Seite:Die Gartenlaube (1857) 718.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Wunde brachte mich in Zorn, ich warf meinen Hengst herum und schoß dem vordersten Indianer einen Schuß aus der gezogenen doppelläufigen Pistole, die ich bei mir führte, gerade in das Gesicht, so daß er zu Boden stürzte. Das Pferd des zweiten, der schon mit der Lanze zum Stoß nach mir ausholte, erhielt den zweiten Schuß in die Brust, so daß es wildschnaubend sich umdrehte und von seinem Reiter nicht mehr gebändigt werden konnte. Ich jagte nun wieder fort und bevor die vier bis fünf übrigen Indianer mich erreichen konnten, war ich in der Nähe von sechs meiner Gauchos, die mit ihren riesigen Wolfshunden, deren ich wohl an 12–14 Stück besitze, hier die Pferde hüteten. Die Indianer warteten nun unseren Angriff nicht ab, sondern wandten ihre Rosse und jagten über die Steppe zurück.

Der zweite Angriff war ungleich ernsthafter und geschah einige Monate, nachdem meine Frau schon die Hacienda mit mir bezogen hatte. Ich war aber jetzt schon mehr auf solche ungebetene Gaste vorbereitet und gab ihnen einen tüchtigen Empfang. Da es mein Grundsatz ist, wenn man einmal Ernst anwenden muß, dies auch gleich gehörig zu thun, so verfuhr ich gegen diese Indianer auch sehr entschieden, und hierbei kamen mir meine früheren artilleristischen Kenntnisse und Geschicklichkeiten wieder vortrefflich zu statten. Ich hatte mir nämlich um schweres Geld in Mendoza zwei kleine, alte Mörser, wie sie dort bei den häufigen Kirchenfesten gebraucht werden, und einige hundert Pfund Pulver, Schwefel, Salpeter und noch einige ähnliche Ingredienzien erkauft. Diese beiden Mörser stellte ich in passender Weise an meiner Verschanzung auf, und lud sie mit einer Art von Kartätschen, die ich nur, mühsam genug, aus alten Blechkesseln, Flintenkugeln und geschmolzenem Schwefel verfertigt hatte. Sebastopol hätte ich zwar mit diesen Geschossen nicht zusammenschießen können, gegen Indianer waren dieselben aber von großer Wirkung. Außerdem verfertigte ich mit Hülfe von Hansen, der ja auch früher einige Jahre bei der Artillerie gedient hatte, eine Art von großen Brandraketen, welche, besonders zwischen die Pferde geworfen, eine furchtbare Wirkung haben mußten.

Auf einem Platze an 800 Schritte von meiner Hacienda, auf dem aller Wahrscheinlichkeit nach die Indianer sich sammeln mußten, grub ich einige Flatterminen, mit 30–40 Pfund Pulver geladen, und legte in dem sehr trockenen Boden eine Zündwurst, die in Streifen von trockener Ochsenhaut genäht war, von dieser Mine bis in die Verschanzung an. Alle diese Arbeit kostete mir zwar Zeit, Mühe und Geld, aber da es das Leben der Meinigen zu schützen galt, so glaubte ich gar nicht vorsichtig genug sein zu können: der Erfolg zeigte auch bald, wie richtig ich hierin gehandelt hatte.

In einer sehr hellen und klaren Mondscheinnacht kam einer meiner Gauchos, der draußen bei den Heerden gewesen war, in vollem Galopp in die Umwallung meiner Hacienda gesprengt und meldete, daß ein Trupp von mindestens 200 berittenen Indianern gegen uns anziehe. Das war nun freilich eine böse Kunde, und nun galt es, sich gehörig zu vertheidigen. An waffenfähigen Männern hatte ich in meiner Hacienda neun erwachsene Gauchos, drei Handwerker aus Mendoza, unter denen ein früherer, alter spanischer Soldat, ein tüchtiger Bursche voller Courage, meinen Hansen und mich, zusammen also 14 Mann, und bei gehöriger Energie konnte dies schon genügen. Schnell wurden jetzt die beiden kleinen Mörser gehörig mit meiner angefertigten Kartätschenladung versehen und auf die zweckmäßigste Stelle, wo sie wahrscheinlich am Meisten wirken konnten, gebracht; ebenso legte ich mir 6–8 Raketen zurecht und brachte auch das Gestell zum Absäumen derselben vollends in Ordnung.

Eine große Freude hatte ich bei dieser Gelegenheit über das ruhige und muthige Benehmen meines geliebten Weibes, die auch nicht die mindeste Furcht äußerte, und sich so recht als die würdige Gattin eines deutschen Soldaten benahm. Ihre kleine hübsche Freundin war ungleich ängstlicher und die Erzählungen von den vielen Mädchen, welche die Indianer geraubt und dann für immer mit in ihre Wildniß geschleppt hatten, beunruhigten sie sehr, daß sie sogar in Weinen und Klagen ausbrach.

