Seite:Die Gartenlaube (1857) 590.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Engländern gesäete und gepflegte Bestialität brach nun über sie und ihre Weiber und Kinder aus.

Nena Sahib vertilgte nicht nur alles englische Leben, dessen er habhaft werden konnte, sondern erließ auch eine Proclamation, durch welche er alle Indier auffordert, zum Schutze der Religion alles Englische in Indien zu vertilgen, wie Gott schon angefangen, es zu thun. Die Engländer hätten die Absicht, die Indier zum Christenthume zu zwingen. – Das hassen sie mit dem tiefsten Ingrimm, da sie das Christenthum nur durch Engländer kennen gelernt haben, als Wortbruch, Raub, Tortur, Verwandelung blühender Länder in Wüsten und Einöden.

Wie sie säeten, so ernten sie.

Nena Sahib ist ein Spitz- oder vielmehr Kindesname des Mannes, der eigentlich Sreenath heißt und in Briefen „Mahradschah Sreenath Bahaduur“ adressirt wird. Er gehört zu der tapfersten Race der indischen Bevölkerung, den Mahratten, und zur höchsten Kaste der Gesellschaft, den Brahminen. Das Fleckchen auf der Stirn, der Tilluk, ein Stückchen weißer Thon von der Dicke einer Oblate, von einem geistlichen Brahminen aufgeklebt, ist das Zeichen ersten gesellschaftlichen Ranges. Von ebenfalls religiöser, socialer Bedeutung ist der rothe Fleck auf der linken Seite des schneeweißen Muslinkleides, dessen speciellen Sinn wir aber nicht angegeben fanden. Wir wissen überhaupt nichts Gescheidtes von Indien und den Indiern, um deren Sinn und Denken, um deren Wohl und Wehe sich die Engländer nie bekümmerten. Sie nahmen ihnen blos Land und Geld und die Möglichkeit eigener Entwickelung ab, ohne je an die „beste Politik“ zu denken.

Die Früchte einer Drachensaat reifen, wie dies in der moralischen und materiellen Welt mit unabweisbarer Nothwendigkeit geschieht. Unsinn ist es, in dem Processe einer so Gericht haltenden Nemesis Partei zu nehmen. Die Indier waren eine despotisch zerrüttete Bevölkerung, die erobert werden mußte. Daß die Engländer sie noch mehr verwahrlosten, war eben eine Thätigkeit, durch welche Demoralisation und Entmenschlichung auf beiden Seiten so weit ausgebildet wurden, daß sich nur durch Auswerfen des Giftes aus beiden Lagern ein neuer gesunder Zustand vorbereiten kann.




Das Zuckerrohr, sein Anbau und seine Bearbeitung.
(Schluß.)
Bereitung des Roh- und weißen Zuckers. – Das Stampfen des Zuckers in feste Formen. – Die Feinde des Zuckerrohrs. – Die Ausbeute der Felder. – Das ostindische Rohr. – Der Abwurf einer Zuckerplantage. – Was zur Anlage einer Plantage nöthig ist. – Die Negersclaverei.

Der Zuckersaft läuft in einer Rinne von der Mühle aus in die Kessel des Kochhauses, und zwar jedesmal, wenn so viel Saft ausgepreßt worden ist, als einen Kessel füllt. Hier wird der Saft unaufhörlich gekocht, da er sehr schnell in Gährung übergeht. Während des heftigen Kochens wird Kalkwasser oder Aschenlauge zugesetzt, um jegliche Säure zu sättigen; der kochende Saft wird beständig abgeschäumt, und wenn er seine bestimmte Consistenz erhalten hat, wird er ausgefüllt. Die oben erwähnten 3400 Kannen Saft, welche täglich gepreßt werden, geben, hinreichend eingekocht, 3780 Pfund Melado. Wenn man aus diesem Rohzucker bereiten will, so wird die heiße Masse in große hölzerne Näpfe von zwei Ellen Diameter gefüllt, wo sie unter beständigem Umrühren langsam abkühlt, und auf diese Weise wird der Rohrzucker und der Schleimzucker in genaue Verbindung gebracht; ist die Masse hinreichend abgekühlt, so wird sie in kegelförmige hölzerne Formen von 5 Zoll Tiefe und 3 Zoll Diameter gefüllt, und erstarrt hier schnell zu einem braunen, harten Rohzucker, der in Amerika den Namen Panela führt. Zwei und zwei dieser Zuckerkegel werden mit Stroh umwickelt, und später unter dem Namen ein Hut Zucker verkauft.

Soll dagegen weißer Zucker aus dem Melado bereitet werden, so wird er in große umgekehrt konische, unten durchbohrte Thonformen gefüllt, unter welche man runde Thonbottiche zum Aufsammeln des ablaufenden Syrups stellt. Die obengenannten 3780 Pfund Melado geben 1000 Pfund weißen Zucker; der Rest läuft allmählich als schlechter Syrup ab. Von diesem Syrup werden 500 Pfund zur Destillation eines Barils (90 Flaschen) Zuckerbranntwein verbraucht; vom Melado, aus welchem der Rohrzucker nicht ausgeschieden ist, werden zu derselben Quantität nur 350 Pfund gebraucht. Es wird bemerkt, daß der gewonnene Branntwein 29–30 Grad stark ist.

