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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

geringste und unscheinbarste Erfindung, und sei’s nur eine „höhere Stiefelwichse“, aus- und durchgeführt mehr werth sei, als alle die Welt in den Himmel erhebenden Einfälle und Erfindungen des Kopfes.

Dies mag mit gewirkt haben. Wenigstens schreib’ ich diesem consequenten Abweisen aller Theorie zu Gunsten einer einzigen Praxis eine kleine Beihülfe zu seinem Entschlusse zu, etwas wirklich anzupacken und durchzusetzen. Er fing mit Herstellung der reinen Kohle zu festen, plastischen Körpern an und machte zuerst Schmelztiegel für chemische Zwecke daraus. (Chemiker und Gießer aller Art werden wissen, was diese allein für einen Werth haben.) Ehe er aber anfing, auf diesem Wege wirklich für den Markt zu fabriciren, sah er ein, daß die Kohle für Filtrirzwecke einen weiteren und wichtigeren Wirkungskreis habe. Er preßte also auf trocknem Wege Platten aus reiner Kohle, pichte diese in einen Glasbehälter mit einer Oeffnung unten und ließ das eingefüllte Wasser hindurchsickern. Es erwies sich reiner, als alles anderweitig filtrirte Wasser, er kam aber sofort auf eine große Verbesserung des filtrirenden Kohlenkörpers. Er preßte nämlich Kugeln mit einer Oeffnung davon. In diese Oeffnung befestigte er mit Kork eine Glasröhre, welche in der Oeffnung des Glasbehälters ebenfalls durch Kork befestigt ist und durch diesen hindurchgeht. Die Kugel bietet dem Wasser im kleinsten Raume den größten Flächenraum, so daß das Wasser – größtentheils in Folge des Capillaritätsgesetzes – von allen Seiten in die Kugel eindringt, um, hindurchgehend auf dem einzigen möglichen Wege, durch die Glasröhre, mechanisch und chemisch gereinigt abzufließen.

Filter A.

Die Kugel und die Glasröhre können leicht abgeschraubt und das Ganze mit Bequemlichkeit gereinigt werden. Der Vorzug vor der früher eingepichten Kohlenplatte ist. also deutlich genug. Das Ganze zeichnet sich durch Einfachheit, Klarheit und relative Vollkommenheit aus, so daß es nur eines Blickes auf den im Umrisse gegebenen Filter (A) bedarf, um ihn zu durchschauen. Der Glasbehälter steht auf einer Flasche, in welche das filtrirte Wasser (nöthigenfalls 20–30 Gallonen des Tages) einläuft. Ein Netzwerk von versilbertem Kupferdraht dient dazu, den Filter beliebig aufzuhängen. Da die Gestalt desselben in vielfacher Weise verschönert und zu Zimmerdecorationen ausgeschmückt werden kann (wie das bereits im Werke ist), haben wir mit der wohlthätigsten Bereicherung unserer häuslichen Apparate zugleich Aussicht zu einer schönen Zimmerdecoration, die leicht mit Springbrunnen, Aquarien, Wasserpflanzenflora u. s. w. combinirt werden kann.

Filter B.

Der Filter B zeigt noch eine zweite Kohlenkugel unten am Ende der Glasröhre, so daß das Wasser hier zum zweiten Male durchfiltern muß. Dies ist nur nöthig, wenn man einen hohen Grad von Weichheit und chemischer Reinheit des Wassers erzielen und es zugleich beträchtlich dabei abkühlen will. Das durch die untere Kugel absickernde Wasser verdunstet zum Theil, wodurch es dem abfließenden Wärme entzieht, also es abkühlt. Die einfachste und segensreichste Variation dieser Filtration durch Kohle ist die bloße, an einen Gummischlauch befestigte Kohlenkugel. Diese hat eine Oeffnung, in welche mit Kork eine Glasröhre eingefestigt wird. Ueber die Glasröhre wird das eine Ende eines Gummischlauchs gezogen und in das andere ebenfalls ein Stückchen Glasröhre eingeschoben. Nun kann man die Kohlenkugel in die schmutzigste Pfütze werfen und sich durch den Schlauch sofort voll des reinsten Wassers saugen. Mit der gewöhnlichsten Anstrengung des Saugens kann man so viel Wasser einziehen, daß man schlucken mag, bis der Durst gestillt ist. Das ist der Taschenfilter C, den man auf Reisen durch Wildnisse, bei den Armeen in Indien und auf weiten Märschen überall, wo nur eben Wasser ist, hervorziehen kann, um sich in reinem Wasser satt zu trinken.

Filter C.

Auch in Gasthöfen u. s. w. findet der civilisirte Reisende oft schlechtes Wasser. Er zieht seinen Taschenfilter hervor, wirft die Kohlenkugel in das unreine Wasser, saugt ihn an, wie einen Heber, und läßt dann das Wasser in ein Glas daneben übersickern, wie sich das Jeder leicht denken kann und es zum Ueberflusse noch in Figur D anschaulich gemacht wird. Das Wasser wird durch diese Filtration nicht nur reiner und gesünder, sondern auch weicher, so daß z. B. Erbsen (die so oft nicht weich kochen wollen), Fleisch, Gemüse u. s. w. viel leichter darin „gar“ werden.

Fig. D.

Auch spart man beim Wischen mit filtrirtem Wasser Seife, wie beim Thee- und Kaffeekochen Thee und Kaffee. Das natürliche Wasser enthält oft mineralische Bestandtheile, die sich beim Kochen an die Gegenstände darin ablagern und so z. B. die Theeblätter so schließen, daß sie lhr Aroma, ihr Theïn, nicht abgeben können (deshalb bleiben auch Erbsen hart).

Deshalb ist es gut, alles Wasser für den häuslichen Gebrauch zu filtriren. Zu diesem Zwecke macht Herr Bühring kreisförmige Röhren mit Löchern, in welche mit Glasröhren und Kork Kohlenkugeln befestigt werden, durch welche das Wasser in die Röhre und von da auf dem einzigen möglichen Wege durch einen geöffneten Hahn aus einem so versehenen Wasserhälter ausläuft. Wir geben eine Vorstellung von dieser Filtration im Großen (nöthigenfalls durch Tausende von Kugeln, die sehr wohlfeil sind, lange dauern und nach Ausbrennung immer wieder wie neu sind, also für ganze Wasserwerke und Städte) durch die Figur E. Die Wichtigkeit der Sache wird erst begriffen, wenn man sich klar macht,

Fig. E.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 593. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_593.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2022)