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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

abwechselnd von Einem oder dem Anderen zum Reiten benutzt wurden. Um elf wurde im Sommer gewöhnlich im Schatten einiger Bäume Halt gemacht, die Maulesel erhielten Futter, wurden aber nicht abgeladen, wir Menschen verzehrten etwas kaltes Fleisch, Brod und ein Glas Rum, worauf wir uns dann abwechselnd zur Ruhe legten. Um drei Uhr, wenn die ärgste Hitze vorbei war, ward wieder aufgebrochen und bis zur anbrechenden Dunkelheit marschirt. An unserem nächtlichen Rastplatze angekommen, wurden die Maulesel und Pferde abgeladen, ihre Rücken sorgfältig untersucht, ob auch Verletzungen durch Druck oder Reibung der Packsättel entstanden waren, und dann entweder mit Mais gefüttert oder, wenn Weide vorhanden war, mit gefesselten Vorderfüßen auf dieselbe getrieben. Alle diese Geschäfte wurden unter meiner Aufsicht stets von den Mexicanern besorgt, die mit den oft sehr störrischen und bösartigen Mauleseln auch am besten umzugehen wissen. Die beiden deutschen Gehülfen besorgten unterdeß Holz für das Wachtfeuer, schlugen auch, wenn das Wetter gar so schlecht war, ein Regendach auf, indem ein großes getheertes Laken von Segelleinwand über vier in die Erde eingeschlagene Pfähle gespannt wurde, und bereiteten unser Abendessen vor. Wenn irgend möglich, bestand dasselbe aus frischem Fleisch, denn ich schoß unterwegs häufig Hasen, Rebhühner und anderes Geflügel, hin und wieder auch ein Stück Hochwild, obgleich letzteres seltener vorkam, kaufte auch, wenn ich es bekommen konnte, in den Ansiedelungen oder von den Indianern frisches Fleisch, da ich dasselbe für gesünder hielt, als den Speck und das Pökelfleisch. Das frische Fleisch wurde stets am Spieße gebraten und dann in großen Quantitäten verzehrt, wobei ein Deutscher drei Mal so viel wie ein Mexicaner aß, dazu wurden Maiskuchen oder eine Art Pfannkuchen, aus Grütze und Mehl bestehend, gebacken und auch in gehörigen Quantitäten verzehrt. Als Getränk diente Thee ohne Zucker und Milch, aber zum dritten Theil dafür mit Rum vermischt, wovon Jeder so viel trinken konnte, wie er nur mochte, wenn er sich nur nicht betrank. Bis nach zehn Uhr saßen wir so an dem stets in hohen Flammen unterhaltenen Wachtfeuer essend, trinkend, rauchend, plaudernd oder dem eintönigen Geklimper auf der Mandoline, die von einem oder dem anderen der mexicanischcn Treiber gespielt wurde, lauschend. Alsdann hüllte sich Jeder in seine Decken, schob den Sattel unter den Kopf und streckte sich, die Füße gegen das Feuer gerichtet, nieder, um durch den Schlaf Stärkung für die müden Glieder zu suchen. Einer von uns Deutschen mußte stets wach bleiben, um auf die Sicherheit der Waaren zu achten und das Feuer zu unterhalten, während einer der Treiber die in der Nähe weidenden Thiere beaufsichtigte. Führte ich Gold bei mir, so schob ich dasselbe unter den Sattel, der als Kopfkissen diente, und kann somit in Wahrheit behaupten, daß ich mich oft im wahren Sinne des Wortes auf Gold gewälzt habe.

Gewöhnlich legten wir auf diese Weise zwanzig englische Meilen in einem Tage zurück, in der Ebene oft etwas mehr, im Gebirge weniger. Bei Schneestürmen im Gebirge von Nigger-Jent nach Goodyear-Bar habe ich auf dieser Strecke von fünfzehn englischen Meilen oft zwei bis drei Tage zugebracht und wir Alle schwebten dabei in beständiger Gefahr, das Leben zu verlieren. Ueberhaupt ist dieser Transport von Lebensmitteln in der schlechten Jahreszeit nach den im entfernten Gebirge am Jubaflusse gelegenen Goldminen ein ebenso gefährliches wie anstrengendes Geschäft, zu dem die eisernste Ausdauer, große moralische Willenskraft und eine unerschütterliche Gesundheit gehören. Man kann mitunter bei einer einzigen Reise sehr viel verdienen, und an den eingekauften Waaren weit über hundert Procent Gewinn haben, bei der nächsten Reise aber wieder ohne Verschulden gleich großen Verlust erleiden. Einige Maulthiere brauchen nur auf den theilweise ganz schmalen Felsenpfaden auszugleiten, um mit ihrer Ladung in den Abgrund zu stürzen, und der ganze Gewinn ist verloren. Auch kann man bei anhaltendem Regenwetter gar nicht genug aufpassen, daß die Ladung bei dem Lagern im Freien und dem täglichen Auf- und Abladen auf die Saumthiere nicht durchnäßt und somit ziemlich werthlos wird.

