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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

der Blätter erst aus neuerer Zeit datiren, hatte man die gleichen Erscheinungen an den Blüthen schon weit früher beobachtet. Die Blüthe ist derjenige Pflanzentheil, welcher zuerst in das Auge fällt, am meisten unsere Aufmerksamkeit fesselt, und so wird die Mehrzahl der Leser schon mit Einzelnen der Beobachtungen bekannt sein, welche wir hier im Zusammenhange zu schildern versuchen werden. Der berühmte schwedische Botaniker Linné beschäftigte sich zuerst gründlicher mit diesem Gegenstande; bekannt ist die reizende Blumen-Uhr, welche er durch Zusammenstellung einer Anzahl von Pflanzen bildete, deren Blüthen sich zu einer bestimmten Stunde des Tages oder der Nacht öffnen oder schließen. Mit anerkennungswerther Pietät für das Andenken des verdienstvollen Mannes hat man diesen Schmuck seines Studirzimmers bis auf den heutigen Tag erhalten, und zeigt ihn den Besuchern des Linné-Hauses.

Nach Linné zerfallen die Blüthen hinsichtlich der Schlaf- und Wachbewegungen in drei Classen: 1. Blüthen, welche sich nur öffnen, wenn die Sonne sie bescheint, und sich bei Eintritt von feuchtem oder trübem Wetter sofort schließen. Dieser Fall ist ein seltener, wir treffen ihn bei der Regen-Ringelblume, der morphotica oder calendula pluvialis. 2. Blüthen, welche sich bei Anbruch des Tages öffnen und mit Einbruch der Dunkelheit schließen; zu dieser Classe muß die Mehrzahl der Blüthen gerechnet werden. 3. Blüthen, welche sich ohne Rücksicht auf Tag und Nacht zu einer bestimmten Stunde öffnen. An Beispielen von Pflanzen, welche dieser Abtheilung angehören, mangelt es nicht; so öffnet der Portulak seine Blüthen nur um Mittag, der Lein stets in den Vormittagsstunden. Die Königin der Nacht, cactus oder cereus grandiflorus, entfaltet die Farbenpracht ihrer Blume zwischen neun und zehn Uhr Abends, und läßt dieselbe schon am nächsten Morgen wieder welken, wenn man die Pflanze nicht in dunkle und kühle Räume bringt. In den Tropen sollen zahlreiche Pflanzen diesem Vorbilde folgen, unter den einheimischen kennen wir nur zwei, welche zur Nachtzeit blühen, die Abend-Lichtnelke, lychnis vespertina, und das nickende Leimkraut, silene nutans.

Nicht allein die Blumenblätter, sondern auch die Blätter des Kelches verändern bei den Bewegungen ihre Stellung; ja bei der Pflanzenfamilie der Compositen, so genannt, weil eine bedeutende Anzahl von Blüthen eine einzige Blume zu bilden scheint, wie bei der Camille, dem Gänseblümchen, der Arnica, Scabiose, nimmt der diese Blüthen einschließende gemeinschaftliche Hüllkelch ebenfalls an der Bewegung Theil. Bei der Camille und einigen andern rollen sich die Blumenblätter mit Anbruch der Dunkelheit ein; der Hahnfuß läßt zur Nachtzeit den Blüthenstiel herabhängen und erhebt ihn wiederum bei Tage.

Die Versuche mit Licht und Dunkelheit, Temperaturveränderung u. s. w. haben bei den Blüthen die gleichen Resultate, wie bei den Blättern, wir wollen daher eine Wiederholung vermeiden.

Nicht jede Pflanze zeigt Schlaf- und Wachbewegungen, eine beträchtliche Anzahl verhält sich ganz indifferent, so z. B. alle, welche den Familien der Hülsengewächse und Orchideen angehören.




Blätter und Blüthen.


