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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

ein preußischer Soldat war, in meinen Diensten hatte. Mein Freund Hansen, dem ich einen gewissen Antheil am Geschäft gab, war gewöhnlich bei den Goldgräbern selbst und besorgte den Verkauf der von mir transportirten Lebensmittel, während ich selbst stets auf den Wegen mich umhertrieb. Viel Geld verdiente ich auch damit, daß ich den Transport von Goldstaub aus den Golddistricten nach Sacramento, ja zuletzt selbst bis nach Francisco besorgte. Freilich hatte ich großes Risiko dabei, denn auf meinen Thieren lag oft für 5–6000 Dollars Goldstaub, den ich gekauft und der nun auf meine eigene Rechnung und Gefahr ging. Tag und Nacht mußte ich wachsam sein, damit mir mein Schatz nicht auf heimliche oder gewaltthätige Weise geraubt wurde. Die Unsicherheit auf den Wegen war nur zu groß, und Raubanfälle gehörten nicht zu den Seltenheiten, wie ich denn innerhalb des Jahres, das ich dies Transportwesen betrieb, dreimal habe zu den Waffen greifen müssen, um mein Eigenthum gegen freche Räuber zu vertheidigen. Sowohl ich wie Hansen und meine beiden deutschen Gehülfen waren zu diesem Zwecke auch stets schwer bewaffnet, und glichen viel mehr Räubern, wie friedlichen Reisenden. Lange Stiefeln mit den großen mexikanischen Sporen, eine blaue Blouse, die durch einen breiten Ledergurt, in dem ein Paar sechslaufige scharfgeladene Revolvers steckten, zusammengehalten wurden, außerdem noch einen guten deutschen Hirschfänger an der Seite, dazu einen Matrosenhut auf dem Kopfe und eine treffliche Büchsflinte, den einen Lauf mit einer Spitzkugel, den andern mit Rehposten geladen, so saß ich im Sattel meines zwar kleinen, aber starken, feurigen und ausdauernden mexicanischen Hengstes. War schlechtes Wetter in der Regenzeit, so wurde ein dicker chilenischer Poncho, in der Art wie die baierischen Postillone den Kopf durch eine Oeffnung ihrer wollenen Decken stecken, über das Ganze gezogen. Eben so gekleidet und schwer bewaffnet waren auch meine übrigen deutschen Gehülfen, und so konnten wir einen Kampf mit den Straßenräubern schon aufnehmen.

Das erste Mal, daß ich zu den Waffen greifen mußte, um mich und mein Eigenthum gegen freche Räuber zu vertheidigen, war dies noch dazu gegen zwei mexicanische Maulthiertreiber, die in meinen eigenen Diensten standen. Ich war mit den Schuften, die vier nur halbbeladene Thiere trieben, ganz allein, während ich vorne in den Satteltaschen auf meinem Pferde für 2000 Dollars Goldkörner hatte. Diese Gelegenheit schien den Kerlen günstig, um mich zu ermorden und auszuplündern. Auf einer einsamen Stelle des Weges, wo auf Meilen weit kein menschliches Wesen zu erwarten war, und ich ruhig einige Schritte voraus ritt, um die beste Stelle in dem sehr tiefen Schmutz auszukundschaften, wirft Einer dieser Mexicaner mir plötzlich hinterrücks die Schlinge seines Lasso um den Hals, um mich so aus dem Sattel zu ziehen und zu erwürgen. Es wäre ihm dies auch entschieden gelungen, wenn mir die Natur nicht glücklicher Weise eine große Körperkraft und eine ziemliche Kaltblütigkeit verliehen hätte. Zufällig trug ich an dem Tage ein dickes rothes Tuch um den Hals gewunden, so daß die Schlinge des Lasso mir denselben nicht sogleich zuwürgen konnte, wie sonst bei bloßem Halse geschehen wäre. Dies rettete mich, denn trotz des heftigen Ruckes, den ich durch den stark angezogenen Lasso fühlte, konnte ich mich doch noch so lange im Sattel erhalten, um meinen sehr scharfen Hirschfänger zu ziehen. Mit aller Kraft führte ich nun rückwärts einen Hieb gegen den Lasso-Riemen, und obgleich ich mich selbst dabei an der Schulter etwas verletzte, so glückte es mir doch, denselben zu durchhauen. So wie dies nun geschehen war, konnte ich mich als gerettet betrachten und warf meinen Hengst auf der Stelle herum, um meine heimtückischen Angreifer zu verfolgen. Der eine Mexicaner feuerte noch seine Pistole auf mich ab, verfehlte mich aber, dann liefen die beiden Kerle so schnell wie sie ihre Füße nur tragen konnten, davon. Ich jagte ihnen zu Pferde nach und es glückte mir, den einen Kerl einzuholen und unter der Androhung, ihm augenblicklich eine Kugel durch den Kopf zu jagen, was ich auch entschieden gethan haben würde, zum Stehen zu bringen. Er warf sich auf die Knie nieder, flehte mich im Namen aller möglichen Heiligen um Gnade an und wollte alle Schuld auf seinen Gefährten, der davon gelaufen war, schieben. Dem Schuft nun immer die Mündung meines Revolvers dicht vor den Kopf haltend, stieg ich ab und legte meinem Gefangenen die Schlinge seines eigenen Lasso um den Hals, so daß er mir wie ein störrischer Hund folgen mußte. So brachte ich ihn nach einigen in der Nähe stehenden Eichen, band zuerst mein Pferd an einen und dann meinen bittenden und winselnden Gefangenen mit den Händen an einen andern jungen Baum, so daß er sich gar nicht wehren konnte. Nachdem dies geschehen war, wusch ich mir erst selbst meine Wunde an der Schulter mit etwas Branntwein aus der Flasche des Mexicaners aus, zündete mir dann ruhig meine Pfeife an und schnitt einen recht schlanken geschmeidigen Eichenstock von der Dicke eines Fingers ab. Mit diesem bearbeitete ich nun den Rücken meines Gefangenen, der bloß mit einem Hemde bekleidet war, denn seinen Poncho hatte er schon bei seiner Flucht verloren, so lange ich meinen Arm nur rühren konnte, ohne mich um sein klägliches Geschrei nur im Geringsten zu bekümmern.