Im Zuckerhause ist ein erster und zweiter Zuckermeister, ferner sind mehrere Gehülfen und zwei Heizer beschäftigt. Vom Kochhause werden die Zuckerformen, sobald der Zucker erstarrt ist, in das sogenannte Raffinirhaus hinübergebracht, wo der Syrup allmählich von dem krystallisirten Zucker abläuft. Nach Verlauf von drei Tagen wird die oberste Schicht von den Formen abgenommen, wo sich alle schleimigen und vegetabilischen Theile angesammelt haben; der Zucker wird fest in die Form gestampft, und der leere Raum mit Melado angefüllt. Zwei Tage später gibt man die erste Thonbedeckung, die aus einem steifen Thonteig besteht, der über den Zucker kommt, damit die Feuchtigkeit des Zuckers den Thon langsam durchsickert, den Syrup auflöst, welcher sich zwischen den Zuckerkrystallen eingeschlossen befindet, und denselben zum Abfließen bringt. Wie viele Thonbedeckungen man allmählich geben soll, das hängt ganz von der Weiße ab, die man dem Zucker zu geben wünscht. Gewöhnlich beschränkt man sich in Amerika auf zwei bis drei Thonschichten, weil man dort keinen so großen Werth auf weißen Zucker legt. Nachdem der Zucker auf diese Weise während 8–12 Tagen gereinigt ist, wird der Thon fortgenommen; die Formen werden drei bis vier Tage an die Sonne gestellt, um zu trocknen, worauf die Hüte aus den Formen genommen werden; und wenn diese wiederum einige Tage in der Sonne gestanden haben, um zu bleichen, so bringt man sie in stark erhitzte Trockenhäuser, wo sie acht Tage bleiben, und der Zucker ist dann fertig. Der auf diese Weise bereitete Zucker ist weiß mit großen glänzenden Krystallen im Bruch, löst sich aber langsam auf. Die Hüte wiegen gewöhnlich 25 spanische Pfund.

Im December und Januar blüht das Zuckerrohr, doch ist dies nicht in jedem Jahre der Fall, sondern gewöhnlich nur jedes dritte oder vierte Jahr; man hält es für ein schlechtes Zeichen, und es führt gewöhnlich Verlust für den Plantagenbesitzer herbei. Besondere klimatische Verhältnisse befördern das Blühen des Zuckerrohrs. Wenn der October- und November-Monat feucht gewesen sind, und December und Januar darauf warme Witterung mit sich führen, so sieht man, wie sich mit einem Male alle Zuckerfelder mit feinen, silberglänzenden, wehenden Fiederfahnen bedecken. Die Erfahrung hat gelehrt, daß auch andere Verhältnisse das Blühen befördern. Je wärmer im Allgemeinen das Klima ist, um so häufiger tritt es ein. Im thonhaltigen Boden blüht das Rohr leichter, als in Dammerde; reifes Rohr blüht schwerer, als junges grünes; in einzelnen Jahren sieht man sogar Rohr blühen, das sechs bis sieben Monate alt ist. Mit dem Blühen ist das Wachsen des Rohres vorbei, und von dem Augenblick an, in welchem sich Blumenbüschel gezeigt haben, verliert das Rohr beständig an Zuckergehalt, indem die Pflanze nun einen Theil ihrer überflüssigen Nahrung (den Zucker) zum Bedarf für die Blume und die Fruchtbildung umbilden muß. Das blühende Zuckerfeld muß deshalb sogleich gekappt werden, ungeachtet man oft von einem solchen nur den dritten Theil derjenigen Ausbeute an Zucker erhält, welche das reife Rohr geliefert haben würde. Wird das Rohr nicht gekappt, so schießt es in eine Menge Seitenschüsse aus, welche allmählich allen Zucker verzehren, und die ganze Zuckerpflanze stirbt darauf ab, während die abgehauene im Gegentheil regenerirt wird, und zehn bis zwölf Jahre lebt.

Das Zuckerrohr hat viele Feinde, von den schlimmsten wollen wir einen Wurm nennen, der in den untersten Knoten entwickelt wird, das Rohr durchbohrt und vernichtet; Rüsselbären, Waschbären, Affen, alle Arten Papageien sind wahre Vernichter der Zuckerfelder; ein maulwurfartiges Thier, Tupa, untergräbt das Zuckerrohr, nagt die feinen Wurzeln ab, und tödtet es auf diese Weise. Die Ameisen bauen gern ihre großen Haufen auf den warmen und dennoch schattigen reinen Zuckerfeldern, aber die starke Hitze,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_590.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2022)