich zum Gehen wandte, rief er ihm lachend nach: „Und viel Vergnügen auf den Abend, Herr Bruder!“




II.

Der Fremde verschwand hinter den nächsten Gebüschpartien. Der Gärtnerbursche nahm seine Arbeit vor, aber nach wenigen Minuten warf er seine Schaufel über die Achsel, als ob ihn das Geschäft, das er begonnen, langweile, und den Dessauer Marsch pfeifend ging er gemächlich geraden Weges, ohne sich reglementmäßig den Windungen der Pfade zu fügen, über dem Rasen davon. Er suchte den dem Schlosse zunächst liegenden Theil der Anlagen auf und näherte sich hier einem hübschen kleinen Hause, das unter einer Gruppe hoher Pappeln, von dichtem Gebüsch umgeben, gar idyllisch dalag. Es war weiß beworfen, an der Süd- und Westseite von Reben umsponnen; zur Rechten und Linken der niedern Thür zeigten sich Staffelbänke, die eine Fülle von Blumen in Töpfen trugen. Da das Gebäude obendrein nicht gar weit von dem großen eisernen Gitterthore entfernt lag, welches den Haupteingang in die Anlagen bildete, so war unschwer in dem freundlichen Häuschen die Wohnung des Obergärtners zu erkennen.

Als der Gärtnerbursche das Haus erreicht hatte, lehnte er seine Schaufel an die Mauer desselben, zog seine leichte graue Leinenjacke glatt, nahm sodann den Strohhut ab, um sich das Haar aus der Stirn zu streichen und zu ordnen, und nachdem er

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: errreichen
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_074.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)