Nachdem dies geschehen war, frühstückte ich ruhig und holte nur die vier Maulesel, die sich einige tausend Schritte verlaufen hatten, wieder zusammen, worauf mein Gefangener dann eine zweite Auflage von Hieben, die aber diesmal nicht so stark wie die erste war, erhielt. Ich zerbrach ihm nun seine Waffen, band ihn los und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt auf den H… zum Abschied, worauf er dann laufen konnte, um sich seinen Galgen selbst zu suchen. Sehr viel Mühe machte es mir nun, die vier störrischen Maulesel allein vorwärts zu treiben, und da mich auch meine Schulter schmerzte, so war ich froh, endlich in Stockton, denn einige englische Meilen hiervon geschah dieser Angriff, anzukommen. Den andern Mexicaner traf ich einige Monate später zufällig in einem Spielhause in San Francisco. Er drückte sich aber gewaltig schnell, als er mich erblickte, und ich fand weiter kein Behagen daran, ihm nachzusetzen oder gar ihn der Obrigkeit anzuzeigen. Das Gerichtswesen war im Jahre 1848 mit sehr geringer Ausnahme in einer so scheußlichen Verfassung in ganz Californien, daß eigentlich Niemand seine Zuflucht zu demselben nahm. Ich wenigstens hätte nie eine Klage bei einem Gerichte in San Francisco angebracht, und der Grundsatz: „Hilf Dir selber“ ist hier stets von mir befolgt worden.

Diese Mexicaner, die sich zu vielen Tausenden in Kalifornien umhertreiben, sind größtentheils mit das schuftigste Gesindel, was nur auf Gottes weiter Erde herumkriecht, und das will wahrlich viel sagen. Ein großer Theil der Mordthaten und Raubanfälle, die in Californien geschehen, fällt auf Rechnung dieser Mexicaner, und wenn diese Kerle nicht so sehr feig wären, würden sie noch mehr Unfug anstiften. So kann man sie durch Energie ziemlich leicht im Zaume halten, und wenn sie nicht in weit überlegener Anzahl sich befinden, so wagen sie selten einen offenen Angriff. Ich hätte niemals solche Kerle in meinen Dienst genommen, allein sie verstehen es vortrefflich, mit den oft sehr störrischen Mauleseln umzugehen, und haben namentlich auch eine ganz besondere Geschicklichkeit darin, die Ladung auf die Packsättel der Thiere richtig zu vertheilen, so daß diese nie gedrückt oder beschädigt werden. So sind sie als Knechte und Treiber bei einem Geschäft, wie ich es hatte, unentbehrlich und so gern ich auch gewollt, wäre ich mit vier deutschen Arbeitern dabei nicht ausgekommen. Auch sind diese Mexicaner sehr mäßig und ausdauernd und wenn sie auch sonst nur so geringe Körperkräfte besitzen, daß mein Hansen einst mit leichter Mühe ein Faß, was drei Mexicaner nicht von der Stelle fortbewegen konnten, ganz allein fortschob, so haben sie doch eine große Zähigkeit und Gewandtheit und sind auf der Landstraße die besten Knechte, die man nur wünschen kann. Dies sind aber auch ihre einzigen guten Eigenschaften und ich habe gewiß an zwanzig verschiedene mexicanische Knechte gehabt, von denen der eine noch immer ein größerer Schuft als der andere war und die nur durch die wachsamste Aufsicht in Ordnung gebracht werden konnten. Ich machte stets sehr kurzen Proceß mit diesen Leuten, bezahlte sie sehr gut, strafte aber jede Schurkerei von ihrer Seite auf der Stelle und zwar mit dem Stocke, indem ich sie gehörig durchhieb und dann fortjagte. Wenn sie auch noch so viel fluchten und sich wie toll gebährdeten und mit ihrer Rache drohten, sobald ich mein Prügeln begann, ich kehrte mich nicht im Mindesten daran und hieb desto kräftiger darauf los. Dies brachte mich bei den Kerlen in Ansehen und ich hatte zuletzt eine sämmtliche Autorität bei diesen mexicanischen Maulthiertreibern, die freilich nur so lange währte, als ich, mit den Revolvern im Gürtel und dem Stocke in der Hand, mich mitten unter ihnen befand.

Auch der zweite Anfall, dem ich ausgesetzt war, geschah von Mexicanern, und zwar mit offener Gewalt in der Nacht. Es war eine förmliche Räuberbande, gut beritten und bewaffnet, wohl 12–14 Köpfe stark, die uns in der Nacht angriff. Ich hatte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_335.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)