Ein praktisches Justizverfahren. Sir John Malcolm, einer der letzten Gouverneure von Bengalen, erzählt folgendes Beispiel indischer Justiz:

„Ich war auf dem Marsche von Compoulty nach Panwell, gegen Bombay zu, als ich einige Meilen von der Stadt eine kleine Schaar Bewaffneter einholte, die einen jungen Menschen mit gebundenen Händen in ihrer Mitte führten. Die Wächter gehörten dem Peischwah der Maharatten in Punah. Ich frug, wer der Gefangene sei und wohin sie ihn führten. Der Anführer sagte, daß sie ungefähr noch eine Meile bis zu einer gewissen Stelle gehen wollten, wo kürzlich ein Raubmord stattgefunden hatte; „und dort,“ fügte er hinzu, „werde ich dem Burschen da den Kopf abschlagen.“ – „Ist er der Mörder?“ frug ich ihn. „Nein,“ erwiderte der Anführer, „ich glaube gar nicht, daß er etwas von der Geschichte weiß. Er ist aber aus dem Lande der Siddih“ – dabei zeigte er nach einer nahegelegenen Gegend, die noch im Besitze der Nachkommen der früheren Admirale des Großmoguls war – „von woher, wie wir genau wissen, die Mörder kamen, und wir haben einmal für immer den Befehl, bei jedem derartigen Vorkommniß sogleich in ihr Land zu fallen und den ersten erwachsenen Mann, der uns in den Weg kommt, zu packen und hinzurichten. Auf diese Weise ist auch der junge Kerl da gestern gefangen worden und muß heute sterben.“ Als ich mein Staunen und Entsetzen über dies Verfahren kund gab, welches den Unschuldigen für den Schuldigen büßen läßt, meinte er, daß ihn das gar nichts angehe, er thue einfach nur, wie ihm befohlen sei. „Doch glaube ich wirklich, daß es ein sehr guter Plan sein muß,“ fuhr er fort, „denn erstens rührt er von Nanah Furnavese her, der ein überaus weiser Mann war; und dann bin ich alt genug, mich der Zeit zu erinnern, wo kein Jahr verging ohne zwanzig bis dreißig Räubereien und Mordthaten auf diesem Wege, und zwar sämmtlich durch Banden aus dem Siddihlande. Jetzt hingegen ist dergleichen eine große Seltenheit und wird nicht über vier oder fünf Mal vorgekommen sein in den zwölf bis fünfzehn Jahren, seit diese Methode eingeführt wurde.“ Wir hatten bald den zur Hinrichtung bestimmten Ort erreicht. Die Wächter machten Halt und zündeten ihre „Hubbelbubbels“ oder Pfeifen an. Dem Gefangenen wurden die Hände aufgebunden und auch er rauchte mit großer Gemüthsruhe seine Pfeife, wie er denn durchweg die gleichgültigste Ergebung in sein Schicksal zu erkennen gab. Als sie ihre Pfeifen ausgeraucht hatten, banden sie ihm die Hände wieder auf den Rücken, führten ihn einige Schritte abseits der Straße und hießen ihn niederknieen. Der Anführer, welcher neben ihm stand, packte mit beiden Händen ein gerades zweischneidiges Schwert und rief ihm zu: „Bück’ einmal den Kopf!“ Der junge Mensch that, wie verlangt; blitzend fuhr das Schwert herab und im Augenblick rollte der Kopf im Sande, während der Leib hoch aufsprang und zurückfiel. Nachdem sie hierauf den Leichnam zur Warnung für Andere mit den Füßen an einen Baum gehangen hatten, setzten sie sich wieder hin und schmauchten in tiefster Gewissensruhe ihre zweite Hubbelbubbel, worauf sie wieder nach der Stadt zurücktrabten.


