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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Mein Bruder war zu weit entfernt, um mich sehen zu können, ich durfte mich auch nicht unwenden, nach ihm zu spähen; deshalb hob ich nur meinem Finger an den Mund und pfiff so stark ich konnte.

Da brüllte der Büffel auf’s Neue und rückte wieder ein paar Schritte vor. Er schien meine Hilflosigkeit inne geworden zu sein, denn er war das Bild der Wuth und Rache und stampfte das Wasser mit seinen Vorderfüßen.

Das war äußerst angenehm für mich! Ich gab mich für verloren, nahm aber so drohende Mienen an, als möglich, das Biest zu schrecken. Plötzlich kam mir ein Einfall. Ohne meine Augen von dem Büffel zu verwenden, ließ ich eine doppelte Ladung Pulver in den rechten Lauf gleiten, nahm sämmtliche kleine Münze, die ich für die Kulies zu mir gesteckt, drei Schillinge in Sechspencestücken, wickelte sie in ein Papier und stieß sie rasch hinab. Das Alles geschah im Nu, und ich nahm mir nicht Zeit, den Ladestock wieder einzustecken, sondern warf ihn in’s Wasser und erhob die Büchse zum Anschlag. Wieder stand der Büffel still, und wir starrten uns jetzt auf sieben Schritt einander an. Ich hatte aber neue Zuversicht gewonnen und wollte abwarten, bis er mir ganz nahe gekommen wäre.

Da hörte ich etwas hinter mir in’s Wasser springen und kurz athmen. Es war mein Bruder, der voll Angst zu meiner Rettung herbeigeilt war. Er hatte noch einen Lauf geladen und ich rief ihm zu, er möge warten, bis mir der Büffel ganz nahe sei, und dann nach seinem Kopfe feuern.

Kaum hatte ich das gesagt, so rückte mir der Büffel ganz nahe auf den Leib. Meines Bruders Schuß blieb ohne Wirkung, als ich ihm aber meine Ladung in’s Gesicht schleuderte und die Münzen an seine Stirn klirrten, fiel er um und wälzte sich im Sumpfe.

Rasch lief ich jetzt mit meinem Bruder fort, durch das Wasser und über die Ebene, weil ich wohl wußte, daß der Büffel nur betäubt sein würde. Eine halbe Meile vor uns lag ein halb umgestürzter Baum, der uns eine Zuflucht verhieß; dahin flohen wir eilenden Schrittes, und nach zweihundert Schritten sahen wir uns um. Der Büffel folgte uns langsam. Jetzt kannten wir den Unterschied zwischen Jagen und Gejagtwerden, und für den Büffel mußten wir ein sehr lockendes Wild bilden.

Eine Bekanntschaft mit Ihrer Majestät Bildnissen hatte ihn jedoch so dumm gemacht, daß er sich nur langsam fortbewegen konnte und ab und zu hinfiel. Wir waren sehr froh, daß wir alsdann unsere Schritte mäßigen konnten. Sah er jedoch, daß wir stillstanden, so kam er uns wieder nach. Endlich erreichten wir den Baum und bemerkten von dort aus mit Vergnügen, daß er in zweihundert Schritt Entfernung zwar nicht todt, aber doch gänzlich ermattet da lag. Unter dem Schutze des Waldes erreichten wir die Stelle, an der wir unsere Pferde gelassen, und begaben uns auf ihnen nach dem nahen Dorfe, um von dort aus am nächsten Morgen unsern Rachezug gegen die Büffel zu beginnen.

Mit Tagesanbruch machten wir uns auf den Weg und kehrten von dem Schlachtfelde des Abends zurück, in voller Erwartung, ob wir unsern Feind verendet finden würden. Wir täuschten uns jedoch; er war fort und wir sahen ihn niemals wieder.

Jetzt hatte ich meine vier Unzen- und zwei und ein halb Unzen-Büchse bei mir und fürchtete die Büffel nicht mehr. Ein Gewitter hatte während der Nacht die Luft gereinigt, die ganze Natur schien erfrischt und auch wir waren neu ermuthigt. Wir sahen mehrere Büffelheerden vor uns und überlegten, welche wir zuerst angreifen sollten, als endlich ein einzelner Büffel dreihundert Schritt vor uns aufsprang und auf uns loskam. Ich schoß aus der Ferne nach ihm, fehlte jedoch und er kam desto trotziger auf uns zu. Auf 150 Schritt schickte ich ihm eine vier Unzen-Kugel mit zwölf Drachmen Pulver in’s Blatt, welche durch und durch ging und auf der andern Seite in’s Wasser schlug. Er kam noch etwa hundert Schritt näher, stand aber zuletzt still und es floß ihm ein Blutstrom aus Maul und Nase.

Nachdem ich wieder geladen, ging ich ihm bis auf fünfzig Schritt nahe und sah ihn mir ganz in der wüthenden Haltung, wie den gestrigen Stier, gegenüber. Ich feuerte nicht mehr, da ich sah, daß er genug hatte, und wollte nun sehen, wie lange er eine Verwundung der Lungen ertragen würde, um mich künftig darnach richten zu können. Die Wuth kämpfte in ihm mit dem Tode. Er suchte näher zu kommen, dies war aber seine letzte Anstrengung. Sein Auge rollte krampfhaft, dann brüllte er kurz mit ohnmächtiger Wuth und fiel auf den Rücken, die Beine in die Luft streckend.

