Seite:Die Gartenlaube (1857) 366.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

stand auf und entfernte sich, wieder mitten durch die Gruppe der Officiere. Sie hatten seinen so schnellen Aufbruch wohl nicht erwartet; Keiner hielt ihn auf; sie sahen ihm nur überrascht nach.

„Was ist das für ein Kerl?“

„Gott weiß es.“

„Hat ihn noch Keiner gesehen?“

„Keiner.“

„Ein frecher Bursch.“

„Er weiß vielleicht, daß er es hier sein darf.“

„Was soll das heißen?“

„Daß er hier nur hinausgeworfen werden kann, und das mag ihm schon oft passirt sein.“

De basse extraction, meinen Sie, Graf?“

„Irgend ein entlaufener Kellner oder Croupier.“

„Der Mensch hatte Manieren.“

„Die hat er den Leuten abgesehen, von denen er Trinkgeld erhielt.“

„Habt Ihr die kostbaren Brillanten gesehen, die er an den Fingern trug?“

„Böhmische Steine.“

„Und,“ versicherte wichtig ein Lieutenant, der kürzlich von einer Reise aus Frankreich zurückgekehrt war, „seine Kleidung kommt direct aus Paris; ich kenne den Schnitt.“

„Aus Paris kann mancher Narr mit einem neuen Rock kommen,“ sagte ein nicht mehr ganz junger Rittmeister von den Kürassieren.

„Aber, meine Herren, ein Abenteurer, ein Industrieritter schenkt keinen Ducaten fort.“

„Jeannette, hat er Ihnen wirklich einen Ducaten gegeben?“

„Einen ganz nagelneuen, Herr Lieutenant,“ rief die hocherfreute Aufwärterin; „von diesem Jahre. Sehen Sie nur, wie er glänzt!“

„In der That. Auf Ehre!“

„Pah, auch Rechenpfennige glänzen.“

„Lassen Sie einmal sehen, Camerad; in Paris habe ich gelernt –“

„Ei, zum Teufel,“ entschied grob der Rittmeister, „man braucht nicht nach Paris zu reisen, um einen falschen Ducaten von einem echten zu unterscheiden. Der Ducaten ist echt.“

Der Rittmeister verstand sich darauf; er war ein guter Haushalter; Niemand widersprach ihm. Dagegen erhob sich jetzt ein anderes Bedenken.

„Es wäre ärgerlich, wenn er kein Aventurier wäre. Er war keck, herausfordernd; man hätte ihm das nicht dürfen hingehen lassen.“

„Es kann ja ein reicher Kaufmannssohn sein.“

„Die haben keine Manieren.“

„Und sind geizig in Kleinigkeiten.“

Der Rittmeister von den Kürassieren entschied auch hier.

„Ist etwas an ihm, so wird er morgen schon wiederkommen. Ihr könnt ihm dann auf den Zahn fühlen.“

Der Fremde kam wirklich am folgenden Tage wieder. Es war wieder schlechtes Wetter; die Herren saßen im Zimmer und warteten auf ihn. Einige sahen sogar erwartend durch das Fenster auf die Straße hinaus.

„Da kommt er! Aber, pah, in einer Droschke!“

„In einer alten, ordinären Straßendroschke? Ich sagte es ja, ein entlaufener Kellner oder ein Croupier, der falsch spielen kann.“

„Aber, zum Teufel, seht, er gibt dem Kutscher einen Thaler; der Kerl will ihm herausgeben. Er stößt beinahe mit Abscheu die Hand zurück, als wenn sie ihm zu schmierig sei oder nach Pferdemist röche. Ein verdammter Kerl!“

„So fühlt ihm auf den Zahn,“ sagte der Rittmeister.

Der Officier, der am gestrigen Tage von dem Fremden wie eine Feder auf die Seite geschoben worden war, setzte sich unmittelbar vor die Thür. Diese, mit einem Glasfenster versehen, durch das man von außen in das Zimmer sehen kann, flog rasch und kräftig auf; der Officier lag mit seinem Stuhle und seinem langen Säbel am Boden. In der Thür stand der Fremde. Der Officier sprang auf.

„Mein Herr –!“

„Was beliebt?“

„Werden Sie mir Satisfaclion geben?“

„Gewiß.“

Können Sie mir Satisfaction geben?“ sagte der Officier, das erste Wort mißtrauisch betonend.