Die photographischen Wirkungen des Blitzes. In der meteorologischen Gesellschaft zu London hielt kürzlich Herr Poey, Director des Observatoriums von Havanna, einen Vortrag über die photographischen Wirkungen des Blitzes, indem er mehrere der beglaubigtsten Beispiele dieser eigenthümlichen und noch unerklärten Naturerscheinungen zusammenstellte. Obwohl sicherlich schon früher oftmals beobachtet, ist es doch Benjamin Franklin, der 1786 zuerst in authentischer Weise von ihr spricht, indem er wiederholt des Falles eines Mannes erwähnt, der, vor einem Baume stehend, den eben der Blitz traf, das genaue Abbild des Baumes auf der Brust hatte. Ein ähnliches Beispiel erzählt das in New-York erscheinende Journal of Commerce unter dem 26. August 1853: „ein kleines Mädchen befand sich an einem Fenster, vor dem ein junger Zuckerahorn stand; nach einem blendenden Blitzstrahle fand sich ein vollständiges Bild des Baumes auf ihrem Leibe abgedrückt.“ Es ist das nicht der erste Fall dieser Art. Der italienische Gelehrte Orioli brachte mehrere Beispiele dieser Naturerscheinung vor den wissenschaftlichen Congreß von Neapel. Im September 1825 traf der Blitz den Vormast einer Brigantine im Hafen von Arriero; ein unter dem Maste sitzender Matrose wurde erschlagen, und auf seinem Rücken fand man den ganz ähnlichen und gleich großen Abdruck eines Hufeisens, das an der Mastspitze befestigt war. Bei einer anderen Gelegenheit bekam ein Matrose, der ebenfalls in der Nähe eines Mastes auf dem Verdeck stand, auf seine linke Brust den Abdruck des Zeichens 4.4, in allen Stücken genau so wie es sich an der Spitze des Mastes befand. Eine Dame von Lugano saß im Jahre 1847 während eines Ungewitters in der Nähe des Fensters. Sie empfand wohl die allgemeine Erschütterung der Luft bei den niederfahrenden Blitzschlägen, ward sich indessen keiner Verletzung bewußt. Nichts destoweniger fand sich das genaue Abbild einer Blume, die in der Bahn der elektrischen Strömung stand, auf ihrem Bein, und verlor sich nicht wieder. Herr Poey schloß diesen Theil seines Vortrags mit einem bereits früher in einer Schrift von ihm erwähnten Vorfall. Am 24. Juli 1852 wurde auf einer Kaffeeplantage von Cuba eine Pappel vom Blitze getroffen, und auf einem der großen dürren Blätter fand man die treue Abbildung mehrerer Nadelbäume, die in einer Entfernung von 1000 Fuß standen. Die theoretische Erklärung dieser Blitzabdrücke anlangend, so glaubt er sie mit den elektrischen Bildern, wie Moser, Rieß, Karsten u. A. sie gewonnen haben, zusammenstellen zu dürfen. Daß jene Blitzbilder unbeschadet der Kleidung unter ihr abgedrückt werden, überrascht nicht, wenn man erwägt, daß die grobe Textur derselben das elektrische Fluidum mit dem ihm eingeprägten Bilde nicht aufhalten kann. Zur Unterstützung dieser Ansicht erwähnte Herr Poey noch eines Falles, wo der Blitz durch den Schornstein und den Kamin in einen Koffer gefahren ist, in dem sich nachher ein Zoll tief Ruß fand, der somit durch das Holz selbst gedrungen sein mußte.






Zur Notiz.

Das Kind, welches in der „Gartenlaube“ Nr. 23 seine Eltern sucht, betreffend, den Anfragen nach ihrem Schicksale, und dem jetzigen Aufenthalte des Mädchens, wie allen denen, welche noch Lust haben, danach zu fragen, diene hiermit ein für allemal zur Antwort, daß ich bloße neugierige Fragen nicht beantworten, gern aber, wie ich dies auch am Schlusse meines Artikels versprochen habe, denen, welche nur ein Interesse an dem Schicksale des Mädchens nachweisen, jede gewünschte Auskunft ertheilen werde. Für Neugierige habe ich keine Zeit, wohl aber für das Wohl des Mädchens, dessen Unterbringung in einer allgemein geachteten Anstalt eine wahrhaft glückliche genannt werden darf. Die Redaction der „Gartenlaube“ wird Briefe unter meiner Adresse stets befördern.

G. A.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_380.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)