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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

auf der andern Seite auch Adam und Eva, von allerlei seltsam gestaltetem Gethier umgeben. Wer aber beschreibt seinen Zorn und Schrecken, als nach Vollendung des Kunstwerks der Goldschmied ihm schalkhaft lächelnd sagte, daß seine junge Frau ihm selbsten danken solle nach der Hochzeit, die er in acht Tagen zu halten gedenke, und zu welcher er ihn freundlichst einlade. Natürlich wartete der Martin von Hemskerk nicht so lange, sondern zog noch in derselben Woche in das Haus eines andern Goldschmieds, Jen Cornelis, eines tief betrübten Wittwers, der erst eben sein Weib begraben. Hier fand er Ruhe, freilich nur in seiner Werkstatt.

Auf den Straßen nämlich liebten es die Mägdelein, den weiberscheuen Maler weidlich zu necken. Sie faßten sich in langen Reihen unter die Arme und versperrten ihm kichernd den Weg, sie sammelten sich an den Brunnen und bespritzten ihn mit Wasser, wenn er vorüberging, sie drängten sich an den Kirchthüren zu ihm, daß er ihnen das Weihwasser reichen mußte. Es war immer ein helles Lachen und ein liebliches Flüstern hinter ihm her. Gar Manche bedauerte aber doch im Stillen, daß gerade dieser hübsche stattliche Mann ein so seltsamer Weiberfeind war, und hätte ihn für ihr Leben gern bekehrt.

Mittlerweile verbeitete sich sein Ruhm im Lande. Die Natur und Wahrheit, die Anmuth, das Leben und der Glanz seines Pinsels erweckten laute Bewunderung. Man stellte die Gebilde, die aus seinen fleißigen Händen hervorgingen, den herrlichsten Schöpfungen der Gebrüder van Eyck zur Seite. Aber nun standen Viele auf, die dem Meister so lange vorredeten, er solle und müsse sich in Rom die rechte Weihe holen, von den Schülern eines Rafael und Tizian, daß er sich endlich, erst in seinem vierunddreißigsten Jahre, entschloß, die Reise in das gelobte Land der Künste zu unternehmen.

Diesmal wurde ihm das Auswandern nicht so schwer, als damals, wie er von Hemskerken nach Delft zog. Er ließ sich ein stattliches, obwohl lammfrommes Roß satteln und ein Diener, ebenfalls zu Pferde, sollte ihn begleiten. Da ließ sich schon gut reisen. Auch hatte man ihm auf seine angelegentlichen Erkundigungen versichert, daß in Italien die Hunde bei weitem nicht so gefährlich seien, als hier zu Lande, und wegen der großen Hitze fast immer schlafend anzutreffen wären. Wegen der Räuber konnte man ihm weniger guten Trost geben; aber sein Diener war ja bis an die Zähne bewaffnet, und zu Roß ließ sich’s auch flinker das Weite suchen, als zu Fuß. Auch vor den bildschönen Weibern hatte man ihn gewarnt; er nahm sich vor, nur bei Nachtzeit seine Werkstatt zu verlassen, und immer nur zu reiten.

Ehe er Harlem verließ, malte er ein großes Bild, das er der Malergilde daselbst zum Andenken schenkte. Es stellte den Apostel und Schutzheiligen der Maler, den heiligen Lucas vor, wie er die göttliche Jungfrau mit dem Christuskinde abmalt. Die himmlische Maria hält einen reichen Teppich auf ihren Knieen und darauf sitzt das holdselige Jesuskind. Die Palette des heiligen Lucas war insbesondere so täuschend gemalt, daß man meinte, sie rage aus dem Bilde vor, und man müsse sie ihm abnehmen.

Die Köpfe und Gestalten waren voller Schönheit und Leben, der Faltenwurf so trefflich und die Farbenpracht so leuchtend, daß Alles herbeiströmte von nah und fern, um das Meisterwerk und den Schöpfer desselben zu preisen. Martin von Hemskerk aber führte seine alte halbblinde Mutter vor das Bild, die, von ihm versorgt, schon seit Jahren ein gemächliches Leben führte; der Vater konnte es freilich nicht sehen, der schlief schon lange seinen Zorn über den davongelaufenen Sohn in der kühlen Erde aus. Das Schluchzen der alten Frau, ihr stummes, fast anbetendes Händefalten vor dem Werk ihres Sohnes, das ihr doch nur wie ein wirres Farbenmeer vor den blöden Augen zitterte, däuchte ihm köstlicher als das begeistertste Lob aller seiner Freunde und Kunstgenossen.

In der alten heiligen Stadt Rom ging der schlichte Martin von Hemskerk umher wie im Traume. Alles blendete und verwirrte ihn. – Mit glühendem Eifer warf er sich auf das Studium der Antike, lebte wie ein Einsiedler, kümmerte sich um keinen seiner Landsleute, die allda lebten und malten, und nahm an keinem ihrer Feste und Lustgelage Theil, aus Furcht, Zeit zu verlieren oder gar den gefährlichen italienischen Weibern in die Hände zu fallen. Den ganzen Tag malte und zeichnete er nach den herrlichen Ueberresten der antiken Baukunst, nach Statuen und Basreliefs und beschäftigte sich mit den Schöpfungen Michel Angelo’s, die ihn vor allen anderen wunderbar fesselten und entzückten. Wie in einem Fieber lernte, schaute und schaffte er, und seine einzige Erholung waren abendliche Spazierritte mit seinem alten Diener.

