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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

bemooste Grabsteine bedecken die Gebeine einiger Aebte des funfzehnten Jahrhunderts. Wie gern hätte ich unter diesem Erdreiche gewühlt, um möglicher Weise noch einen Blick in die Vergangenheit zu thun!

Das Gabelfrühstück in Paulinzell.

Wie in den Wirthschaftsgebäuden die größte Ordnung und Sauberkeit herrschte, so trat sie auch unter der weithin schattenden Linde auf das Eclatanteste hervor, und das Gabelfrühstück selbst war nur geeignet, das am Abend vorher gefaßte Vertrauen auf das Glänzendste zu rechtfertigen. Die Bouillon, die gebackenen Forellen, das filet de boeuf stempelten den Wirth von Paulinzell zum Bery des thüringer Waldes. Ein Trupp Bergleute, die von einem ländlichen Feste zurückkehrten, wurden engagirt, hinter uns auf den waldigen Hügeln postirt und die Cavatine aus Euryanthe, der Marsch aus dem Tannhäuser, ja selbst das Sextett aus dem Don Juan schallten herrlich herüber. In heiterster Stimmung, unter dem Schall der Instrumente, nahm W. Abschied von uns, welche Lücke aber sogleich durch einen Ersatzmann in Gestalt eines jungen Landmannes ausgefüllt wurde. Wir hatten durch den Tausch nicht gewonnen, denn als dieser sich uns auf der Tour nach Ilmenau enger und immer enger anschloß, und unsere auf Reisen üblichen Spirituosen auf das Nachdrücklichste untersuchte und so gut fand, daß er eine fast krankhafte Vorliebe für dieselben zu empfinden schien, wurde er langweilig und wir mußten ihn in der Schenke zu Wimbach als „sehr schwer“ den sorglichen Händen der Wirthin überlassen. Wir selbst waren nach einer Stunde in Ilmenau.

Equipaqe in Wimbach.

Ach! welch’ ein Unterschied! Die Bewirthung von Paulinzell zu letzterem verhielt sich wie W. zum Oekonomen, und wenn in Paulinzell der Bery von Thüringen war, so war hier nur – der Gasthof „zum Löwen.“ Der kalte Regenmorgen zwang uns, zuvörderst die Ausstellung des thüringischen Kunstvereins in einem Gebäude am Felsenkeller zu besuchen, zu der der Eingang an leeren Biertonnen vorübergeht. Sie wurde mit großem Gepränge auf den Affichen angekündigt, aber enthielt außer einigen neuen guten Bildern für uns nur die „vieilles croûtes“, die wir schon vor Jahren gesehen und die als unverkäuflich aufgegebenen Atelier-Decorationen in mannigfachster Gestalt. So mancher Freund sah trübselig von der Wand herab und seufzte die zwei einzigen Besucher an als ultima spes. Arme Freunde, wenn wir etwas aufhängen wollten, dürften wir nur selber malen.

Eingeborene von Ilmenau.

Ein wenig Sonnenblick erlaubte uns einen Spaziergang über die die Stadt umgebenden Hügel, und dieser beruhigte uns in Bezug auf die hier die Wassercur gebrauchenden Fremden. Liebliche Landschaften breiten sich vor den einzelnen Punkten aus, die ihren Namen irgend einem Wohlthäter zu verdanken haben, wie „Ravené’s Ruh“, „Löffler’s Höh“ etc. etc. Wieder hinabgestiegen, fanden wir es nicht möglich, uns mit einem Fuhrmann über die Fahrt nach Suhl zu einigen; unverschämte Forderungen bewogen uns, trotz Wetter und alledem, wiederum unsere Ränzel zu schnüren, und so sagten wir mit keiner sehr schmerzhaften Empfindung, wie sie sich wohl in Paulinzell einstellte, dem theuren Kalt-Wasser-Badeort Valet, und patschten, um über die Schmücke zu gehen, nach Mannebach. Unsere Hydroparastaten, die Stiefel, bewogen uns, in der Schenke dieses Ortes zu rasten. Eine alte Mama kochte uns Kaffee, während uns einige weißhaarige Jungen mit ihren hellen Augen freundlich betrachteten, und ein krummbeiniger Mann, im blauen Kittel, verschämt die Einladung zum Mittrinken annahm. Diese Aufforderung schien ihm eine besondere Würde beizubringen, denn er nahm ein ernstes, reservirtes Wesen an, verschwand dann einen Augenblick, und trat bald wieder adonisirt hervor, indem er sorgfältig sein langes schwarzes Haar in der Mitte gescheitelt und glatt auf beiden Backen in zwei enorme Crochet’s zusammengeklebt hatte. Die Tassen, woraus wir den Trank der braunen Bohne schlürften, hatten eine schaurige Auszeichnung an sich. Um würdig die Zusammengehörenden zu bezeichnen, stand auf der Untertasse das Ende des auf dem Oberkopf angebrachten Spruches, was aber durchaus nicht deren Umtausch verhinderte. So hatten wir z. B.: Zum Anden–schaft und Aus Freund–ken. –

Der Krummbeinige brachte uns einige hundert Schritt auf den richtigen Weg, und da jetzt der Regen der Sonne vollständig gewichen war, stiegen wir ruhig die köstliche Waldung entlang, zwischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_523.jpg&oldid=- (Version vom 1.10.2022)