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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Johann Gottlob Fichte, der große Philosoph, vorzüglich bekannt durch seine „Reden an die deutsche Nation,“ hatte der Pforte ebenfalls als Alumnus angehört. Recipirt wurde er daselbst im Jahre 1774. Auch auf ihn ist die Anstalt stolz und das von Rechtswegen. Nicht so stolz ist sie jedoch darauf, daß auch Dr. Karl Friedrich Bahrdt ihr als Kind angehört hat. Derselbe – recipirt 1754 – wurde Prediger und Professor zu Leipzig, dann Professor zu Erfurt und Gießen, Director des Philanthropins zu Marschlins in Graubünden, General-Superintendent der Grafschaft Leiningen und zuletzt – Gastwirth auf einem Weinberge bei Halle; welches Grundstück noch heutigen Tages „Bahrdts Weinberg“ heißt. Er schrieb unter Anderem: „die neuesten Offenbarungen Gottes“ – „Glaubensbekenntniß“ – „Briefe über die Bibel im Volkston.“ Mit einem Worte: er ist der bekannte „Aufklärer.“ Ein ehemaliger Lehrer in Pforta äußert sich über ihn, wie folgt:

„Mit gerechtem Stolz würde Pforta diesen merkwürdigen Mann zu ihren Zöglingen zählen, hätte er seine großen Gaben – er besaß unter andern ein vorzügliches Rednertalent – besser angewendet.“ Bruno Bauer hingegen sagt von ihm, daß er hier seine „Marterjahre“ habe zubringen müssen.

Außerdem gehörten der Pforte als Alumnen an: Johann Gottlob SchneiderSaxo – (rec. 1762), vorzüglich berühmt durch sein großes kritisches griechisch-deutsches Wörterbuch. Professor Krug in Leipzig (rec. 1782); der bekannte Theologe Heubner in Wittenberg (rec. 1793); der Hofrath Mitscherlich (rec. 1773); der Geheime Hofrath Eichstädt in Jena (rec. 1783); Huschke (rec. 1774); der Dichter Müllner (rec. 1788); Lange (rec. 1789), war später Rector zu Pforta, woselbst er auch starb; der Hofrath Böttiger in Dresden (rec. 1772); der General-Superintendent Sonntag in Riga (rec. 1778); der General-Superintendent Röhr (rec. 1790); der Superintendent Großmann in Leipzig (rec. 1796); Friedrich Thiersch in München (rec. 1798); der Dichter von Gaudy (rec. 1815) und Andere.

Yes!“ sagte Alfred, indem er das Pfortaer Album wieder aus der Hand legte – „Pforta ist eine ganz comfortable Pflegstätte der Wissenschaft, ein wahres Eldorado für Philologen; aber ein Eton – ist es nicht! Während aus unserem Eton Helden, Staatsmänner und parlamentarische Größen hervorgehen, finde ich hier nicht einen Namen, der –“

„Entschuldigen Sie gefälligst, daß ich Sie hier zu unterbrechen wage!“ sagte hier unter einer graziösen Verbeugung unser jugendlicher Cicerone – „aber es wird Ihnen doch nicht unbekannt sein, daß auch der Minister-Präsident Sr. Majestät des Königs, Herr Freiherr v. Manteuffel, Alumnus hier in Pforta gewesen?!“

Pforta hat gegenwärtig zwölf Lehrer, acht ordentliche mit dem Prädicat Professor, und vier Adjuncten. Unter ihnen sind zwei Geistliche, einer der Ordinarien als Pfarrer und „geistlicher Inspector,“ und einer als Diaconus. Mit Ausnahme des Rectors und geistlichen Inspectors haben alle Lehrer abwechselnd eine Woche lang die specielle Aufsicht auf den Cötus der Alumnen, während welcher Zeit sie ein für den Hebdomadarius zwischen den Schülerstuben befindliches Logis bewohnen. Außerdem sind Lehrer für Musik, Schreiben, Zeichnen, Tanz und Turnen angestellt.

Jeder Lehrer hat einen Famulus, d. h. einen Primaner, der ihm „gewisse Ehrendienste verrichtet und ihm persönlich näher steht.“ Die drei Famuli communes (mit besondern Freistellen begabt) haben wöchentlich wechselnd gewisse Ehrendienste für den gesammten Cötus, z. B. das Anfertigen der Tisch- und Kirchenzettel und Aufträge des Rectors auszurichten. Zwei Präcentoren stehen dem Sängerchor der Alumnen, ein musikfertiger Schüler (als Organist mit einer eigenen Stelle begabt) dem Orgelspiele in der Kirche wie im Betsaale vor.

Unter den jetzigen Gelehrten befinden sich die in der Gelehrtenwelt so rühmlich bekannten Professoren: Koberstein, Steinhardt und Keil. Die Stelle eines geistlichen Inspectors bekleidet jetzt der durch seine interessante Schrift „Ueber christliche Gymnasien“ auch in weiteren Kreisen bekannte Professor Niese. Der ausgezeichnete Mathematiker, Professor Jacobi I., ist im vorigen Jahre mit Tode abgegangen.

