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tödten; er muß durchaus lebendig eingefangen und in sicherem Verwahrsam genau beobachtet werden, wenn über dessen Krank- oder Gesundsein geurtheilt werden soll. Es klingt ferner sehr unwissenschaftlich, wenn man in Berichten liest, daß die Richtigkeit der Annahme einer Wuthkrankheit beim Hunde durch die Section bestätigt worden sei.

Beim Menschen, der von einem tollen Hunde gebissen oder beleckt wurde, kündigt sich der Eintritt der Krankheit in der Regel zwischen der zweiten und fünften Woche, – wenn sie überhaupt ausbricht, was ja sehr oft trotz des Bisses eines wirklich tollen Hundes doch nicht der Fall ist, – häufig schon mehrere Tage vorher durch Veränderung in der gebissenen Stelle an. Die noch offene Wunde schmerzt, wulstet sich auf und klafft, wird bläulich und sondert eine dünne Jauche ab; die bereits vernarbte Wunde fängt wieder an zu schmerzen, zu schwellen, sich zu entzünden und eine bläuliche Farbe anzunehmen; sie bricht auch wohl wieder auf. Von der Wunde oder Narbe aus verbreiten sich die Schmerzen, oder Prickeln und Ziehen, oder ähnliche Empfindungen weiter hinauf in das Glied, zuweilen bis zum Nacken. – Mit diesen örtlichen Erscheinungen treten als Vorboten des eigentlichen Anfalles auch noch allgemeine auf, die dann auch später noch den Anfall begleiten. Es sind: eine unerklärliche Angst, Unruhe und Beklommenheit; veränderte Gemüthsstimmung, Mißmuth und erhöhte Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit; dabei gewöhnlich Abgeschlagenheit und Ermattung, unruhiger, durch schreckhafte Träume gestörter Schlaf, Schlaflosigkeit, allgemeines Unwohlbefinden; Kopfweh, Schwindel, Ohrensausen, herumziehende Schmerzen, leichtes Zucken in den Muskeln, Lichtscheu und verändertes Aussehen der Augen, heisere Sprache, Herzklopfen, Verdauungsbeschwerden. Schon frühzeitig findet sich eine Erschwerung des Schlingens und ein Gefühl von Zusammenziehen des Schlundes, besonders beim Hinunterschlucken flüssiger Dinge, ein; auch gesellt sich bisweilen Ziehen im Nacken hinzu, sowie ein Schaudern bei jedem Versuche zu trinken. – Diese Vorboten der Krankheit, welche manchmal von kurzer Dauer sind, bisweilen sich aber auch über mehrere Wochen erstrecken, fehlen nicht selten ganz oder sind so unbedeutend, daß sie übersehen oder für andere unwichtige Krankheitserscheinungen gehalten werden. Haben sie eine längere Dauer, dann steigern sie sich allmählich, zumal die Angst und Unruhe.

Der eigentliche Krankheitsanfall (das suribunde Stadium) bricht entweder plötzlich aus, wenn die genannten Vorboten fehlten, oder er geht aus diesen hervor. Er thut sich dadurch kund, daß, wenn der Kranke trinken will, ein Gefühl von Erwürgtwerden und Ersticken auftritt, was sich bei jeder Wiederholung des Trinkversuchs steigert und mit entsetzlich wachsender Angst verbindet. Ja nach einiger Zeit erweckt schon der Anblick des Wassers und anderer Flüssigkeiten, sogar glänzender Gegenstände, das Hören von Rauschen und Ausgießen des Wassers, das Anfächeln kühler Luft und das Berühren der Haut mit kalten und nassen Gegenständen, diesen Erstickungskrampf (d. i. die Wasserscheu). Später wird auch das Verschlucken fester Nahrungsmittel unmöglich; ebenso vermag der Kranke den reichlich abgesonderten Speichel, der ihm als Schaum vor den Mund tritt, und den er beständig um sich her spritzt, nicht zu schlucken. Bei diesen Schlund- und Kehlkrämpfen ist das Athmen kurz, ängstlich und seufzend, der Kranke eigenthümlich hastig und enorm aufgeregt. Bald erscheinen nun auch nach furchtbarem Angstgefühle wirkliche Wuthanfälle von etwa 10 bis 30 Minuten Dauer, wobei das Gesicht roth und aufgetrieben wird, die Augen hervortreten, unheimlich glänzen und wild rollen, die Miene wildängstlich ist, der Kranke phantasirt, tobt und schreit, bisweilen auch um sich speit und zu beißen sucht. – In der Zeit zwischen den Wuthanfällen ist der Kranke bei vollem Bewußtsein, verzweiflungsvoll, sucht sich zu tödten, warnt seine Umgebung, klagt über brennenden Schmerz in der Brust und über außerordentlichen Durst. Der Schlaf fehlt ganz. Die Anfälle wiederholen sich in immer kürzeren Zwischenräumen und dabei nimmt die Heftigkeit derselben fort und fort zu, zumal wenn Zwangsmittel angewendet werden. Endlich tritt Erschöpfung mit periodischem Aussetzen des Athems, Ohnmachten, Lähmungserscheinungen und zeitweiser Bewußtlosigkeit ein. Der Tod erfolgt schließlich, in einem oder wenigen (3 bis 6) Tagen nach dem Ausbruche der Krankheit, entweder ganz plötzlich oder in einem heftigen Anfalle von Zuckungen, bisweilen aber auch in der höchsten Erschöpfung ganz ruhig, selbst unter dem Scheine von Besserung, nachdem die Fähigkeit zu trinken wiedergekehrt war. – Kinder und Weiber zeigen sich bei der Hundswuth weniger ängstlich und tobsüchtig, als Männer, wahrscheinlich weil sie sich die Gefahr nicht so vorstellen können und ein schwächeres Nerven- und Muskelsystem haben. – Die Leichenöffnungen sind bis jetzt noch nicht im Stande gewesen, diese Krankheit zu enträthseln; es wird sehr oft nicht die geringste Abnormität gefunden. – Ebenso war die Behandlung der ausgebrochenen Hundswuth bis jetzt noch stets erfolglos; es dürften energische und fortgesetzte Chloroformeinathmungen dem Leidenden noch am besten thun. Alle Geheimmittel gegen die Hundswuth sind nichtsnutzige Charlatanerien, auch das isopathische Hydrophobin der Homöopathen nicht ausgenommen.