Auf diese Weise habe ich als Händler mit Lebensmitteln und Besitzer einer Heerde Maulesel zum Lasttragen elf volle Monate fast alle Districte von Californien, in denen Gold gegraben und gewaschen wurde, durchzogen und mehr wie für 100,000 Dollars an Gold ist von mir aus den Minen in die Städte St. Francisco und Sacramento befördert worden. Am meisten machte ich den Weg von Marysville nach den nördlich am Jubafluß gelegenen Districten bis nach Danielville oder auch noch weiter herauf bis in die nördlichsten Districte. Diese Reisen waren zwar die beschwerlichsten und gefährlichsten, aber auch die lohnendsten, und ich habe daher dieselben immer vorzugsweise gern unternommen.

Bei einer dieser letzten Reisen, die im Winter bei scheußlichem Wetter stattfand, wäre ich beinahe unweit Danielville das Opfer eines großen grauen Bären geworden, unbedingt das stärkste und gefährlichste Raubthier, welches Amerika besitzt, denn der Puma oder sogenannte mexicanische Löwe ist lange nicht so gefährlich.

In der Nacht, als ich eben im besten Schlafe lag, weckte mich der bei den Mauleseln wachende Treiber mit furchtbarem Geschrei, indem er mir zurief, daß ein großer grauer Bär im Begriffe sei, sich auf einen der Maulesel, die ungefähr dreißig bis vierzig Schritte von uns im Schutze einiger Bäume angebunden standen, zu stürzen. Sogleich sprang ich auf, griff nach meiner Büchsflinte, die neben mir unter der Decke lag, und eilte der bezeichneten Stelle zu. Beim Scheine des eben zwischen den Wolken hervortretenden Mondes sahe ich, daß ein großer grauer Bär, wirklich ein riesiges Ungethüm, wie ich einen solchen noch niemals gesehen hatte, sich daran machte, einen Maulesel umzuwerfen und fortzuschleppen. In einer Entfernung von ungefähr funfzehn Schritten schoß ich nun den mit einer Spitzkugel geladenen Lauf meiner Büchsflinte auf den Bären ab, und verwundete denselben in der Schulter. Das ergrimmte Thier stieß ein furchtbares Wuth- und Schmerzensgeheul aus, ließ seine Beute fahren, und stürzte auf mich zu. So schnell wie möglich riß ich meinen sechsläufigen Revolver aus dem Gürtel, und feuerte den einen Schuß in größter Nähe auf meinen Feind ab, ohne ihn jedoch damit auf der Stelle zu tödten. Schon hatte derselbe mich erreicht, und eine seiner Tatzen bereits in den flatternden Zipfel des großen mexikanischen Poncho, den ich trug, eingeschlagen, als ich ihm den Revolver vor das eine Auge setzte und losdrückte. Die Kugel ging durch das Gehirn und der Bär stürzte augenblicklich todt zusammen, wobei er mir im Fallen noch den sehr dicken Poncho und eine Jacke von Büffelleder, die ich darunter trug, zerriß, und meinen Schenkel leicht aufkrallte. Hätte dieser letzte Schuß nicht den Bären auf der Stelle getödtet, so wäre ich ein Opfer desselben geworden, da meine beiden deutschen Begleiter liederlicher Weise ihre Flinten nur mit Schrot geladen hatten. Es war ein ungeheures Thier, und sein Fleisch verschaffte uns auf mehrere Tage reichliche Nahrung, nachdem ich noch mehr als die Hälfte davon an deutsche Minenarbeiter, die in der Nähe lebten, verschenkt hatte.

Das abgezogene Fell des Bären ließ ich gerben, und gebrauche es noch jetzt hier in Mendoza als Satteldecke. Das Maulthier war aber am Halse von dem Bären so verwundet worden, daß ich es auf der Stelle tödten mußte, um seine Qualen nicht länger nutzlos zu vermehren. Diese großen, grauen Bären kommen übrigens in den Golddistricten von Californien nur noch äußerst selten vor, da der zahlreiche Menschenverkehr in denselben sie verscheucht.

Obgleich ich von meinem Geschäfte einen guten Gewinn hatte, so ward mir das ganze Leben und Treiben auf die Länge doch unangenehm. Dieser stete Verkehr mit rohen Menschen, die nur von dem Streben, sich Geld zu verdienen, beseelt waren, ekelte mich an, und es langweilte mich, beständig mit den geladenen Revolvers im Gürtel umhergehen zu müssen, um mein Eigenthum zu vertheidigen. Dabei war das Reisen während der Regenzeit auf die Dauer wirklich angreifend, und man verwilderte förmlich. Mich aber mit Grund und Boden in Californien ansässig zu machen, wie ursprünglich meine Absicht war, gefiel mir auch nicht mehr, nachdem ich alle inneren Verhältnisse des Landes genau kennen gelernt hatte.

Es ist nicht angenehm, in einem Lande zu wohnen, welches eine solche Anziehungskraft für alle rohen Gesellen nicht allein von ganz Amerika, sondern auch noch dazu von Europa und Australien besitzt, und wie dies in diesem Goldlande noch auf eine lange Reihe von Jahren der Fall sein wird. Wo Gold gesucht wird, kann eine ruhige, stätige Thätigkeit nie gedeihen, ein rastloses Streben nach schnellem Gewinn, eine unruhige Speculationswuth wird sich stets der Gemüther Aller bemächtigen.

Was hilft es aber, wenn man den besten Boden auch noch so wohlfeil kaufen kann, sobald die Arbeiter zur Bebauung desselben fehlen, und wenn man solche mit Mühe sich verschafft hat, diese wieder davon laufen, sobald sich das gewöhnlich sehr übertriebene

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_492.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)