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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

solchen Passage im Winter doch vor, und wir selbst verloren ein Maulthier, welches mit seiner hohen Ladung ausglitt und einen Abhang hinunterstürzte. Mit vieler Mühe wurden die Waaren der Ladung an zusammengebundenen Lassos wieder heraufgezogen; das arme Thier aber, was ganz zerschunden war, mußte getödtet werden.

Leugnen kann ich nicht, daß ich eine aufrichtige Freude hatte, als endlich nach mehreren ungemein anstrengenden Tagemärschen das eigentliche Hochgebirge der Cordilleren passirt war, und wir mehr in die Vorberge und dann bald auch nach Mendoza kamen. Es ist dies ein ungemein freundlich gelegenes kleines Städtchen, ganz von üppigen Feldern und blühenden Gärten umgeben, was sowohl auf mich, wie auch auf meinen ehrlichen Hansen, der beim Ritt über die Cordilleren gerade nicht in der besten Laune gewesen war, sogleich einen sehr wohlthuenden Eindruck machte. Die Hacienda meines Schwiegervaters, die jetzt ganz die meine ist, lag an sieben deutsche Meilen von Mendoza entfernt, ebenfalls in einer sehr fruchtbaren, freilich aber nicht sonderlich angebauten Gegend, denn mehrere tausend Morgen Acker sind noch niemals vom Pfluge berührt worden, und dienen blos zur Weide für die zahlreichen Rinder- und Pferdeheerden.

Die Hacienda ist groß und kann sehr viel eintragen, befand sich aber damals, als ich dieselbe zuerst besah, in einem sehr verwüsteten Zustande und ist auch jetzt noch lange nicht so behaglich eingerichtet, wie ich dieselbe mit der Zeit zu sehen hoffe. Das Wohnhaus war damals von einer streifenden Indianerhorde niedergebrannt worden, und unser erstes Geschäft mußte daher sein, uns eine neue Behausung zu bauen. Meine Frau, die ich wegen der vielen vortrefflichen Eigenschaften ihres Herzens und ihres stets munteren Sinnes immer lieber gewann, wollte zwar so lange in einer Erdhütte mit mir wohnen, bis wieder ein Wohnhaus aufgebaut war, allein ich wollte sie den vielen Beschwerden und auch Gefahren dieses Aufenthaltes – denn umherschweifende Indianerbanden machten die Gegend der Hacienda noch immer unsicher – nicht aussetzen. Ich bestand darauf, daß sie vorerst mit ihrem Vater, der jetzt auch immer zu kränkeln anfing, in Mendoza ihre Wohnung aufschlagen sollte, bis unser Haus wenigstens einigermaßen fertig sei. Sieben Meilen von seiner hübschen Frau entfernt zu wohnen, ist zwar für einen jungen Ehemann eine sehr unangenehme Sache, doch hier zu Lande, wo man die besten und ausdauerndsten Pferde im Ueberfluß hat, betrachtet man dies kaum als eine Entfernung. Für fünf Thaler nach preußischem Gelde kann man hier ein junges zweijähriges Pferd im Durchschnittswerth schon immer kaufen, und für 25–40 Thaler bekommt man schon ein ganz besonders gutes Reitpferd. Ich hatte auf einer Hacienda, die gerade auf dem halben Wege zwischen unserer Besitzung und Mendoza lag, stets 6–8 gutgerittene Hengste (Stuten reitet man hier niemals) auf der Weide, wofür ich dem Eigenthümer eine sehr geringe Entschädigung zahlte, und so konnte ich stets mit den Pferden wechseln und immer in vollem Galopp fortreiten. Länger wie zwei Stunden habe ich auf diesen Weg, von Mendoza bis nach meiner Hacienda, wenn ich allein ritt, niemals gebraucht, und mitunter, wenn ich besondere Eile hatte, ging es auch wohl noch etwas schneller. So besuchte ich denn mein Weibchen durchschnittlich wohl dreimal in der Woche, und wenn gerade recht heller Mondschein war, galoppirte ich mitunter noch des Abends hin nach Mendoza, und am andern Morgen in der Frühe wieder zurück. Man wird das Reiten in diesen Gegenden so gewohnt, daß man es kaum noch als eine Anstrengung betrachtet, und täglich 12–14 Meilen im Sattel zurückzulegen ist eine solche Kleinigkeit, daß man es nicht der Mühe werth hält, nur ein Wort darüber zu sprechen. Auch meine Frau, die, wie alle Töchter des hiesigen Landes, eine sehr kühne und unermüdliche Reiterin ist, besuchte mich sehr häufig zu Pferd, und es gewährte uns dann ein großes Vergnügen, wenn wir Beide auf unseren schnaubenden Rossen in vollem Galopp auf dieser schönen weiten Fläche, deren Hintergrund von der hohen Bergkette der Cordilleren so malerisch geschlossen war, dahin sprengen konnten.

Uebrigens war ich mit meinem Hansen ungemein thätig, und wir sparten wahrlich den Schweiß nicht, bis erst das neue Wohnhaus nothdürftig fertig stand. Wenn man an neun Jahre königlicher preußischer Artillerieofficier gewesen und während dieser Zeit auch ein Jahr bei den Pionieren Dienst gethan, wie es bei mir der Fall, so hat man Gelegenheit gehabt, gar manche nützliche Dinge zu erlernen, die einem auch als Besitzer einer Hacienda in Südamerika sehr zu statten kommen.

