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Verschiedene: Die Gartenlaube (1858)

habe, weshalb er sich entschloß, Stunden in Italienisch zu geben. Es fehlte ihm nicht an Schülern, denn seine Geschichte gewann ihm so manchen Freund. Die Art des Unterrichts war sehr gut; nie machte er seinen Schülern Vorwürfe. Hatten sie gelernt, so versprach er, am nächsten Tage in seiner apfelgrünen Kleidung zu erscheinen, war er nicht zufrieden, so sagte er: morgen muß ich in meinem kaffeefarbigen Kleide kommen. Solche Strafe oder Belohnung war ihm leicht, denn er hatte wohl mehr als sechzig Anzüge von verschiedener Farbe, zu denen Niemand als er Zutritt hatte.

Seine Bekanntschaften waren sehr zahlreich Seine freundlichen Manieren, seine harmlose Excentricität ließen ihn überall gern gesehen sein. Den Armen gab er seinen Mitteln nach reichlich und kein armer Italiener sprach ihn jemals vergeblich an; vielen leistete er erfolgreiche Dienste, da er einflußreiche Freunde besaß; beim neapolitanischen Gesandten speiste er fast täglich.

Seine Gewohnheiten waren sehr einfach. Um fünf Uhr stand er von seinem Lederstuhle auf, denn in einem Bette wollte er nicht schlafen. Zum Frühstück aß er gewöhnlich Kartoffeln, die er sich zubereitete. Den Tag widmete er zumeist seinen Schülern oder der Bibliothek und endete ihn mit einem Spaziergange auf die Boulevards. Traf er da einen Bekannten, so schloß er sich ihm an und schwatzte über Italien, Musik und andere Lieblingsthemata. Dabei aber bildete er sich ein, daß die Person, mit der er so zusammentraf, Bellini, Napoleon, Malibran oder eine ähnliche berühmte Person sei. Diese Einbildung war für ihn eine Quelle großen Vergnügens. Umsonst sagte man ihm, Napoleon, Malibran u. s. w. wären todt. Darauf antwortete er gewöhnlich:

„Für Sie wohl, das geb’ ich zu, aber nicht für mich. Ich bin mit Sinnen begabt, die Sie nicht besitzen. Ich versichere Sie, sie sind nicht todt und lieben mich und meine Gesellschaft.“

Armer Carnevale! Möge die Sonne freundlich auf Dein Grab scheinen!




Gerstäcker, von dem wir in letzter Nummer einen Artikel über die Pirschpfade der Gemsjagd brachten, arbeitet, wie wir hören, an einem neuen Romane, der vielleicht noch im Laufe dieses Winters erscheinen wird. Sein Buch über die Gemsjagd (in prachtvoller Ausstattung, mit 34 Holzschnitten und 12 größeren Lithographien), aus dem der „Pirschpfad“ nur theilweise entlehnt war, findet eben so viele Leser wie Beschauer und liefert zugleich den wiederholten Beweis, daß Gerstäcker ein eben so vortrefflicher Schilderer der Natur, wie passionirter und glücklicher Jäger ist.



Allgemeiner Briefkasten.


F. L. in N. Ihr Artikel: „der Mittelstand“ enthielt manches Wahre, aber auch viele Angriffe nach rechts und links, die wir nicht vertreten möchten. Es ist ebenso wenig wahr, daß hohe Stellung im Leben hart und fühllos mache, wie es richtig ist, wenn Sie den weniger gebildeten Classen Habsucht und Mitleidlosigkeit vorwerfen. Die wahre Bildung, die des Herzens, schlägt überall ihre Werkstatt auf und nur in der Brust des Geldmenschen der Neuzeit, der seine Reichthümer nicht durch Arbeit, sondern im Taumel der Speculation und des Spiels gewinnt, findet sie kein Plätzchen. Dieser beweist seine Bildung durch äußern Glanz, durch feine Soupers, durch Pferde und anrüchige Liebschaften und auf ihn paßt, was Börne sagt: „Reichthum macht das Herz schneller hart, als kochendes Wasser ein Ei.“ und just der Mittelstand liefert zu dieser Sorte Menschen ein reiches Contingent. Deshalb ist Ihr Artikel nur halb wahr und Ihre Verurtheilungen nach Oben und Unten unbegründete. Erlauben Sie mir Ihnen durch einige Beispiele zu beweisen, wie ungerecht es ist, den Stab über gesellschaftliche Schichten im Allgemeinen zu brechen.