Dies gleichmäßige stille Leben in der ruhelosen Riesenstadt wurde aber doch durch einen heftigen Schrecken unterbrochen: Martin von Hemskerk, Martin Tedesco genannt, mußte erleben, daß man ihm aus seiner wohlverschlossenen und verwahrten Werkstatt zwei der besten Bilder aus den Blendrahmen raubte, so wie auch andere werthvolle Zeichnungen. Nun war es um seine Ruhe geschehen. Zwar gelang es den angestrengten Bemühungen einiger gefälliger Landsleute, so wie den Nachforschungen seines hohen Gönners, eines kunstsinnigen Cardinals, den größten Theil der verlorenen Schätze wieder zu erlangen, aber der arme Martin war nicht wieder zu beruhigen. Es knallte wieder Tag und Nacht vor seinen Ohren, Dolche aller Art blitzten ihm in die Augen, Räuber und Mörder lugten aus jedem Winkel hervor, alle schlafenden Hunde Roms waren plötzlich aufgewacht und bellten, auf den Treppen zu seiner Werkstatt rauschte es von Weiberröcken, – kurz, er ertrug es nicht länger. Zwar waren ihm noch bedeutende Aufträge geworden, die er auszuführen gelobt, er ließ sie aber, so sehr er sonst das Geld liebte, ohne Seufzer im Stich, vollendete nur noch die Gemälde, die er für den Einzug Karls V. in Rom Grau in Grau malte, packte dann sein Hab und Gut zusammen und that nicht eher wieder einen freien Athemzug, als bis er wieder zu den Thoren des friedlichen Harlem hineinritt. – Hier war nun, wie schon am Eingang dieser kleinen Geschichte erwähnt, große Freude über den Heimgekehrten, der nun auch allsogleich in seiner Werkstatt verschiedene Bilder, die er in Rom gemalt, zum Staunen von Jung und Alt aufstellte. – Das war nun vornehmlich ein überaus herrliches Bildniß des Kaisers Karl V. in voller Rüstung, dann eine andere Tafel, die Auffindung des heiligen Kreuzes durch die Kaiserin Helene vorstellend. Auch einen heiligen goldlockigen Johannes mit einer wunderbar schönen heiligen Katharina, eine Kreuzigung mit einer in Schmerz zusammengebrochenen Mater dolorosa, und einer lieblichen heiligen, von Thränen erschöpften Magdalena, in einem Gewande von roth und blau schillernder Seide, wie es eben die italienischen Maler zu malen pflegten.

Das prachtvolle Fest, ein Schmaus, der bis in die tiefe Nacht währen sollte, und dazu die Vorstellung eines Schauspiels, das die Rhetoriker der dortigen Schule ihm zu Ehren aufführen wollten, gab schon im Voraus viel von sich zu reden. Waren doch die Frauen davon ausgeschlossen, da man wußte, wie bitterlich der Meister sie verabscheute. Das gab böse Blicke aus schönen Augen und scharfe Reden von süßen Lippen.

Nun war zu dieser Zeit ein reicher Bürger in Harlem, Conninghs mit Namen, der hatte ein einziges wunderschönes Töchterlein, Maria geheißen. Sie war die Rose in dem Garten seines Herzens, und wenn sie ihn bat mit den Augen seines heißgeliebten frühverstorbenen Weibes, so war es wohl nicht leicht zu denken, daß er ihr etwas abzuschlagen vermocht hätte. Diese allerliebste sechzehnjährige Kleine wünschte denn nun von ganzem Herzen, den berühmten Meister von Angesicht zu Angesicht einmal recht behaglich anzusehen, wozu sich sonst gar keine Gelegenheit darbot, da der Martin von Hemskerk sich nie von Weiberaugen anschauen ließ. Und sie ließ nicht ab mit bittender und schmeichelnder Rede und Kosen und allerlei lieblicher Verführung, um den Vater zu bewegen, sie, „auf ein Stündlein nur“ gegen Abend, in Pagenkleidern einzulassen in den großen Saal des Stadthauses, allwo das Fest gefeiert werden sollte. – Und es geschah auch wirklich, was sie ersehnt. – Der schönste aller Pagen drängte sich keck durch die Menge bis in die Nähe des Meisters. Aber just als die großen blauen Augen der holdseligen Maria sein Antlitz trafen, begegneten sie seinen Blicken, dunkeln, forschenden Blicken aus prächtigen, großen Maleraugen – und da war’s um Beide geschehen!

„Führt mir doch den schönen Pagen dort zu!“ sagte der Meister. „Nie sah ich ein lieblicheres Engelsgesicht, ich will ihn malen!“

Und den ganzen Abend durfte Maria nicht mehr von seiner Seite, sie mußte ihn bedienen und bei ihm stehen, und der Meister richtete mehr Fragen und freundliche Worte an die Erröthende, als an alle die reichen und vornehmen Herren, die sich um ihn drängten. Vater Conninghs schwitzte indessen große Tropfen Angstschweißes bei all’ den forschenden neugierigen Blicken, die auf sein Kind fielen,

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