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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

seiner bündigen Weise zu ihm gesprochen: „Seh’ Er sich diese kleinen Dinger an, Herr Erzhallunke, und merke Er sich, was ich Ihm auf das Ehrenwort eines alten Soldaten sage: Wagt Er es, den Namen des Kriegsraths von P., oder sonst Jemandes, der diesen Namen trägt, nur noch einmal auszusprechen, so jage ich Ihm diese beiden Kugeln so gewiß durch Seinen schurkischen Schädel, als ich noch niemals mein Wort gebrochen habe.“

Es bedurfte dieser Drohung kaum, denn die Polizei war auf den Gauner bereits aufmerksam gemacht worden, und er wurde unmittelbar darauf in ein Arbeitshaus gesteckt, in welchem er bald darauf an den Folgen der Trunksucht im besinnungslosen Zustande gestorben ist.

Die englische Lebensversicherungsgesellschaft sandte, als sie von dem wahren Sachverhalt unterrichtet war, dem Major den Betrag des von dem Kriegsrath eingezahlten Policenbetrages zurück und erbot sich zur Zahlung einer jährlichen Rente an die Wittwe. Der Major nahm das Geld zur Verwendung für die Bedürfnisse der Wittwe an, lehnte jedoch die Rente ab.

Von den Schicksalen Ludwig’s werde ich meinen Lesern noch an einem andern Orte zu berichten haben.




Das Schillerhaus auch in Lauchstädt.
(Mit Abbildung.)

Alle Stätten, wo Schiller eine Zeit lang weilte, hat man mit Eifer aufgesucht und mit liebevoller Ausführlichkeit beschrieben; man bezeichnete sie der Erinnerung der Mit- und Nachwelt und bemüht sich, sie in gutem Stande zu erhalten. So in Marbach, in Oggersheim, in Mannheim, in Gohlis bei Leipzig, in Loschwitz bei Dresden, in Bauerbach, in Volkstedt bei Rudolstadt, in Jena und in Weimar. Ein Haus nur blieb unbeachtet, obgleich unser Dichter die schönste Stunde seines Lebens darin genoß, nämlich das erste Geständniß der Liebe mit Charlotte von Lengefeld tauschte, die sein künftiges häusliches Glück begründen sollte. Daß dieses Liebesgeständniß 1789 in Lauchstädt erfolgte, als die beiden Schwestern von Lengefeld mit der Freundin Caroline von Dachröden, der künftigen Gattin Wilhelms von Humboldt, das dortige Bad gebrauchten, wissen alle, die mit dem Lebensgange Schiller’s einigermaßen bekannt sind; aber es fehlte bisher an jedem sichern Anhalte, das Haus zu ermitteln, welches damals jene drei jungen adeligen Damen als Badegäste bewohnten. In den gedruckten Briefen Lottens wird es nur zweimal erwähnt; einmal schreibt sie: „wir werden bei einem Tischler Küchler wohnen,“ und das andere Mal: „wir wollen Sie (Schiller) auch einen schönen Weg führen, der uns so lieb ist. Dicht an unserem Hause ist eine Wiese mit Bäumen, ein einsamer Weg, ganz unbesucht, denn die christliche Welt findet ihn unrein; es ist der Platz, wo Gerippe und Knochen hingeworfen werden.“

Da schrieb mir kürzlich die einzige noch lebende Tochter Schiller’s, Freifrau von Gleichen, in einem der Briefe, mit denen sie mich gelegentlich beehrt: „Sie kommen doch bisweilen nach Lauchstädt? Existirt wohl das Haus des Tischlers Küchler noch, in dem sich Lotte mit Schiller versprach? Die Mutter zeichnete es damals und eine Copie dieser kleinen Zeichnung lege ich bei, damit Sie vergleichen könnten u. s. w.“

Mit Hülfe dieser Zeichnung mußte es allerdings leicht werden, das betreffende Haus zu finden, falls dasselbe noch existirte; die Freunde aber, die suchen halfen, wanderten in den Straßen des Städtchens auf und ab, ohne ein Haus zu treffen, das mit dem skizzirten auch nur einige Aehnlichkeit hatte. Schon hieß es: „Das Haus ist gar nicht mehr vorhanden,“ aber ehe man dies für bewiesen annahm, wurde vorgeschlagen, die Häuser Lauchstädts auch noch von der Rück- oder Gartenseite zu mustern. Mit Ausdauer geschah auch dies und nun zeigte sich allerdings ein Haus, welches der Zeichnung vollkommen entsprach und dessen Garten jedenfalls ein Theil jener oben erwähnten Wiese, da dort auch der einsame Weg noch vorhanden ist.

Eine Besprechung mit dem jetzigen Besitzer, der sich nicht wenig verwunderte, daß sein kleines Haus plötzlich ein ganz besonderes Interesse erhalte, entfernte jeden Zweifel, der etwa noch hätte bestehen können; denn er wußte nicht nur, daß das Haus früher einem Tischler Küchler gehört habe und von demselben erbaut worden sei, er kannte auch den Lebenslauf jenes Mannes und die Geschichte des Hauses in späteren Jahren. Ueber der Eingangsthür lieset man selbst heute noch das Jahr der Erbauung (1782) und die Anfangsbuchstaben des Namen des Tischlers G. K.