Die Frau Hauptmann L., eine Wittwe, arm und nur mit einer kargen Pension bedacht, war gezwungen, um sich und ihren einzigen Sohn zu ernähren, für fremde Leute zu arbeiten und sie that das, obwohl’s ihr in der Wiege nicht gesungen war, doch gern und willig und mit Anstrengung aller ihrer Kräfte. Sie lebte still und zufrieden, ihre einzige Freude bestand in den Briefen ihres Sohnes, der sich auf einer Schule in der Residenz zum Techniker heranbildete. Bei ihrem Fleiß und der großen Genügsamkeit, mit der sie wirthschaftete, war ihr Budget stets in Ordnung und nur, als der Sohn gezwungen war, zu seiner weiteren Ausbildung eine größere Reise anzutreten, fehlten ihr die nöthigen Mittel, so daß sie sich genöthigt sah, Freundeshülfe in Anspruch zu nehmen. Betteln wollte sie nicht, sie versuchte es Geld zu leihen, aber überall fand sie nur schöne Reden und bedauerndes Achselzucken, nirgends eine offene Börse. Da entschloß sie sich, ihrem Sohne zu lieb, das letzte theure Andenken ihres Gatten, eine reichbesetzte Uhr, zu verkaufen. Vor einigen Monaten begab sie sich zu einem Juwelier in der X-Straße und trug ihm die Uhr zum Kauf an, der auch nach langem Handeln und nachdem sie unter Thränen die Veranlassung des Verkaufs erzählt hatte, zu Stande kam. Zitternd überreichte sie dem Juwelier das Erbstück. In dem Momente aber, als sie sich unter Schluchzen von dem theuren Andenken trennen wollte, näherte sich ihr eine junge anwesende Dame. „Bitte, geben Sie mir die Uhr,“ sagte sie rasch, bezahlte den Preis und verließ dann eilig das Gewölbe. Erstaunt sahen sich der Juwelier und die Hauptmännin an. Weder er noch sie kannten die Dame und die arme Wittwe verließ endlich den Laden, ohne zu wissen, in welche Hände das theure Stück gekommen war.

Als sie die Straße betrat, dämmerte es schon. Sie war kaum einige Schritte gegangen, als sich ihr eine elegante weibliche Gestalt näherte, in der sie sofort die Dame aus dem Laden erkannte. In demselben Augenblicke fühlte sie auch ihre Hand erfaßt und eine zitternde, von Rührung übermannte Stimme redete sie an. „Nehmen Sie, nehmen Sie,“ drängte die Dame „Sie sollen sich nicht von der letzten Liebesgabe Ihres Mannes trennen. Mein Gott, wie schwer muß Ihnen dieser Gang geworden sein!“ Dabei drückte sie der erstaunten Hauptmännin etwas in die Hand und ehe sich diese noch besinnen konnte, was das Alles zu bedeuten habe, war die Dame verschwunden. Als die Wittwe das Papier öffnete, fand sie ihre Uhr.

Lange forschte sie vergebens nach, erst vor Kurzem, und nur durch einen Zufall hat sie erfahren, daß die unbekannte Dame die Gräfin B…g, war.

Das war die Aristokratin!

Ich habe einen armen Gesellen gekannt, der sich durch Fleiß und Arbeiten nach Feierabend nach und nach fünfzig Thaler erspart hatte. Er war ein tüchtiger, wackrer Mensch und liebte ein Mädchen aus der Nachbarschaft mit der ganzen Gluth eines unverdorbenen Herzens. Lange trug er seine Neigung mit sich herum, endlich eines Tages nahm er all’ seinen Muth zusammen und gestand dem Mädchen seine Liebe. Es war die glücklichste, aber auch die schwerste Stunde seines Lebens. Das hübsche Kind hörte ihn ruhig mit an. Dann gab sie ihm treuherzig die Hand. „Ich weiß es, Meyer,“ sagte sie mit thränendem Auge, „ich weiß es seit langer Zeit, daß Sie mich wohl leiden mochten, und mir stets nachgefolgt sind, wenn ich die Straße hinab ging, und ich darf es Ihnen jetzt wohl gestehen, daß es mich immer gefreut hat, daß solch ein ordentlicher Bursche mich armes Mädchen gern gehabt. Aber Gott hat es nicht gewollt.“ – Und nun erzählte sie ihn, mit zagender Stimme, daß er eben zu spät komme, denn sie liebe seit Jahren schon einen anderen Gesellen, der sie auch heirathen werde, sobald es die Umstände und seine Mutter gestatteten. Diese Mutter aber wolle von der Heirath nichts wissen, weil sie doch ein gar zu armes Mädchen sei und nicht einmal eine kleine Ausstattung mitbringe in die neue Wirthschaft, „Freilich,“ schloß sie mit einem tiefen Seufzer, „wenn ich nur 50 Thaler hätte, könnte ich recht glücklich werden“ –

