Seite:Die Gartenlaube (1857) 564.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

schweres Eiseninstrument mit einem Schafte, auf der einen Seite eine Axt, auf der andern eine Hacke darstellend und auf diese Weise also gleichzeitig dazu geeignet, Baumwurzeln zu durchhauen und den Boden aufzugraben. Das andere Instrument wird Tencole genannt und ist ein kurzschaftiges, axtartiges Krummmesser zum Kappen des Buschwerks, zum Reinigen des Zuckerrohrfeldes u. dgl. dienlich. In den innern Theilen Mexico’s, wo das Zuckerrohr gefunden wird und wo das Land waldfrei, während der Boden sehr steinig ist, wird ein Ackerbaugeräth gebraucht, das man Coa nennt, ein halbmondförmiger Spaten, der sich gut dazu eignet, die Erde zwischen den Steinen aufzugraben und sie an den Seiten aufzuwerfen. Zu denjenigen Waldgegenden, wo das Zuckerrohr bereits seit längerer Zeit gebaut wird und wo der Wald zur Anlage neuer Zuckerrohrfelder niedergehalten wird, wird er nicht ohne Weiteres niedergebrannt, sondern die Bäume werden zerschlagen und alsdann auf Mauleseln in das Zuckerhaus transportirt. Der Verbrauch des Brennholzes auf einer Zuckerplantage ist nämlich sehr bedeutend; auf einer Plantage, welche 20,000 Arrobas[1] Zucker producirt, werden unter den Kesseln und in den Trockenhäusern 4–6000 Faden Holz jährlich verbraucht.

Nachdem das Land gerodet ist, werden die Furchen angezeichnet, welche mit einem scharfen Instrument geöffnet werden sollen, man nennt diese Operation rayar. Die Furchen werden darauf geöffnet und acht Zoll tief, so wie am Boden sechs Zoll breit gemacht und in einem Abstande von 3 bis 41/2 Fuß, je nach der Beschaffenheit des Bodens, parallel gezogen. In diese Furchen werden abgehauene Stücke Zuckerrohrs (semilla) 1/2 Elle lang der Länge nach so gelegt, daß zwei Stücke einander gegenüber an den äußersten Rand der Furche gelegt werden, und ein drittes Stück

legt man in die Mitte zwischen das vorhergehende und nachfolgende Seitenpaar. Man nimmt zum Anpflanzen am liebsten das halbreife Rohr, weil es saftiger ist und sich länger in der Erde bei eintretender Dürre vor dem Keimen hält; oder auch die abgehauenen Spitzen des Zuckerrohrs, die man sonst nur zu Grünfutter gebraucht, weil sie nicht viel Zucker enthalten. Bei einem Besuche auf einer Zuckerrohrplantage in Matlaluca bei Don Gabriel Torrens erinnere ich mich, vorzügliche Felder mit Otaheitirohr gesehen zu haben, das auf die einfachste und billigste Weise von der Welt gepflanzt worden war, indem die Rohrstücke schräg in Löcher hineingebracht wären, die man mit einem spitzen Pfahl in Entfernung von einer Elle in den Boden gesteckt hatte. Doch nur da, wo der Erdboden sehr reich und das Klima feucht ist, kann diese einfache Methode mit Glück angewandt werden.

Auf einigen Stellen wird die sogenannte peruanische Zuckerpflanzungsmethode angewandt, nach welcher das Rohr horizontal und gleichsam in Radien in sogenannten Ollas (Töpfen oder Gruben), die mit passenden Zwischenräumen und von 11/2 Ellen Diameter gegraben werden, niedergelegt wird.

Nachdem das Rohr in die Furchen oder in die Gruben niedergelegt worden ist, wird es mit zwei Zoll Erde bedeckt, und es richtet sich dann nach der Feuchtigkeit der Regenzeit, wie schnell die jungen Schüsse hervorkommen. Die Regenzeit ist unleugbar die beste Jahreszeit zum Pflanzen des Zuckerrohrs, und in dieser Zeit liegt das Rohr selten länger als 20 bis 29 Tage in der Erde, bis es zu keimen beginnt; man kann indessen ohne Risico Zuckerrohr zu jeder Jahreszeit pflanzen, nur liegt es dann zuweilen 8 bis 10 Wochen in der Erde, bevor es keimt. Gleich nachdem das Feld von den feinhervorschießenden Zuckerrohrhalmen grün geworden ist, wird es sorgfältig von allem Unkraut gereinigt, und etwas lose Erde wird mit der Hacke um das Rohr aufgehäuft. Jeden zweiten Monat oder je nach den Umständen wird diese Reinigung wiederholt, und jedesmal wird dann zugleich etwas mehr Erde gegeben, so daß die früheren Furchen nach 4 bis 5 Reinigungen eben so viele Erhöhungen darstellen. Das Zuckerrohr wächst besonders in der Regenzeit, entwickelt aber nicht vielen Zucker; während der trockenen Jahreszeit ist die Entwickelung in die Länge unbedeutend, aber das während der Regenzeit gebildete, saftige, grüne Rohr reift nach, und die Zuckerausscheidung geht reichlicher vor sich. Die während der trockenen Jahreszeit gebildeten Glieder sind kürzer und holziger, die Knoten härter und dicker, die Zwischenglieder dagegen besonders zuckerhaltig.

