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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

müßte ich tiefer in’s Detail gehen; vielleicht aber wird es anschaulicher, wenn ich einige isolirte Thatsachen darlege.

Der Colonist, welcher in Amerika eine größere Plantagenanlage gründen will, muß im Besitz sehr bedeutender mechanischer und technischer Kenntnisse und Fertigkeiten sein, denn er muß alle Hülfsquellen bei sich haben und darf durchaus auf keine Hülfe rechnen. Er muß ein tüchtiger Architekt sein, um seine Wohngebäude, seine Fabrikgebäude, seine Oefen, seine Wasserleitungen ausführen zu können; er muß selbst Zimmermann, Tischler, Schmied, Töpfer, Böttcher, Gürtler, Sattler sein, um die verschiedenen nothwendigen Maschinen und Geräthschaften zu construiren und zu bauen zu wissen, er muß Alles selbst machen können, wenn er es gemacht zu haben wünscht; er muß ferner Landmesser sein, um bedeutende Nivellirungen für die Wasserleitungen vornehmen zu können, er muß agronomische Kenntnisse besitzen, um sich nicht durch Fehlgriffe im Gebrauch der Aecker zu ruiniren. Bedenkt man, welche Summen erforderlich sind, um Wohngebäude, Verkaufsstellen, Packhäuser, Zuckermühlen, Kochhäuser, Trockenhäuser, Raffinirhäuser, Branntweinbrennereien, Kalkbrennereien, Ziegeleien, Schmieden, Werkstätten, Wohnungen für die Arbeiter aufzuführen, und ferner, welche Summen zur Anschaffung aller Maschinenteile, der Ackerbau- und Handwerksgeräthe, so wie zu tausend andern Dingen beansprucht werden, dann wird man sich nicht darüber wundern, daß so viele Colonisten bei den ohnmächtigen Versuchen, große Zuckerplantagen in Amerika zu gründen, ruinirt wurden, da ihre Capitalkraft sich erschöpft zeigte, lange bevor sich eine Aussicht auf Ertrag eröffnete.

Eine Plantage, welche jährlich 20,000 Arroben Zucker producirt, beschäftigt beständig 200 Arbeiter, deren Arbeiten fest bestimmt sind. Einige besorgen die Dämme, Schleußen, Wasserleitungen, die Bewässerung der Felder, die Feldarbeit, Andere schlagen Brennholz für die Oefen, pflanzen das Zuckerrohr auf den neuen Feldern, kappen das Zuckerrohr, binden es und transportiern es zur Mühle, Andere präpariren den Zucker. Es ist deshalb kein Wunder, wenn die wöchentlichen Ausgaben für ein solches Personal sich zwischen 12 bis 1800 Thaler belaufen, welche jedoch zum größten Theil in die Casse des Plantagenbesitzers zurückkehren, da man auf den Plantagen Verkaufsstellen für alle Arten Waaren findet, deren Verkauf bedeutende Vortheile abwirft.

Hierauf müssen sich meine gegenwärtigen Mittheilungen über die Zuckercultur beschränken; doch kann ich nicht schließen, ohne vorher auf das ruhmwürdige Beispiel aufmerksam gemacht zu haben, das Mexico der Welt gegeben und wodurch es auf das Vollständigste bewiesen hat, daß es in Amerika möglich ist, das Zuckerrohr mit freien Händen zu bauen.

Lassen Sie uns hoffen, daß die Schande, zu welcher der Anbau dieser Pflanze durch das Aufkommen der Negersclaverei zuerst Veranlassung gab, bald aufhören möge, die weiße Bevölkerung Europa’s zu brandmarken, welche während so langer Zeit Repräsentant und Fürsprecher der Civilisation gewesen, die aber dennoch zu eigennützig war, um die Frucht derselben jenseits des Meeres auf den mißhandelten Afrikaner auszudehnen. Lassen Sie uns hoffen, daß die letzte Stunde der Negersclaverei bald werde geschlagen haben!




Die plastische Kohle
und deren Verwendung für wissenschaftliche, industrielle, Kunst- und Gesundheitszwecke.
Eine deutsche Erfindung aus London.

