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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

so viel mehr Elektricität fordern und die Herstellung derselben jährlich um viele tausend Pfund theurer werden.

Der Beweis, daß der atlantische Telegraph wie eine Leydener Flasche wirkt, ist mit der Elektricitätswage auf das Klarste geführt worden. Aber was für riesige galvano-elektrische Batterieen werden dazu gehören, um diese über 400 geographische Meilen lange Flasche zu füllen? Schreiber dieser Zeilen schrieb mit dem elektrischen Blitze an sich selbst durch einen 660 englische Meilen langen Draht binnen 9/10 einer Secunde und zwar vermittelst einer Batterie, die aus sieben in verdünnte Schwefelsäure getauchten Zinkstückchen bestand, keins größer, als etwa eine Erbse. Dies geschah in Mr. Whitehouse’s Bureau zum Beweise, daß man mit einer Batterie von 72 Paar Platten, jede von 16 Quadratzoll, von Amerika bis England blitzen und dort noch mit der Kraft schreiben, telegraphiren kann. Dies ist freilich nur dadurch möglich, daß die Leydener Flasche ihre 400 Meilen lang geblitzte und abgeschwächte Elektricität just bis zu Reserve-Batterieen trägt, die, aus drahtumflochtenen Eisenbarren bestehend, die ihnen von der andern Welt erschöpft zugesandte Elektricität wieder so stark machen, daß sie die Telegraphennadeln treiben und bewegen kann. Die Eisenbarre wird durch die Elektricität, welche durch den um sie gewickelten Draht läuft, ein momentaner Magnet. Und diese so erzeugte magnetische Kraft ist es, welche eigentlich die Nadeln treibt. Es ist also eigentlich ein Magneto-Telegraph, welcher das Werk der reiseerschöpften Elektricität thut. Dabei hat sich noch deutlich ergeben, daß galvanische Elektricität als solche geringere Bewegungskraft hat, als magneto-elektrische. Letztere ist schwächer, als erstere, bewegt sich aber viel schneller durch den isolirten Draht, als stärkere directe Galvano-Elektricität. Die correspondirende Kraft zwischen der alten und neuen Welt wird eine magneto-elektrische sein. Dies sind Alles nur Andeutungen ungemein wichtiger Punkte, deren gemeine, wissenschaftliche Erörterung Männern von Fach überlassen bleibt. Auch das Ergebniß kostspieliger Experimente, zu erfahren, wie weit sich das Telegraphen-Tau ausdehnen oder ob es wohl gar reißen könne, wenn es aus beiden Schiffen etwa eine deutsche Meile lang abgewickelt den Merresgrund nicht erreicht haben sollte, geben wir nur im Allgemeinen an. Es wird sich auf die englische Meile etwa zwei Fuß dehnen, von seiner Leitungskraft dadurch aber kaum etwas Merkliches verlieren. Außerdem ist es so genau fabricirt und in seiner Kraft gemessen, daß es sich funfzig Mal mehr dehnen kann, ohne zu reißen oder leitungsunfähig zu werden. Nur eine Befürchtung ist bei dem Riesenwerke noch nicht erledigt: der Einfluß, den natürliche elektrische und magnetische Strömungen, welche in ewiger geheimnißvoller Zuckung als Pulsschlag in der Erde hin- und herwallen, auf das am Meeresboden hingestreckte Sprachrohr ausüben können. Aber man weiß wenigstens, wie man solche Einflüsse antagonistischer und neutralisirender Art überwinden und unschädlich machen kann. Und so haben wir bereits ziemlich hinreichende Gründe, die riesigste That und Schöpfung dieses Jahrhunderts als eine gelungene zu begrüßen.




Blätter und Blüthen.


Zur Frage über die Geistesfähigkeiten der Thiere. In seinem Berichte über den Naturforscher Ampere erzählte Arago:

„Ampere beschäftigte sich vielfach mit der dunkeln Frage über die geistigen Fähigkeiten der Thiere. Anfangs entschied er sich gegen ihre Vernunft, gab jedoch in Folge einer einzigen Thatsache, die ihm ein zuverlässiger Freund erzählte, diese seine Ansicht auf. Dieser Herr war von einem Sturm in eine Dorfschenke getrieben worden, wo er sich ein gebratenes Huhn bestellte. Man bediente sich dort noch des alten, von einem Hunde gedrehten Bratspießes. Der Hund wurde in das Rad gespannt, aber weder Schmeicheln noch Drohungen noch Schläge konnten ihn bewegen, auch nur einen Schritt zu thun. Ampere’s Freund nahm endlich das mißhandelte Thier in seinen Schutz. „Ja wohl, armer Hund,“ sagte der Wirth ärgerlich, „er verdient Ihr Mitleid gar nicht, denn derselbe Auftritt wiederholt sich alle Tage. Wissen Sie, warum der saubere Kerl sich weigert, den Spieß zu drehen ? Er hat sich einmal in den Kopf gefetzt, daß sein Camerad die Arbeit gleichmäßig mit ihm theilen müsse und daß jetzt die Reihe nicht an ihm sei.“ Der Herr bat, man möchte den andern Hund holen, und dieser machte auch nicht die geringste Schwierigkeit, seine Aufgabe zu erfüllen. Nach einiger Zeit wurde er aus dem Rade genommen und sein widerspenstiger College wieder hineingesteckt, der jetzt, nachdem sein Rechtsgefühl befriedigt war, mit wahrem Feuereifer arbeitete. Einen ähnlichen Fall erzählte Herr von Liancour dem großen Arnauld, der die Theorie des Descartes angenommen hatte, daß Hunde bloße Automaten und Maschinen seien, und auf diese Ansicht hin die armen Thiere lebend secirte, behauptend, sie fühlten nichts. „Ich habe zwei Hunde,“ sagte Herr von Liancour, „die abwechselnd jeder einen Tag den Spieß drehen. Eines Tages versteckte sich der eine, an dem die Reihe war, und sein Camerad sollte statt seiner drehen. Da bellte er, wedelte mit dem Schweife und gab dem Koch zu verstehen, er möge ihm folgen, ging hinauf in das Dachgeschoß, zerrte den Faullenzer aus einem Winkel und beutelte ihn herzhaft durch. Sind das Ihre bewußtlosen Maschinen?“ Dem großen Arnauld mag wohl eine Ahnung geworden sein, daß der Bratspieß seine Theorie über den Haufen geworfen hatte.“