So hatte ich meine Rache für die gestrige Schmach. – Während wir bei dem Cadaver standen, bemerkten wir mit Ueberraschung, daß eine große Büffelheerde sich der Stelle, wo ich den Stier angegriffen hatte, auf einige hundert Schritt näherte und in dichten Massen dastehend uns beobachtete. Sogleich gingen wir auf sie zu und bemerkten alsbald, daß sie von zwei großen Stieren geführt wurde. Die ganze Heerde brüllte und stampfte den Boden. Sie witterten offenbar das Blut des Erlegten und geberdeten sich, als wären sie toll.

Wir gingen weiter vor und waren etwa neunzig Schritt von ihnen entfernt, als sich die ganze Heerde von etwa zweihundert Büffeln, geführt von den beiden Stieren, gegen uns in vollem Galopp in Bewegung setzte. So gleichmäßig geschah der Ablauf, daß er einem plötzlichen Cavallerie-Angriff glich, und der Boden unter ihren schweren Hufen erzitterte. Ihre Schweife waren hoch über ihre Rücken erhoben und wir sahen eine furchtbare Phalanx von Köpfen, und Hörnern vor uns, die uns im Nu zerstampfen und von der Erde tilgen konnte.

Es war kein Augenblick zu verlieren. Unsere Büchsenträger waren davon gelaufen, ich hielt indessen den einen fest, welcher die lange zwei Unzen-Büchse trug, und erwartete den Angriff mit der unwiderstehlichen vier Unzen-Büchse.

Der stärkste Stier war einige Ellen vor dem Haufen voraus, der ihm mit donnernden Hufen folgte. Es trennten uns nur noch fünfzig Schritt und es überkam uns bereits ein Gefühl, als sollten wir niedergerannt werden. Ich sah indessen nicht nach der Heerde, sondern nach dem Leitstier, und als sie noch dreißig Schritt von uns waren, zielte ich fest und gleich darauf stürzte der Stier mit weitem Sprunge kopflings auf den Rasen nieder, dann riß ich rasch die zwei Unzen-Büchse an mich, und schoß funfzehn Schritt nach dem zweiten Stier, der beinahe vor unsern Füßen niederfiel. Diese glücklichen Schüsse wandten die Heerde. Sie richteten ihren Lauf plötzlich von den Büchsen fort nach links und überließen uns das Feld als Sieger. Sie weiter zu schrecken, schossen wir die leichteren Gewehre nach ihnen ab und luden rasch die schweren, weil die Stiere noch nicht todt waren. Sie vermochten sich jedoch auch nicht mehr zu erheben, und ein Gnadenschuß vor die Stirn machte ihrem Leben ein Ende.

Obwohl ich seitdem gegen zweihundert Büffel geschossen habe, ist mir ein solcher Angriff durch eine Heerde nicht wieder vorgekommen. Es war ein außergewöhnliches Ereigniß, das in der Büffeljagd glücklicher Weise einzig dasteht. Um diese Zeit waren die Büffel dieser Gegend fast noch nie gestört worden und daher in dem wildesten Zustande, in dem man sie nur denken kann. Ich fand sie deshalb auch fast immer zum Kampfe bereit, sobald ich sie angriff.“




Blätter und Blüthen.

Ein „Paulus“ und ein „Johannes“. (Erinnerung an zwei Verstorbene.) Es mochte zur Sommerzeit des Jahres 1805 sein, als eines schönen Nachmittags zwei Männer Arm in Arm die Parkanlagen von Sans-souci langsam durchschritten. Ihr ganzer Habitus zeigte, daß sie dem Fürstenstande nicht angehörten. Für Diplomaten oder dergleichen wird sie wohl auch Niemand gehalten haben; denn dazu gebrach es ihnen an jener elastischen Geschliffenheit, die Excellenzen der Art mehr oder minder eigen zu sein pflegt. Auch sprachen sie zu laut, zu viel – und was die Hauptsache – sie sprachen Alles zu warm und zu innig, als daß ein Beobachter in ihnen einen Talleyrand oder Metternich en miniature hätte ahnen sollen. Militairs konnten sie aber vollends nicht sein: das sah jedes Kind, namentlich ein preußisches, auf den ersten Blick.

Wer aber waren sie denn?

Ihr schlichter schwarzer Anzug ließ in ihnen zwei Candidaten der Gottesgelahrtheit vermuthen, zu welcher Annahme überdies ihr ganzer Ductus berechtigte. Demungeachtet und trotz ihrer Jugend – denn Beide waren erst angehende Dreißiger – empfingen sie doch von jedem der ihnen begegnenden Gardisten einen äußerst respectvollen Gruß. Während der eine Lustwandler diese Honneurs bisweilen übersah, aber mit einem Air, als wollte er sagen: „ich weiß, sie gelten allein meinem Freunde,“ erwiederte


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