Zu den mancherlei Bedingungen der Gesundheit und Kraft Einzelner und ganzer Gegenden und Völker gehört auch das Wasser. Hippokrates stellte es unter diesen Bedingungen: gute Luft, Nahrung, Klima, Diät, Bewegung u. s. w. ganz oben an und sagte „ἄριστον μἑν ὔδωρ“ (das Beste ist das Wasser). Viele Krankheiten, besonders epidemische, werden in ihrem Ursprunge auf schlechtes Wasser, besonders auf gewisse Flußmündungen zurückgeführt, wo sich die meisten zersetzten und verfaulten vegetabilischen und thierischen Substanzen ablagern und in die Luft und das Trinkwasser zum Theil mit übergehen. In London war die Cholera stets am ärgsten, wo das schlechteste Wasser und die schlechtesten Wasserleitungen berüchtigt waren. Dasselbe ergab sich in andern Städten. Und ohne weitere Gelehrsamkeit ist es gewiß Jedem sofort durch sich selbst einleuchtend, daß reines Wasser besser ist, als schmutziges. Nur denken dabei Viele nicht an die große Wichtigkeit, die gutes, reines Wasser in allen Gesundheitssachen hat. Diese ist medicinisch, physiologisch und durch die Statistik tausendfach bewiesen. Daraus folgt, daß die künstliche Gewinnung guten reinen Wassers, da wo es nicht natürlich aus der Erde zu gewinnen ist, zu den wirklichen Lebensfragen ersten Ranges gehört, und jeder Schritt zur Vervollkommnung von Filtrir-Apparaten jedem Menschen Gelegenheit gibt, seine Gesundheit zu kräftigen und sein Leben zu verlängern. Die besten bisherigen Filtrir-Apparate lassen das Wasser durch Schichten von Sand und pulverisirter Kohle laufen, wodurch es zwar von groben schädlichen Bestandtheilen, aber nicht von chemisch darin aufgelösten Substanzen gereinigt wird. Der beste und kräftigste Filtrirer ist die Kohle; aber im pulverisirten Zustande läßt sie noch zu viele mechanisch und chemisch im Wasser aufgelöste Substanzen um ihre einzelnen Theilchen mit hindurchlaufen. Nur die feste, auf trocknem Wege ohne bindende Beimischung zu einem plastischen Körper zusammengedrückte Kohle – ein ungemein großer Gewinn für viele Sphären der Industrie und Wissenschaft – filtrirt das Wasser vollkommen nicht bloß mechanisch, sondern auch chemisch. Deshalb hat der Erfinder des Mittels, reine Kohle rein auf trocknem Wege als festen Körper darzustellen und in jede beliebige Form zu pressen, Herr Bühring in London, mit einem sehr gebildeten Dänen, Herrn Danchel, und englischem Capital seine ungemein ausdehnbare Erfindung zunächst auf Herstellung von Wasserfiltrir-Apparaten beschränkt, wovon wir hier eine Vorstellung geben wollen.

Der Erfinder ist ein Deutscher – wie fast alle Erfinder – aus dem Mecklenburgischen, der eine Zeit lang Mechanicus, Maschinenbauer bei Borsig in Berlin, communistisch Verschworner, durch John Prince Smith, Faucher und sonstige Apostel der Handelsfreiheit und ökonomischen Weltgesetze begeisterter Jünger der Handelsfreiheit, später technischer Leiter der berühmten dissolving views von Brill und Siegmund ward (sie zeigte zuerst die Geologie und die Geschichte der Schöpfung in großen populären Wandelbildern und Vorträgen) und noch 1850 von Hamburg ausgewiesen, seine Zuflucht nach London nahm. Hier arbeitete er als Mechaniker eine Zeit lang mit dem früher schon erwähnten Erfinder des Lichtes aus Wasser, F. Puls aus Schlesien, dessen Irrthümer und oberflächliche Kenntnisse er zuerst einsah, so daß er, obgleich das Licht aus Wasser schon tageshell brannte, doch immer behauptete, es werde bald wieder auf immer verlöschen, wie es auch geschehen zu sein scheint. (Das Nähere hierüber gehört nicht hierher.) Bald machte er sich den Engländern in Discussionsclubs u. s. w. durch sein schlechtes, rapid gesprochenes Englisch und durch seine Haare zu Berge treibende, rücksichtslose Wahrheitsliebe furchtbar, mir aber ward er ein langjähriger Freund, dessen hoher Stirn und blauen Augen über einem gewaltigen Urwaldsbarte ich manche geistreiche Stunde, manche originelle Ansicht, manchen tiefen, richtigen Gedanken, manches erfrischende Sturzbad eigensten Denkens und nervös lebhaften, durchweg originellen Fühlens verdanke. Er ist dabei der nobelste, feinfühlendste Mensch, spricht aber und sieht oft aus wie ein Menschenfresser. Er sieht alle Dinge mit seinen eigenen Augen und wirft diese seine eigenste Ansicht Jedem mit cascadenartigem Sprudel in’s Gesicht. Dabei läßt er’s manchmal Maculatur regnen, aber nie lange: er kehrt immer bald wieder zu gut Durchdachtem und reichem Wissen zurück. Er behauptet, nie eigentlich etwas gelernt zu haben, weiß aber mehr, als mancher Gelehrter, ganz besonders in der Naturwissenschaft, der er mit starker Faust und geschickter Hand eben so sehr zu dienen weiß, wie aus seiner nie ruhenden, hohen Stirn, aus der stets Erfindungen[WS 1] hervorstürzen, wie aus einem Füllhorne. Zuletzt ließ ich ihn damit gar nicht mehr zu Worte kommen, und brach ihm jede Erfindung mitten im Munde mit dem Bemerken entzwei, daß die

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Erfindundungen
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_592.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2022)