Der Fremde zog statt der Antwort eine Karte hervor, die er dem Officier überreichte.

„Graf Zilly?“

„Wie Sie sehen.“

„Aus Tyrol?“

„Aus dem italienischen Tyrol.“

„Sie wohnen?“

„Ich stehe Ihnen sogleich hier zu Befehl, wenn Sie mir nur erlauben wollen –“

„Ha, eine Bedingung –“

„Vorher meinen Kaffee zu trinken.“

„Kaffee,“ rief er der hübschen Aufwärterin von gestern zu, die etwas verlegen nicht gewußt hatte, ob sie sich vordrängen oder zurückziehen solle. Dann setzte er sich wieder an den kleinen Marmortisch, und die hübsche Aufwärterin, keine andere brachte ihm den Kaffee. Er legte wiederum einen Ducaten auf die Platte.

Das Mädchen sah ihn erröthend fragend an.

„Für Sie, mein Kind.“

„Aber, mein Herr –“

„Für Sie.“

Er trank seinen Kaffee aus und trat zu dem Officier, dem er seine Karte gegeben hatte.

„Ich bin zu Ihren Befehlen, mein Herr!“ Zugleich wandte er sich an die übrigen Officiere. „Ich bin hier fremd, meine Herren, und erst seit gestern hier. Wäre Einer von Ihnen so gütig, mein Secundant zu sein?“

Die jüngeren Officiere blickten unentschlossen ihren Cameraden an.

„Ich werde mir ein Vergnügen daraus machen,“ sagte der Rittmeister von den Kürassieren.

„Ich bin Ihnen dankbar, mein Herr. Sie werden Alles arrangiren?“

„Hätten Sie hinsichtlich der Waffen einen Wunsch?“ fragte der Rittmeister.

„Mir ist jede Waffe gleich.“

Die Officiere beriethen sich ein paar Minuten miteinander; darauf trat der Rittmeister zu dem Grafen Zilly zurück.

„Sie nehmen Pistolen an?“

„Gewiß.“

„Zehn Schritt Barriere?“

„Einverstanden.“

„Wir können sogleich hinausfahren?“

„Auf der Stelle.“

Ein Fähndrich mußte bei dem Fuhrherrn Schultze in Nr. 15. unter den Linden die erforderlichen Wagen bestellen. In einer Viertelstunde waren diese da, und man fuhr – zur Hasenheide.

Die Hasenheide bei Berlin, jene unendliche Heide, bestehend aus dem reinsten märkischen Sande und den verkrüppeltesten preußischen Fichten, zu der man aus der großen Friedrichsstraße, an der Victoria auf dem Belleallianceplatze vorbei, hingelangt, jene Heide mit dem ominösen Namen ist der Schauplatz der Revuen, Manöver und anderen militärischen Uebungen der preußischen Garden, der Selbstmorde der Berliner Bummler und der Duelle der Officiere.

Dorthin fuhren die Herren. Hinter einem Haufen grauer Fichten, nicht weit von dem Schießstande der Artillerie, wurde der Kampfplatz ausgewählt und abgemessen. Die Pistolen, von den Officieren mitgebracht, wurden geladen und den Duellanten übergeben. Die Duellanten stellten sich auf die Mensur. Die Secundanten commandirten: Los! Sie schossen ein Tempo, fast mit Hand und Auge, und standen Beide noch fest, nachdem sie geschossen hatten. Wie hätten sie auch wanken sollen? Dem Grafen Zilly war nur der Brustlatz seines Rockes durchgeschossen, und dem Officier war nur die Mütze durchbohrt und eine Handvoll Haare auf dem Kopfe versengt.

„Teufel, das waren ein paar magnifique Schüsse!“

„Ich denke, damit könnten die Herren zufrieden sein,“ erklärte der Rittmeister.

„Ich meinerseits gern,“ sagte der Graf.

„Dann auch Du, Bruder!“ riefen dem Officier seine Cameraden zu.

„Wenn Ihr meint, daß ich darf.“

„Du darfst, Du mußt; reicht Euch die Hände.“

Alle reichten einander die Hände.

„Ah, meine Herren, und nun eine Bitte,“ sagte der Graf

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_366.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)