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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Von nun an war seine Existenz fest begründet. Nur ein Wunsch blieb ihm noch, der freilich am schwersten von allen zu erfüllen schien; es war der: ein liebendes Wesen, eine treue Lebensgefährtin zu besitzen. Umsonst sah er sich, wie so viele Europäer, nach einem passenden und würdigen Gegenstand seiner Neigung auf der Insel um. Endlich erkor er sich, da keine weißen Jungfrauen vorhanden waren, eine der braunen Töchter des Landes, die Tochter eines Majors. Sie war ein hübsches Kind mit runden, vollen Formen und hätte billigen Ansprüchen vollkommen genügt, wenn nicht die braune Hautfarbe und die geschmacklose Kleidung sie entstellt hätten.

Der Luxus, welcher auch nach diesen fernen Inseln gedrungen und zuerst bei der weißen Bevölkerung Eingang fand, hat auch unter den Indianern, namentlich den braunen Damen, große Fortschritte gemacht. Sie, die noch vor 70 Jahren fast nackt umhergingen, tragen jetzt zum Theil schwere schwarze, aus chinesischer Seide gefertigte Kleider, die ihnen bei ihrem hübschen Körperbau gut stehen würden, wären sie nur nicht zu plump gemacht und hingen sie nicht kattenartig in vielen Falten und ohne Taille von den Schultern herab.

Ein anderer Uebelstand war der, daß sich die jungen Eheleute nicht verstanden, da mein Freund zu kurze Zeit auf der Insel war, um von der Sprache der Eingebornen etwas begriffen zu haben. Indeß Schöne’s Wunsch war erfüllt; er hatte eine Frau, ja nicht nur eine, sondern oft das ganze Haus voll. Die zahlreiche Familie des Herrn Majors, sowie dieser selbst, stattete dem europäischen Schwiegersohne häufige Besuche ab, um sich an dem von meinem Freunde für seine Frau gekauften Boy[1] und Fischen gütlich zu thun. Die werthe Gesellschaft lagerte sich dann gewöhnlich auf die Dielen des Fußbodens, mit denen die Zimmer meines Freundes ausnahmsweise versehen waren (gewöhnlich ist der Boden mit Matten bedeckt), um das Boygefäß, welches sie rasch und ohne andere Werkzeuge, als die von der Natur verliehenen, seines Inhaltes entleerte. Ich mußte bei der Betrachtung dieser Gruppe oft lächeln. Was würde ein europäischer Major gesagt haben, wenn er diesen braunen Standesgenossen die Hand in den Napf hätte tauchen sehen! Trotz seinem hohen Titel stand natürlich dieser indianische Würdenträger sehr tief unter uns; die weiße Haut des Europäers gilt mehr als alle Diplome und Patente Kamehamehas, Königs der Sandwichinseln. Und nicht nur bei den Europäern selbst, sondern auch in den Augen der Schönen des Inselreiches, welche am liebsten einen weißen Mann in ihren Netzen zu fangen suchen. Sie wissen nämlich aus Erfahrung, daß dieser besser für ihre Bedürfnisse sorgt, als der träge Eingeborne, und daß sie dann ihrer angeerbten Vorliebe zum süßen Nichtsthun mit um so größerer Ruhe fröhnen können. Das Klima ist freilich heiß, der Boden sehr fruchtbar, die Bedürfnisse gering, Gründe genug, die braune Bevölkerung in ihrer Trägheit zu bestärken. Ist auch eine Tochter der Insel mit einem „Kauhaure“ (Weißen) gesetzlich verheirathet, so hindert sie das keineswegs, noch einige braune Freunde zur Seite zu haben, denen sie in der Regel mehr zugethan bleibt, als dem fremden weißen Ehemanne.

Nach dem Census von 1851 waren auf den Sandwichinseln 320 Weiße mit eingebornen Frauen verheirathet. Früher kam es häufig vor, daß sich entlaufene oder zurückgelassene Matrosen mit einer Indianerin verheirateten, über kurz oder lang aber die Inseln nebst den verrathenen Gattinnen verließen. Um diesen Mißbrauch abzustellen, hat die Regierung ein Gesetz erlassen, nach welchem Jedermann der obrigkeitlichen Erlaubniß bedarf, um die Inseln zu verlassen.

Trotzdem Schöne’s Frau selbst den allerbescheidensten Ansprüchen nicht genügen konnte, die ein Mann machen kann, so war er doch froh und glücklich. Er kaufte seiner Gattin fertig bereiteten Boy, soviel sie und ihr Besuch brauchte, und miethete sich einen Deutschen, der die Besorgung der Küche und des Hauswesens und die Abwartung der Pferde übernahm, da die Zunahme seiner Geschäfte ihm nicht mehr erlaubte, dies selbst zu thun. In Folge seiner Heirat war mein Freund mit dem königlichen Hofe näher bekannt geworden und er hatte Aussichten, Oberaufseher des königlichen Marstalles zu werden. Kamehameha III. war gestorben und sein Nachfolger, der einige Jahre in England gelebt hatte, suchte beim Antritte seiner Regierung verschiedene europäische Verbesserungen einzuführen. So viel versprechend war die Lage meines Freundes, als ich die Insel verließ.