Daß dies Haus – Nr. 108 in der Armenhausgasse – das gesuchte wirklich ist, steht nach allem dem wohl unzweifelhaft fest, und wir legen deshalb die Ansicht desselben von der Gartenseite vor, wie es jetzt aussieht, fast gänzlich unverändert wie damals, da Lotte von Lengefeld, als Schiller’s Verlobte, im Glück ihrer Liebe, zur Erinnerung eine Zeichnung davon entwarf.

Um auch zu ermitteln, ob das Zimmer, in welchem Schiller am Vormittage des 3. Augusts 1789 der Erwählten seines Herzens seine Liebe gestand und sie zugleich um ihre Hand bat, wenigstens der Haupteinrichtung nach wie damals existire, ließ ich mich von dem freundlichen bejahrten Besitzer die Treppe hinaufführen. Schon diese Treppe zeigt, daß jener Tischlermeister sein Haus für vornehme Gäste des in jener Zeit gar blühenden Bades bestimmte, wenn ihm auch seine Mittel nicht gestatteten, etwas irgendwie Großartiges zu schaffen. Noch mehr erkennt man das in dem Hauptzimmer, das zwar klein und niedrig ist, aber damals mit einer gewissen bescheidenen Eleganz ausgestattet gewesen zu sein scheint, namentlich in so weit als der Tischlermeister mit eigener Hand sie herstellen konnte. Die Wände sind nämlich vom Fußboden bis zur Decke mit Holztafeln belegt, die oben am Sims herum zierliche Holzrosetten, unten aber etwa zwei Fuß hohe Stäbchen und zwischen je vier derselben Pfeile haben. Die Rosetten oben und die Pfeilspitzen waren sonst vergoldet, die Holztafeln aber mit weißer Oelfarbe bestrichen. Das wußte der jetzige Besitzer noch, denn er erst hat den Wänden des Zimmer einen gleichmäßigen dunkelgrünen Anstrich geben lassen. An dieses Zimmer stößt, nach dem Garten zu, das kleine Schlafgemach, dessen Fenster auf die offene Galerie führt und darüber hinaus in’s Freie sieht, sonst aber auf die Wiese mit den Bäumen und Gerippen und auf den einsamen Weg sah. Wie oft mag „Lotte“ hier mit sehnender Liebe ihres entfernten Schiller’s gedacht; wie oft auf jener Gallerie gestanden und sinnend hinaus in’s Freie geschaut haben!

Schiller hatte Lotten von Lengefeld bekanntlich zum erstenmal in Rudolstadt am 6. Dcbr. 1787 flüchtig gesehen, einige Wochen darauf in Weimar sie näher kennen gelernt und den Wunsch gegen sie ausgesprochen, den Sommer 1788 in oder bei Rudolstadt zu verbringen. Lotte suchte ihm nach ihrer Rückkehr eine Wohnung in Volkstedt aus und der junge Dichter verlebte nun mehrere Monate im Umgange mit den Schwestern Lengefeld und deren Mutter. Von dem innigen Freundschaftsverhältnisse, das sich bildete, geben die erhaltenen und gedruckten Briefe ein gar schönes Bild, wie sie ahnen lassen, daß in Schillers und Lottens Herzen allmählich noch wärmere Gefühle sich entwickelten. Der briefliche Verkehr, der immer zunehmende Innigkeit und Vertraulichkeit verrieth, wurde den Winter über, als Schiller Volkstädt wieder verlassen hatte, lebhaft fortgesetzt und als die beiden Schwestern mit der kränkelnden Freundin, Caroline von Dachröden, im Sommer 1789 Lauchstädt besuchen wollten, reiseten sie über Jena, um den Dichter zu sprechen, der unterdeß Professor dort geworden war. Dabei wurde verabredet, daß Schiller die Damen in dem Bade besuchen solle, und zwar, damit der Besuch nicht auffalle, unter dem Vorwande, er reise nach Leipzig, um da mit dem Freunde Körner zusammenzutreffen.

Am 14. Juli 1789 kamen die drei Damen in Lauchstädt an und bezogen das jungfräulich weiße Zimmer im Hause des Tischlers. Schiller schrieb ihnen mehrmals, die Reise aber wurde ihm sehr schwer gemacht, weil sich ihm, wie er sagt, Jemand für dieselbe „aufgehängt“ hatte, den er nicht gerade abweisen konnte, dem er aber auch nicht sagen mochte, daß er nicht direct nach Leipzig, sondern über Lauchstädt reise. Er bemühte sich indeß mit Glück, jene ihm lästige Person los zu werden. Lotte unterdeß sehnte sich nach ihm und sprach es deutlich genug in ihren Briefen aus. „Je mehr mich die Menge Menschen und das Geräusch der sogenannten großen Welt sollte von dem Andenken unseres stillen Lebens vom

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_356.jpg&oldid=- (Version vom 27.6.2022)