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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

als Mittel, nicht nur Deutschlands Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu sichern, sondern auch seine Verfassung zu verbessern.“

Wie das Alles mißlang, wie nur Schmach von Frankreich her über Deutschland durch Napoleon kam, zu dessen Schmeichlern Karl August nie gehörte, wie derselbe sofort mit allem Eifer thätig war, als die Hoffnung sich zeigte, das Vaterland befreien zu können, ist bekannt genug. Weniger ist es sein Mißmuth über den Gang der Verhandlungen auf dem Wiener Kongresse und wie unverhohlen er ihn aussprach: „Unweisheit und Egoismus beseelen die hiesigen Berathungen und der gute Wille, der so viele Menschen belebte, ist schändlich in die Schanze geschlagen worden. Man hat viel von Napoleon gelernt, auch die Frechheit. Da alle Briefe eröffnet werden, so kann man sich nicht ordentlich herauslassen; deswegen schreibe ich euch so selten.“ Und am 5. Februar 1815: „Auf diese Welt komme ich nicht wieder, wenn die freie Wahl mir dazu gelassen wird, es geht zu arg darin zu. Den hiesigen Aufenthalt habe ich dicke satt, indessen kann ich nicht weg, bis daß der Knoten geschürzt und namentlich die Grundzüge der künftigen Verfassung Deutschlands ausgesprochen sind.“

Karl August.   Herzogin Louise.


Bekanntlich war er der Erste, der sich seiner vollen Souveranetät und zwar freiwillig begab und (schon im Januar 1816), „eingedenk der Vorschrift und des Sinnes des deutschen Bundesvertrags“, Einleitungen zum Entwurf einer Verfassung für sein Land treffen ließ, „denn es sei sein Wille,“ erklärte er den versammelten Ständen, „die für Deutschland aufgegangenen Hoffnungen in seinem Lande zu verwirklichen, die Lehre so außerordentlicher Schicksale benutzend, auf Eintracht das Glück des Staates zu gründen.“

Die bald eintretende Reaction machte ihm Kummer und Sorge, und kaum vermochte er vor den Alles überfluthenden Wogen derselben sein Land wenigstens einigermaßen zu schützen. Welche Gesinnungen diesen ächten deutschen Patrioten beseelten, hat er bei der Erneuerung des Ordens seines Hauses deutlich in der Urkunde über die Pflichten der Ordensritter ausgesprochen: „Treue und Ergebenheit gegen das gemeinsame deutsche Vaterland und daß jedes Mitglied des Ordens dahin wirke, daß vaterländische Gesinnung, deutsche Art und Kunst, Vervollkommnung der gesellschaftlichen Einrichtungen sich immer weiter entwickele, und daß auf eine gründliche und des Ernstes des deutschen Nationalcharakters würdige Weise sich Licht und Wahrheit verbreite.“

Karl August’s Gemahlin, Louise, geborne Prinzessin von Darmstadt, erblickte ebenfalls im Jahre 1757 das Licht der Welt, und sie hat es um Weimar verdient, daß man bei der Festfeier auch ihrer gedenke. Obgleich sie in der stürmischen Jugend Karl August’s mancherlei ertragen mußte, bewahrte sie doch immer ihre sanfte Milde und würdevolle gleiche Ruhe. Durch dieselbe zwang sie selbst Napoleon Achtung ab, als sie ihm, dem hochfahrenden Sieger, nach der Schlacht bei Jena entgegentrat. Der Engländer Lewes sagt deshalb: „Die Königin von Preußen und die Herzogin von Sachsen-Weimar sind zwei der hervorragenden Gestalten in der deutschen Geschichte, welche dem ersten Manne seiner Zeit, Napoleon, entgegenzutreten wagten, und von ihm, eben dieses Muthes wegen, bewundert wurden.“

Die freiwillige, nicht officielle Liebe, mit der heute die Besten der deutschen Nation nach 100 Jahren einem todten Fürsten nachjubelt, trägt eine ernste, wichtige Mahnung in sich.



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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_505.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)