Acht Monate später saß ich eines Abends müßig vor einem Sailor’s Boarding House im Hafen von Callas, und schaute auf die ruhige Bai hinaus, das Spiel der Pelikane beobachtend. Ich war seit zwei Tagen von Chili hier eingetroffen und wartete auf Gelegenheit, mich an ein nach Nordamerika oder Europa segelndes Schiff zu verdingen. Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit auf einen Seemann gelenkt, der mit einer schweren Matrosenkiste auf der Schulter dem Eingange meines Kosthauses zusteuerte. Die Ankunft eines neuen Gefährten von der See erweckt unter den Seeleuten großes Interesse. Man ist gespannt, vielleicht etwas von der alten lieben Heimath zu vernehmen oder von den Orten, wo man gelebt und verkehrt und werthe Freunde zurückgelassen hat. Ich folgte daher neugierig nebst einigen andern Seeleuten dem Ankömmling in das Innere des Hauses und vernahm von ihm, er sei von den azorischen Inseln gebürtig und komme direct von Honolulu, wo er, von einem amerikanischen Wallfischfänger krank zurückgelassen, vier Monate lang im Hospitale gelegen habe. Meine nächste Frage war nach meinem Freunde. Da derselbe in der Nähe des Hospitals wohnte, so war es leicht möglich, daß der Portugiese ihn hatte kennen lernen.

Ich habe ihn gekannt, war seine Antwort. Er starb während meines Aufenthaltes im Hospitale an den Folgen eines Schlagflusses in demselben Zimmer, in welchem ich lag. Der Sprache beraubt und an der linken Seite gelähmt, brachte man ihn zu uns, nachdem er in seinem eigenen Hause mehrere Tage fast ohne alle Pflege gelegen hatte. Nach einer Woche starb er. Die Regelung seines Vermögens übernahm ein amerikanischer Missionair, Bruder Damon, welcher schon seit vielen Jahren auf der Insel ansässig ist und allgemeines Vertrauen genießt, wie man mir sagte.

Ich wandte mich traurig ab. Armer Karl Schöne! So war auch Dir, wie so vielen Tausenden deutscher Brüder, das traurige Loos gefallen, fremden Boden zu düngen.“ –

Nach Entlassung aus dem Hospitale zu Honolulu trat Beck als Stößer in die Dienste des dortigen Hospitalarztes Hardy, der eine eigene Apotheke hatte. Es war dies bereits das siebente Geschäft, welches er seit seinem Aufenthalte in der neuen Welt betrieb. Er war Schmied, Wagner, Zuckerpflanzer, Farmer, Schwefelholzfabrikant und Matrose gewesen. Für seine Bemühungen und Dienstleistungen in der Apotheke erhielt er die Woche vier Dollars und freie ärztliche Behandlung. Durch seine Bekanntschaft mit dem amerikanischen Consul, der ihn zuvor aus den Händen seines Capitains befreit hatte, erhielt er noch einen andern Vertrauensposten. Beck wurde nämlich Aufwärter bei einem Billardclub, welchem dieser Herr als Mitglied angehörte. Nach sechs Wochen, da er sich hinlänglich gekräftigt fühlte, legte er sein Stößeramt nieder und kehrte zu Hammer und Amboß zurück; Marqueur blieb er aber noch einige Zeit. Nachdem er sieben Monate in seinem Geschäfte gearbeitet und sich einige Hundert Dollars erworben hatte, erkrankte er abermals. Er wandte sich an einen deutschen Arzt, der ihm den guten Rath ertheilte, die Insel ganz zu verlassen oder wenigstens die Nordseite derselben aufzusuchen, wo er weniger vom Klima zu leiden haben werde. Beck befolgte den Wink, verließ Honolulu und nahm auf der Nordseite der Insel seine Wohnung bei einem Eingeborenen, welcher Missionair und Steuereinnehmer war. Derselbe konnte lesen, schreiben und rechnen, und hatte die Civilisation in Gestalt einiger eisernen Kochtöpfe, Porzellanteller, eines Löffels, zweier alten Messer und einer abgebrochenen Gabel in seinem Haushalt eingeführt. Mit Hülfe des letzteren Geräthes labte sich Beck an Boy und gebackenen Fischen, der Hauptnahrung der Eingeborenen.

Nachdem er acht Wochen unter diesem gutmüthigen, aber trägen Naturvölkchen gelebt, welches der Ansteckung der Civilisation unfehlbar erliegen muß, kehrte er, ohne eine Besserung seiner Gesundheit erzielt zu haben, nach Honolulu zurück. Hier fand er eine Hamburger Brigg, die bereit war, nach Callao in Peru zu gehen; er nahm Passage auf derselben, und verließ die Sandwichinseln nach einem fünfzehnmonatlichen Aufenthalte. Nach einem Besuch auf der Insel Robinsons lief die Brigg aus Mangel an Lebensmitteln in den Hafen von Valparaiso ein. Beck, dem dieses „Thal des Paradieses“ gefiel, blieb sechs Monate hier, indem er in eine Schiffsschmiede Beschäftigung fand. Dann begab er sich nach Callao, besuchte Lima und fuhr mit einem Guanoschiffe, auf welchen er die Dienste eines Steward und Pastetenbäckers versah, um das Cap Horn nach Westindien. In St. Thomas gerieth unser wackerer

  1. Ein Brei, der aus der Tarowurzel bereitet wird.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_323.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)