Wer nur einen Anfall der Hundswuth beim Menschen sah, wird sicherlich dem ganzen Hundegeschlechte den Krieg erklären, und für ganz enorme Hundesteuer, sowie für ein Verbot gegen das freie Umherlaufen der Hunde stimmen. Die Luxushunde müssen durchaus vermindert werden, da das Tragen von Maulkörben wohl auf der Straße, aber nicht im Hause, wo diese Körbe abgenommen werden, sichert, und die meisten Hundebesitzer ihren Hunden viel zu wenig Aufmerksamkeit schenken, um das Erkranken derselben gehörig bald zu bemerken. Schließlich aber nochmals den Rath: Hundebisse stets sofort tüchtig auszusaugen (s. vorige Nummer der Gartenlaube.)

Bock.




Edmund Hoefer.

Edmund Hoefer, einer der beliebtesten Novellisten der Neuzeit, wurde im Jahre 1819 zu Greifswald als Sohn des dortigen Senators und Stadtgerichts-Directors Justizrath Dr. Hoefer geboren. Die Liebe zur Natur erbte er von beiden Eltern, und da er dieselben schon in frühester Jugend auf größeren Reisen in das mittlere Deutschland und auf sich täglich wiederholenden Spaziergängen in der freundlichen Umgegend der Vaterstadt begleiten durfte, da überdies auf dem Lande lebende Verwandte und Bekannte bald tage-, bald wochenlang besucht wurden, so wuchs die Liebe immer mehr und schon der Knabe fand Gelegenheit, Feld, Wald und Meer mit ihren Producten, die Bewohner des Landes in ihren Sitten und Gebräuchen kennen zu lernen. Neben dieser Naturliebe beherrschte den Knaben eine unstillbare Lust an Lectüre und bald ein Drang zu eigenen poetischen Productionen, welche vom zwölften Lebensjahre an in ununterbrochener Reihe über ein Decennium lang entstanden. – Nach der üblichen Gymnasialbildung ging er 1839 zur Universität und studirte in der Vaterstadt, in Heidelberg und Berlin Philosophie und Geschichte. In diese Zeit fallen seine ersten Versuche, nebst den Versen auch prosaische Stücke zu schreiben, die jedoch ihm selbst am wenigsten genügten und daher stets auf die Seite gelegt wurden. An eine Veröffentlichung dachte er nicht. Und so viel und so vieles er las, stets kehrte er mit dem gleichen Drange und dem gleichen frischen Interesse zu Thukydides, Goethe und Lessing zurück und holte sich aus ihnen Kraft und Genügen. Dagegen trat Schiller, für den der Knabe geschwärmt und dessen Dramen und Gedichte er zum Theil auswendig gewußt hatte, nach und nach ganz in den Hintergrund, wie Edm. Hoefer auf dem dramatischen Felde denn auch niemals einen Versuch gemacht.

Im Jahre 1842 kehrte er nach Greifswald zurück, um bei dem dort stehenden Jägerbataillon sein freiwillig Jahr zu dienen und sich zu seiner weiteren Carrière vorzubereiten. Der letztern traten jedoch Krankheiten und häusliche Verhältnisse von Jahr zu Jahr hindernd in den Weg, und so geschah’s, daß er sich nach und nach ganz dem literarischen Fache zuwandte, welches er noch Jahre lang nach seinem ersten öffentlichen Auftreten nur als Nebensache betrachtete. Im Herbst 1844 schrieb er in zwei Vormittagen die erste Tambourgeschichtc: „Anno zweiundneunzig,“ und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 700. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_700.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2022)