So hatte ich zufällig bei dem Bau eines Schuppens in der Festung Wesel die Fabrikation von Luft- oder Lehmziegeln gesehen, und da ein gutes Thonlager auf meiner Besitzung war, beschloß ich mein Haus von solchen Lehmsteinen, die an der Sonne getrocknet werden, zu erbauen. Die Sache ging anfänglich zwar schwierig, aber doch besser, als ich selbst gedacht hatte. Mein Hansen, seines Handwerkes ursprünglich ein gelernter Zimmermann, dabei aber so eine Art von Tausendkünstler, der in alle mögliche Handwerke hinein pfuschte, zimmerte Formen für die Lehmsteine; für Geld und gute Worte gelang es mir, in Mendoza einige 20–30 zwar sehr faule, dabei aber doch im Grunde gutwillige Arbeiter zu bekommen, ich schonte die Haut meiner Hände auch nicht, und so war denn bald eine förmliche Lehmfabrikation bei uns im Gange, und da die hiesige Sonne rasch trocknet, hatten wir in wenigen Wochen einen genügenden Vorrath ganz tauglicher und für das trockne Klima, das hier im Allgemeinen herrscht, passender Steine beisammen. Jetzt ward denn Hand an die Errichtung des Hauses gelegt, einige Maurer- und Zimmerleute kamen ebenfalls aus Mendoza, und innerhalb vier Wochen stand das ganze Gebäude fertig da. Es hatte nur ein Stockwerk, und glich von Außen mehr einem langen Stall, wie einem Landhause, genügte aber, wenigstens vor der Hand, für unsere Zwecke vollkommen; es war in den fünf von einander abgeschlossenen Zimmern, die es enthielt, auch geräumig genug, um meine Frau, deren Freundin, meinen Schwiegervater, Hansen und mich aufzunehmen. Viel Ansprüche an häusliche Bequemlichkeiten darf ich freilich noch nicht machen, und obschon ich der Besitzer zahlreicher Heerden bin, besteht das sämmtliche Mobiliar in allen unsern Zimmern nur aus glatt abgehobelten rohen Holztischen, Bänken und Schränken in der Art, wie es in Deutschland ein halbwegs geschickter Dorfzimmermann auch verfertigen kann. Zuerst das Nothwendige und dann das Schöne, ist mein Grundsatz, und verfolgt mich das Unglück nicht allzusehr, so hoffe ich schon in zehn Jahren ein Haus zu besitzen, das auch von außen und innen einem verwöhnten europäischen Auge genügen kann. Jetzt ist mein Haus noch mit Ochsenfellen gedeckt und auch die Wetterseite desselben ist zum Schutz mit großen Ochsenfellen überzogen, wie auch der Fußboden nur aus hartgeschlagenem Lehm besteht. Daß meine eingeborenen Leute, ungefähr 20 Gauchos, zum Theil mit Frauen und Kindern, noch viel schlechter wohnen, und ihre Häuser ganz den Bivouachütten, wie sich solche unsere Soldaten in Schleswig-Holstein erbauten, gleichen, ist eine Sache, die man hier zu Lande gar nicht anders kennt.

Da meine Hacienda den Angriffen der umherstreifenden Indianerbanden sehr ausgesetzt liegt, so umgab ich sogleich das Haus und einige Ställe, Schuppen und Hirtenhütten mit einem Erdwall von 6 Fuß Höhe und einem mit Pallisaden besetzten Graben. Ein Sebastopol habe ich zwar dadurch nicht errichtet, aber gegen diese berittenen Indianerbanden, die sehr wenige Feuergewehre besitzen, genügen diese Anstalten vollkommen und ich kann mich doch jetzt der Beruhigung hingeben, daß meine Frau und meine beiden Buben (zwei prächtige Zwillinge, die soeben jetzt mir an den Beinen hinaufkriechen wollen) nicht so ohne Weiteres der Mordlust dieser indianischen Banden preisgegeben sind. Zwei Mal habe ich bereits blutige Zusammentreffen mit denselben gehabt, das letzte Mal ihnen aber einen so kräftigen Empfang gegeben, daß die Lust zum Wiederkommen dem Gesindel hoffentlich für immer vergangen sein wird. Das erste Mal griffen mich 6–7 berittene Indianer an, als ich eines Tages ganz allein auf der äußersten Seite meiner weitausgedehnten Felder ritt, um nach einigen entlaufenen Rindern zu sehen. Es waren sehr stattliche Burschen, die auf ihren behenden Rossen wie angegossen saßen und mit ihren langen Lanzen, die sie sie sehr geschickt zu führen wissen, ganz gefährliche Feinde abgeben. Sicherlich wäre es mir auch schlecht ergangen, wenn ich nicht zufällig an diesem Tage mein bestes Roß, einen wegen seiner Schnelligkeit allgemein berühmten Hengst, geritten hätte.

So ließ ich denn mein Pferd ausstreichen, was es nur laufen konnte, und nur zwei der Indianer ritten so gute Thiere, daß sie wohl auf 30–40 Schritte weit in meine Nähe kamen. Jetzt warf Einer derselben mit der Lanze nach mir und verwundete mich mit der scharfen Spitze derselben ganz leicht am Schenkel. Diese

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