Als wir noch mit diesen Zurüstungen beschäftigt waren, die mit der allergrößten Eile geschahen, bemerkte der alte Spanier, daß drei Indianer, welche dem ganzen Haufen als Kundschafter dienten, auf dem Bauche wie die Schlangen an unsere Pallisadenreihe herankriechen wollten. Er legte sogleich meine deutsche Jagdbüchse, die ich ihm als Waffe gegeben hatte, an, drückte los und schoß den einen dieser Kerle mitten durch den Kopf, so daß er auf der Stelle todt da liegen blieb. Sein Gefährte, da er merkte, daß er entdeckt war, sprang eiligst auf und lief mit der Schnelligkeit eines Hirsches davon. Kaum fünf Minuten dauerte es nun, so kam denn auch die ganze Schaar der Indianer, mindestens 220–250 Mann stark, angesprengt. Da sie mit ihren Pferden gegen die Umschanzungen der Hacienda nichts ausrichten konnten, so saßen sie ungefähr 800 Schritte davon ab, banden ihre Thiere zusammen und ließen dieselben unter der Aufsicht von 20–30 Kerlen auf einem Platze stehen. Zu meiner großen Freude bemerkte ich, daß sie sich hierzu gerade den Ort, wo ich die Flatterminen angelegt hatte, aussuchten, der freilich seiner natürlichen Lage nach auch der günstigste für solche Aufstellung der Pferde war. Mit wildem Kriegsgeschrei stürzte jetzt der ganze Haufe dieser Indianer gegen die Pallisaden vor. Diese dunklen, kräftigen Gestalten, in der einen Hand ihre langen Lanzen oder auch ihre kurzen, aber sehr schweren und gefährlichen Streitäxte haltend, wie sie mit ihrem blutgierigen Kampfgeschrei gegen uns anstürmten, hatten wirklich etwas Dämonisches, was schwache Naturen leicht hätte zum Entsetzen bringen können. Jetzt aber gilt es, dachte ich, und verlor auch keinen Augenblick meine Kaltblütigkeit. An den einen Mörser hatte ich meinen Hansen, an den anderen den gewesenen spanischen Soldaten hingestellt, und Beiden streng befohlen, nur auf mein Commando zu schießen. Ungefähr 200 Schritte mochte der Haufe der Indianer, der in regelloser Linie vorstürzte, noch entfernt sein, da befahl ich „Feuer“, und zu gleicher Zeit schleuderten meine beiden kleinen Geschütze ihren Kartätschenhagel so recht mitten in den dicksten Haufen hinein. Eine furchtbare Wirkung hatten diese Schüsse gemacht und wohl an 30 Indianer lagen todt oder schwer verwundet am Boden, die Uebrigen stutzten einen Augenblick und wandten sich dann eiligst zur Flucht. Jetzt warf ich in großer Eile, mit Hülfe von Hansen, der zu mir lief, noch zwei große Brandraketen, mit einer Füllung, die, so gut ich es herzustellen vermochte, Ähnlichkeit mit der der Congreve’schen Raketen hatte, zwischen die Flüchtigen. Besonders die letzte Rakete traf gut, sie fuhr zischend und sengend so recht zwischen den Indianern umher, warf Einzelne derselben zu Boden und versengte Andern ihre nackte Haut so sehr, daß sie vor Schmerz furchtbar heulten und abwechselnd in die Luft sprangen oder sich auf der Erde wälzten. Jetzt legte der Spanier auch Feuer an die Zündwurst, die nach den Flatterminen führte. Eine derselben versagte, zwei Minen aber sprangen so recht mitten zwischen den Pferden in die Höhe, verwundeten mehrere Indianer und Rosse und trieben den ganzen Haufen in wilder Verwirrung weit auseinander.

Dies letzte Ereigniß, dessen Grund sie sich gar nicht zu erklären vermochten, vollendete vollends die Bestürzung der Indianer. Pferde und Menschen stürzten in eiligster Flucht, so schnell sie nur laufen konnten, über die Steppen und bald waren Alle unseren Augen gänzlich entschwunden. Als wir nach einiger Zeit uns aus unseren Verschanzungen auf die Wahlstätte hinausbegaben, fanden wir 22 todte, 15 schwer und 4 leicht verwundete Indianer und 17 todte und 40 verwundete Pferde, die noch zu gebrauchen waren. Bevor ich es zu hindern vermochte, tödteten meine blutgierigen Gauchos alle verwundeten Indianer bis auf drei, die ich ihren mordenden Händen entriß und in meine Wohnung zur Wiederherstellung tragen ließ. Am anderen Morgen fanden wir aber noch die Leichen von vier Gauchos, welche die Indianer draußen heim Hüten meiner Heerden überrascht und ihrer Gewohnheit nach auf sehr grausame Weise getödtet hatten; auch fehlten mir einige dreißig junge Pferde, wofür wir aber wieder mehrere verlaufene Indianer-Rosse mit dem Lasso einfingen, so daß mein Verlust in dieser Hinsicht reichlich ersetzt ward.

Die verwundeten Indianer pflegte ich sehr gut und behandelte sie mild, bis ich sie denn nach einigen Wochen zu den Ihrigen zurückkehren ließ. Vorher zeigte ich ihnen durch einige Schüsse noch so recht die Gewalt meiner Mörser und machte dann ein Feuerwerk mit zischenden Feuerrädern und ähnlichen Spielereien, zwischen denen ich zu ihrer großen Verwunderung ganz ungefährdet umher ging. Dies that, wie ich später erfuhr, seine gedachte Wirkung. Ich hieß bei den Indianern fortan „der Feuergeist“ und sie hatten eine so abergläubische Furcht vor mir bekommen, daß sicherlich Keiner von ihnen mich wieder beunruhigen wird. Bei den guten Bewohnern von Mendoza aber stehe ich durch diese energische

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 718. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_718.jpg&oldid=- (Version vom 27.12.2022)