Das Otaheitirohr erfordert im Allgemeinen 18 bis 22 Monate, um zur Reife zu gelangen, doch gibt es so glückliche locale und klimatische Verhältnisse, unter denen es nicht mehr als 11 bis 12 Monate bedarf, um bis zur Vollkommenheit zu gedeihen. Die Reife des Rohres erkennt man an mehreren sichern Zeichen. Die Blätter verwelken von unten nach der Spitze zu, das Rohr nimmt eine canariengelbe Farbe an, welche an der Sonnenseite selbst ins Röthliche spielt; das abgehauene Rohr, während mehrerer Tage in die Sonne gelegt, schrumpft weder zusammen noch bekommt es Spalten. Das untrüglichste Zeichen gibt indessen die Probe über den Zuckergehalt des Rohrs im Kochhause. Mit dem Aërometer geprüft, zeigt nämlich der Saft des völligreifen Rohres 111/2 bis 14°, während der des unreifen Rohres höchstens 10 bis 11° zeigt.

Der Unterschied im Product ist beinahe unglaublich. 420 Kannen Saft aus reifem Rohr geben 450 bis 500 Pfund Melado[2] von 37 bis 38° dem specifischen Gewicht nach; dieselbe Quantität Saft aus unreifem oder verkrüppeltem Rohr gibt im günstigsten Falle 350 bis 400 Pfund. Außer dem Nachtheil, welchen man in der Ausbeute hat, wenn das Rohr zu früh geschlagen wird, kommt noch hinzu, daß der Melado aus reifem Rohr, nachdem er kalt geworden, viel dicker ist und sich während mehrerer Monate hält, wogegen der aus unreifem Rohr dünn wird und sehr leicht in saure Gährung übergeht.

Das Zuckerrohr wird mit krummen Messern dicht über der Wurzel geschlagen, die Blätter werden abgestreift, und die Spitze gekappt, welche Theile man zum Füttern, zum Dachdecken, oder auch die letzteren, wie bereits angeführt, zum Pflanzen verwendet. Das Rohr wird darauf in Bündel zu 25 Stück zusammengeschnürt, nachdem das ungewöhnlich lange Rohr durchhauen worden ist, um den Transport zu erleichtern, derselbe wird vermittelst Maulthieren oder auf Karren zur Mühle bewerkstelligt. Die Länge des reifen Zuckerrohrs ist äußerst verschieden, von 6 bis 20 Fuß; als Mittellänge kann indeß 10 bis 12 Fuß angegeben werden.

Die Zuckermühlen sind in Amerika von sehr verschiedner Construction, und wir können hier nicht auf die nähere Beschreibung derselben eingehen. Es mag genügen, wenn wir anführen, daß man alle Formen findet, die einfachen und äußerst unvollkommenen altindianischen Handmühlen[3], die plumpen spanischen Mühlen mit Holzwalzen, welche durch Hülfe von Ochsen oder Maulthieren bewegt werden, die verbesserten amerikanischen mit horizontalen oder perpendiculairen Metallwalzen, oberschlächtige und unterschlächtige Wassermühlen, sowie auch die vorzüglichsten Dampfmühlen. – Eine Zuckermühle mit drei Walzen, welche von acht Maulthieren in Bewegung gesetzt wird, und acht bis zehn Stunden arbeitet, kann 7500 Stück Rohr auspressen, die hundert Barilen Saft (Caldo), gleich 3400 Kannen, geben. Diese 7500 Stück Rohr wachsen auf einem Terrain, welches 24 Furchen der Zuckerpflanzung, eine jede von 90 Ellen Länge, enthält.

In der Zuckermühle sind zwei Trapicheros damit beschäftigt, das Rohr nach den Walzen zu tragen; bei diesen sind zwei Metedores so hingestellt, daß der eine das Rohr zwischen die Walzen steckt, während der andere das zerquetschte Rohr auf der entgegengesetzten Seite in Empfang nimmt, das wiederum durch die obersten Walzen gebracht wird, worauf es der vorderste Metedor empfängt und als ausgepreßt fortwirft. Zwei Bargasseros tragen das ausgepreßte Rohr aus der Mühle und zwei Arrieros treiben die Maulthiere, welche zu vier und vier im Geschirr gehen. In den waldlosen Gegenden wird das ausgepreßte Rohr zum Zuckerkochen benutzt und liefert gerade die nothwendige Quantität Feuerung zum Kochen der Saftmasse, die aus derselben gepreßt wurde. Um das zerquetschte Rohr auszubreiten und zu trocknen, sind dann noch zwei Volteadores nothwendig.

(Schluß folgt.)



  1. Eine Arroba sind 25 spanische Pfund.
  2. Melado ist der stark eingekochte Zuckersaft, woraus die corrumpirten creolisch-englischen Benennungen Malassa und Molasses entstanden sind.
  3. Damit man sich nicht darüber wundere, daß ich der Zuckermühlen bei den alten Indianern erwähne, nachdem ich vorhin gesagt, daß das Zuckerrohr erst mit den Europäern nach Amerika gekommen ist, muß ich bemerken, daß die alten Mexicaner seit Jahrhunderten vor Ankunft der Spanier den Zucker kannten und zubereiteten, jedoch nicht aus dem Zuckerrohr, sondern aus Maisstroh, Ohne Kenntniß der Pflanzenphysiologie und Pflanzenchemie hatte die Erfahrung sie gelehrt, diejenigen Resultate zu benutzen, welche die Wissenschaft den Europäern erst kürzlich geboten hat. Indem sie nämlich die Spitze und die Blüthenkolben von dem Mais abbrachen, zwangen sie denselben, in dem Zuckerstadium zu bleiben, und sie verwandelten also eine mehlliefernde Kornart in ein zuckerhaltiges Rohr, dessen Saft ebenso, wie der des Zuckerrohrs, ausgepreßt wurde.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 564. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_564.jpg&oldid=- (Version vom 21.10.2022)