Macht des Talents. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts war ein Schweizer, Heidegger, die Seele aller Feste und Vergnügungen des Hofes und der Stadt London. Seinem Kunstsinn und seinem Geschick, seinem Witz und seinem Geschmack ward Alles anvertraut. Er war überhaupt ein eigenthümlicher Mann: mitten in den Bergen der Schweiz geboren, hatte sein Genie sich allein Bahn gebrochen und dieses Genie war für ihn in England die Quelle des Glückes. Er wurde der Hauptspaßmacher der Nation und bezog dadurch eine jährliche Rente von 5000 Pf. St. Die Besorgung der Oper und aller Hof- und öffentlichen Feste war ihm übertragen, daher war er gern gesehen und mit allen Großen in Verbindung. – Einst ward in seiner Gegenwart gestritten, welche Nation die erfindungsreichste sei. Man rief sein Urtheil an. „Die Schweizer,“ sagte er; „ich bin ein Schweizer, kam arm nach England, wo ich jetzt jährlich 5000 Pf. St. erwerbe und ausgebe, mache ein Engländer den Versuch, ob er dieses in der Schweiz thun kann!“ – Heidegger war häßlich zum Entsetzen; er scherzte selbst darüber und wettete mit Lord Chesterfield, daß es in ganz London kein häßlicheres Gesicht gebe, als das seine. Man fand endlich eine scheußliche alte Frau. Er gab seine Sache noch nicht auf – setzte die Mütze der alten Frau auf, gab ihr seine Perrücke und Lord Chesterfield hatte seine Wette verloren.




Kleiner Briefkasten. Herrn A. in G. Ihren Anfragen, so wie vielen anderen, welche wegen Einrichtung und Abwartung des Süßwasser- Aquariums theils an die Redaction, theils an Herrn Prof. Roßmäßler ergangen sind, diene vorläufig die Erwiderung, daß in kurzer Zeit von dem Genannten bei H. Mendelssohn in Leipzig in einem besonderen reich illustrirten Buche eine sehr ausführliche Anleitung zur Anlegung und Pflege des Süßwasser-Aquariums veröffentlicht werden wird. Leider kann die Gartenlaube nicht alle jene zum Theil höchst speciellen Anfragen und Wünsche erledigen, welche in dieser Angelegenheit laut werden und welche sich größtentheils im voraus von selbst erledigen würden, wenn die in unserem Artikel „der See im Glase“ gegebene Anleitung pünktlich befolgt würde. –

K. G. in Rbg. Die Ergänzung kam zu spät und hätte jedenfalls zu weitläufigen Gegenerklärungen geführt.

Br. in Wien. Ihr Brief ist uns zugegangen und sehen wir der Einsendung des versprochenen Artikels entgegen.




Mit dem 1. Juli begann ein neues Quartal der bei Ernst Keil in Leipzig erscheinenden Zeitschrift:

„Aus der Fremde,“
Wochenschrift für Natur- und Menschenkunde der außereuropäischen Welt,
redigirt von A. Diezmann.
Wöchentlich ein Bogen mit und ohne Illustrationen. Vierteljährlich 16 Ngr.

Unsere Zeitschrift beschäftigt sich mit Land und Leuten weit und breit, auf dem ganzen Erdenrund. Sie gibt nicht Erdichtetes, sondern Wahrheit, aber, was sie erzählt, bestätigt gar oft den altbewährten Spruch: „Wirklichkeit ist seltsamer als Dichtung.“ Sie gibt nicht trockne Reiseberichte; sie beschreibt vielmehr Erlebnisse in der pikantesten und kleidet ihre Schilderungen in die eleganteste und anmuthigste Form; denn, was gelesen zu werden verdient, soll auch angenehm zu lesen sein. Ihr Feuilleton ist stets reich und neu. – Die große Verbreitung, welche die Fremde seit ihrem kurzen Bestehen gefunden hat, beweist am besten die Gediegenheit des Blattes.

Alle Buchhandlungen und Postämter nehmen Bestellungen an.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_408.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)