Seinen berühmtesten Lehrer aber hat Pforta in der Person des am 17. Sept. 1834 verstorbenen Rectors Karl David Ilgen gehabt. Dieser Schulfürst fast ohne Gleichen war geboren am 26. Februar 1763 zu Sena bei Eckartsberga in Thüringen, wo sein Vater als Schulmeister mit kaum hundert Thalern jährlichen Einkommens sich abmühte. Nachdem er einige Jahre das Dom-Gymnasium zu Naumburg besucht, bezog Ilgen 1783 mit sieben Thalern, das war Alles, was ihm seine armen Eltern geben konnten, die Universität Leipzig, wo er sich mit großer Energie den theologischen und philologischen, besonders den orientalischen Studien widmete. Gleichzeitig ertheilte er Privatunterricht und der große Gottfried Hermann war einer seiner Schüler. 1789 wurde er Rector des städtischen Gymnasiums zu Naumburg und 1794, als Eichhorns Nachfolger, Professor in Jena. Hier trat er mit Paulus, Schütz, Hufeland, Schiller, Fichte, Schelling, Niethammer, Eichstädt, den Gebrüdern Humboldt, Schlegel u. A. in nähere Verbindung und lernte auch in dem nahen Weimar Wieland, Herder und Goethe kennen. Das Rectorat in Pforta trat er den 31. Mai 1802 an. Wie groß dieser ausgezeichnete Mann auch als Gelehrter gewesen sein mag: als Pädagog war er noch größer. Er hatte im reichen Maße Blick und Geschick und seine Consequenz ist in Pforta sprüchwörtlich geworden. Bei allem Wohlwollen für seine Schüler verleugnete er doch nie die Würde eines Gebieters und die Energie seines Charakters. Er wußte nicht blos den Alumnen, sondern auch den Lehrern und den Vorgesetzten zu imponiren, wie selten einer. Hiermit verband er eine seltene collegialische Treue für seine Mitarbeiter und eine aufopfernde Liebe zu seinem Amte. „Einfach und antik in seinen Sitten und Gewohnheiten, häuslich und arbeitsam in seiner Lebensweise, liebte er im traulichen Zirkel heitere Geselligkeit und fröhlichen Scherz beim Mahle“ – sagte Kirchner unter Anderem von ihm.

Mit welcher Pietät Ilgen’s ehemalige Schüler seiner gedenken, documentirte sich besonders bei der Säcularfeier der Anstalt – den 20. bis 23. Mai 1843. Von ihm sprach man mit einer wahren Begeisterung, und wie deprimirend der konsequente Ernst seiner Maßregeln einst die Meisten auch berührt haben mochte: den „großen Rector“ priesen Alle.

Ueberhaupt bewahren die meisten Portenser ihrer alma mater eine treue Anhänglichkeit.

Dagegen urtheilt ein Mitglied des Frankfurter Parlaments, das von 1826–29 der Pforte als Alumnus angehört hat, in einer Schrift so:

„Gebetet wird in Pforta viel, nicht blos Sonntags, so oft Kirche ist, sondern auch alltäglich früh und Abends und bei jeder Mahlzeit vor und nach Tische. So ist die alte katholische Lehre vom Opus operatum in dieser protestantischen und noch dazu sorgfältig mit Geistlichen streng orthodoxer Richtung versehenen Anstalt lebendig geblieben! Energische Naturen unter den Portensern schlagen häufig, sobald sie der Zwangsjacke entledigt sind, aus der Universität in die extremste Ungebundenheit um.“

Und von Gaudy sagt in seiner „Schüler-Liebe“: „Ich war nach Alt-Prima hinaufgerückt und dem zu Folge aller Privilegien der Portenser Obern theilhaftig geworden. An meinem Arbeitstisch und unter meiner speciellen Tutel saßen ein Mittel- und ein Untergesell, welchen letztern wir Beide alternirend unterwiesen, wie er gebotene lateinische Verse drechseln und verbotenen Kaffee kochen müsse, den wir pro poena ein Capitel, eine Heroide nach der andern memoriren ließen, und der als salarium unsers liebevollen Unterrichts die Messer putzte, Wasser vom Brunnen und Butterbrote vom Waschmann, dem Spender aller Consumtibilien, herbei schleifte. Die Abzeichen meines Standes, als Emancipirter vom Frohndienst des Pennalismus, das kleine Mützchen, welches schräg auf das Ohr gedrückt wurde, und das bei summarischem Verfahren gegen rebellische Unter-Tertianer recht praktische Stöckchen, führte ich schon längst; ich überkletterte per nefas die Mauer und eilte im gestreckten Trabe nach dem nahe gelegenen Kösen, um in demselben ganze Kuchenschilde weniger vor den Magen zu halten, als vielmehr sie als Trutzwaffe gegen den ewig regen Erbfeind Hunger in denselben zu versenken. Dann aber ließ ich mich in Folge dieses Prellens, wie der technische Ausdruck für das Ausschwärmen ohne Zeidel lautete, mit stolzem Selbstgefühl in das Carcer sperren, in jenes Claustrum, welches ja auch Klopstock einstmals bewohnt.“

Nach der alten Schulordnung aus sächsischer Zeit wird den Lehrern zur Pflicht gemacht, „nicht zu nachsichtig zu sein; jedoch sich bei der Bestrafung eines gerechten und milden Ernstes zu befleißigen. Die Halsstarrigen und Lüderlichen sollen sie mit Schlägen züchtigen.“ Natürlich ist diese Art der Bestrafung – die „Baculation“ – weggefallen. Gegenwärtig straft man mit einem Beweis,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_263.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2022)