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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Bilder aus der Slowakei.

1. Ein ungarisches Magnatenschloß.

Slowakei? Verlohnt sich’s wohl der Mühe, daß ein Schriftsteller Bilder aus einem Landstriche bringt, der mit der Cultur nichts mehr gemein hat, und wenn er’s doch thut, daß der Leser sie eines Blickes würdigt? Was kann’s aus solchem Barbarenlande Bildliches zu berichten geben? – So wird mancher Leser fragen. Es ist etwas an der Sache, aber sie ist bei weitem nicht so schlimm, als man sie sich vorstellt, so lange man das in Rede stehende Land noch nicht kennt. Freilich, Land und Leute gehören immer zusammen, und die Reize einer Gegend werden abgeschwächt durch die Rohheit ihrer Bewohner. Inzwischen lassen sich auch den Slowaken gute Seiten abgewinnen, wenn man nur den redlichen Willen und nicht Vorurtheile mitbringt. Ich wenigstens habe in der Slowakei viel mehr gefunden, als ich erwartet hatte.

Daß derjenige Theil von Oberungarn, welchen die Slowaken bewohnen, gerade den reizendsten Theil des schönen Kronlandes ausmacht, weiß Jeder, der Ungarn überhaupt kennt, und daß er noch nicht von Touristenschwärmen durchzogen wird, liegt wohl an den unwirthlichen Einrichtungen, allerdings nicht geeignet, Reisende, die den Comfort lieben, anzuziehen.

Einer der prächtigsten Punkte Oberungarns, auf welchem ich mich längere Zeit aufhielt, ist der Markt Freistadtl an der Waag mit seinem hohen freundlichen Bergschlosse gleichen Namens. Der slowakische Name des Orts und Schlosses ist Freystak, der magyarische Galgocz, und der letztere ist der officielle Name. Es ist in Deutschland wenig bekannt, daß bei weitem die meisten Orte in Oberungarn drei verschiedene Namen führen, einen deutschen, einen magyarischen und einen slavischen.

Schloß Freistadtl oder Galgocz.

Wenn die Waag, diesen ungezogene Kind der hohen Karpathen, ein eigenthümlich grotesker und capriciöser Fluß, der den Römern den bezeichnenden Namen des „Herumschweifers“ (vagus) verdankt, aus der hohen und engen Bergwelt mit ihren köstlichen Wundern herausgetreten ist und das letzte derselben, die pittoresken ungeheuern Ruinen des ehemaligen Königsschlosses Trentschin begrüßt hat, durchströmt sie bald das Gebiet der alten und reichen Grafen Erdödy, eines Magyarengeschlechts. Es ist ein recht artiges Stück Land, ein kleines Fürstenthum, das diese Familie besitzt, und es ist reich an fruchtbarem Ackerland und holztragenden Bergen, an fetten Viehtriften und üppigen Weinbergen, an Schlössern, Parken und Naturschönheiten aller Art. Man braucht nur an das niedliche wundernette Schloß Bohußlavitz mit seinem köstlichen Park, dem die unten vorbeirennende Waag manchen begehrlichen Gruß zuwirft – ein wahres Cabinetsstück von Landsitz, vom Grafen Anton Erdödy, General und Günstling der Kaiserin Maria Theresia, geschaffen – zu erinnern, man braucht nur von den heißen Quellen von Pösteny (Pöstyén, Pischtyan) zu sprechen, um sich des Reichthums und der Schönheit der Erdödy’schen Besitzungen bewußt zu werden.

Auch wenn die Waag aus dem Hochgebirg der Karpathen heraus ist, wird sie doch zu beiden Seiten von Bergzügen begleitet. Der zur Rechten entfernt sich weit und weiter von ihr, bis er sich zuletzt ganz von ihr abwendet und nach Preßburg im Westen hinüberzieht. Es sind die kleinen Karpathen, auch die „weißen Berge“ (vom Sand, aus welchem sie bestehen) genannt. Der Bergzug zur Linken bleibt dem Flusse treuer, obgleich er den Namen oft wechselt. Aber auch diese Sandsteinberge werden kleiner und kleiner, bis sie sich in der Ebene verflachen, durch welche die Waag langsam der Donau zuschleicht.

Einige Meilen vorher, ehe diese Berge aufhören, liegt auf der untersten Stufe einer dieser mäßigen, mit Wein und Feldfrüchten bepflanzten Höhen malerisch hingegossen der große Markt, dessen drei Namen ich bereits angegeben. Vom rechten Ufer des Flusses, wo in der Entfernung von einer halben Postmeile, Freistadtl gegenüber, die kleine, jetzt zum Zucht- und Strafhaus eingerichtete Festung Leopoldstadt liegt, und von der schiefen Ebene,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 629. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_629.jpg&oldid=- (Version vom 15.11.2022)