Der arme Geselle, obwohl er sehr bleich geworden, hat sie ruhig aussprechen lassen und dann Abschied von ihr genommen – auf immer! „Behüt’ dich Gott, Gretchen“ – mehr konnte er nicht sagen – „und vergiß mich nicht ganz“ – Er hatte sie geliebt, so sehr und wahrhaftig geliebt, daß er schon glücklich war sie glücklich zu wissen, wenn ihm selbst auch dabei das Herz fast brach.

Acht Tage später ist aus der fernen Stadt L. ein Schreiben an das Mädchen gekommen, darinnen stand geschrieben und von einem Rechtsanwalt unterzeichnet und besiegelt, daß ein entfernter Anverwandter gestorben sei und ihr 50 Thlr. vermacht habe, die sie zu ihrer einstigen Ausstattung benutzen solle. Das Mädchen hat zwar verwundert den Kopf geschüttelt und sich durchaus nicht auf den Verwandten besinnen können, aber die fünfzig Thaler waren eben da und zwei Monate später ist sie mit ihrem Wilhelm vor den Altar getreten. Sie hat es niemals geahndet und weiß es jetzt noch nicht, daß der arme Geselle, der sie so lieb hatte, sein ganzes Eigenthum hingegeben – um sie glücklich zu wissen.

Das that ein gewöhnlicher Arbeiter, dem Sie Eigennutz und Habsucht vorwerfen!



L. Wbr. in Wien und Egb. Gtz. in Königsberg. Es hat sich herausgestellt, daß Marine-Aquarien nur in Seestädten möglich sind und deren Anschaffung aus England mit so viel Schwierigkeiten und Unkosten verbunden sein würde, daß wir kaum noch dazu rathen können. Ueber Süßwasser-Aquarien gibt das Roßmäßler’sche Buch vollständige Auskunft.



F. B. in Paris. Ihr Artikel über den Herzog Karl von Braunschweig kann keine Aufnahme finden. Wie das Unglück auch auftritt, im Herzogsmantel oder im abgeschabten Flaus des Flüchtlings – es ist Pflicht der Presse, es zu ehren und zu schützen und, selbst wenn einzelne Extravaganzen vorkommen, in der mildesten Weise darüber zu richten. Dem heimathlosen Verbannten gegenüber hört jede Rache auf. Wir finden es deshalb auch mindestens unzart, wenn man auf dem herzoglichen Schlosse in Blankenburg den Fremden einen prachtvoll gearbeiteten Stammbaum des Welfenhauses zeigt, auf dem alle Namen des erlauchten Stammes von Beginn ab bis zum jetzigen regierenden Herrn angegeben sind, nur der des Herzogs Karl nicht. Er war doch der Sohn eines Welfenvaters, war einst regierender Fürst und bleibt – wenn auch in der Fremde als Flüchtling – doch immer Bruder des Herzogs Wilhelm. Wir können nicht glauben, daß der Herzog von dieser Kriecherei irgend eines unterwürfigen Menschen weiß, und müssen nur bedauern, daß der Cavalier, welcher die Aufsicht über die herzoglichen Schlosser hat, eine solche Taktlosigkeit zuläßt.


Die Kräftigungs-Tinktur von Laurentius,

welche dummen leichtgläubigen Schwächlingen gegen vorherige Einsendung von vierzig Thlr. zugeschickt wird, gehört zu den Beutelschneider-Charlatanerien und besteht der Hauptsache nach in einer alcoholischen Lösung von Chinin und Eisen, die sich Jeder selbst für einige Groschen bereiten kann. – Obschon ich dies in der Gartenlaube Jahrg. 1855. Nr. 47. deutlich genug auseinander gesetzt zu haben glaubte, so werde ich doch noch immer brieflich über die Laurentius’sche Kräftigungskur um Rath gefragt. Ich verbitte mir alles Ernstes derartige Briefe für die Folge.

Bock.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1858). Leipzig: Ernst Keil, 1858, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1858)_032.jpg&oldid=- (Version vom 20.4.2021)