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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

sich bemüht, seine durch wissenschaftliches Forschen gewonnenen Kenntnisse möglichst zu popularisiren. Fuchs hat dieses gethan und er wird dafür, außer jenem Dank, auch noch die Freude haben, von den Architekten zu erfahren, daß sein Wasserglas das Holz nicht allein relativ unverbrennlich, sondern auch fähig macht, sich mit der Stein- oder Erdmasse, womit man die Zwischenräume eines hölzernen Baugerippes auszufüllen pflegt, chemisch zu verbinden und in Folge dieser Verbindung dem Gebäude selbst mehr Dauer und Festigkeit zu geben. Wären unsere Wohnungen noch wie ehedem ganz von Holz, was sich gewiß Viele der Gesundheit wegen wünschen, so würde der Verbrauch des Wasserglases so bedeutend sein, daß die Darstellung desselben eine größere Zahl von Fabriken, als die des gewöhnlichen Glases, beschäftigen würde.“

Diese Worte der Anerkennung der Verdienste Fuchs’ wegen des von ihm im ersten Viertel unseres Jahrhunderts entdeckten Wasserglases wurden von meinem verstorbenen Vater vor nahe dreißig Jahren bereits ausgesprochen. Dieser war durch die Frau Großfürstin Marie, Großherzogin von Weimar, im Jahre 1828 in Stand gesetzt, in Verbindung mit dem Mechanicus Dr. Körner zu Jena großartige Versuche über die Bereitung der zu optischen Zwecken dienenden Glassorten anzustellen. Mein Vater dehnte diese Versuche auch über das einige Jahre zuvor von Fuchs entdeckte und nach diesem benannte Wasserglas aus; er änderte nicht allein die Zusammensetzung ab und erhielt dabei ein leichter schmelzbares Glas, das heute noch in chemischen Lehrbüchern zum Unterschied von dem Fuchs’schen Wasserglas als Döbereiner’sches Krystallglas oder Wasserglas aufgeführt wird, sondern ermittelte auch mehrere Eigenschaften desselben, wie die oben angedeutete chemische Durchdringung mit der zum Bauen dienenden Stein- oder Erdmasse, die Verwendung zur Darstellung von künstlichem Meerschaum u. s. w.

Weder Fuchs noch meinem Vater war es von der Vorsehung gestattet, eine Anerkennung von der allgemeinen Wichtigkeit der Entdeckung des Wasserglases und eine Erfüllung der darüber gehegten Hoffnungen zu erleben, obgleich beide Männer noch lange nach jener Entdeckung und der Würdigung derselben der Wissenschaft und Wirksamkeit als Lehrer erhalten blieben. Hatte auch Fuchs die Freude, seine Erfindung bei dem Neubau des Münchener Theaters in Anwendung bringen zu können, um das Holzwerk und andere leicht feuerfangende Gegenstände gegen die flammende Verbrennung zu schützen, und wurde auch nach meines Vaters Vorschlag das Wasserglas zur Bereitung von künstlichem Meerschaum benutzt, so blieben doch diese beiden Fälle vereinzelt und dem großen Publikum fast gänzlich unbekannt.

Die deutsche Entdeckung blieb – wie auch sonst so häufig – bei uns unbeachtet und kam fast gänzlich in Vergessenheit; das Wasserglas figurirte buchstäblich nur in chemischen Lehrbüchern. Das Vorhandensein einer Fabrik auf Wasserglas in Böhmen war nur Wenigen bekannt, und noch geringer mochte die Zahl derjenigen sein, welche die Verwendung des dortigen Fabrikates kannten. Nur die Benutzung des Wasserglases zu Frescomalereien, welche seit 1847 von Kaulbach eingeführt worden war, wurde in weiteren Kreisen bekannt, aber doch im Ganzen auch nur wenig beachtet.

Unsere westlichen Nachbarn wußten indessen die deutsche Entdeckung gehörig zu würdigen und auszubeuten. Liebig fand im Jahr 1854 zu Lille in Frankreich eine große Fabrik auf Wasserglas vor, worüber er und über die Verwendung des Fabrikates nachstehende, in dem Abendblatt der „Neuen Münchener Zeitung“ enthaltene Mittheilung machte, in der leider vermißt wird, seit welcher Zeit dort die Fabrikation des Wasserglases im Betrieb ist.

„Ich hatte“ – sagt Liebig in jener Mittheilung – „die Weltausstellung in Paris gesehen, und begleitete auf meinem Wege nach England meinen langjährigen Freund Kuhlmann nach Lille, seinem Wohnsitze; er hatte versprochen, mir in der chemischen Fabrikation mehreres Neue zu zeigen, was mich überraschen würde, und meine Neugierde, übersättigt von dem, was ich in Paris gesehen, war nicht wenig gespannt.

„Was ich Ihnen in Lille zeigen will, – sagte mir mein Freund, – ist das Mittel, das den Zerstörungen durch Feuer, Fäulniß und Verwitterung eine Grenze setzt; es ist das von ihrem berühmten Landsmanne Fuchs in München entdeckte und für diese und andere gleich wichtige Zwecke vorgeschlagene Wasserglas; ich habe es in Frankreich eingeführt, wo es eine unendliche Verbreitung gefunden hat. Unsere Architekten wenden es an, um die mit gewöhnlichem oder hydraulischem Mörtel überzogenen Mauern, um Häuser und Kirchen, aus verwitterndem Stein aufgeführt, vor dem Zahn der Zeit zu schützen; mit verschiedenen Farben gemischt, dient es zum Anstrich auf Holz, Stein und Eisen; es wird in den Kattundruckereien und Tapetenfabriken auf Papier und Baumwolle verwandt; das Holz, mit Wasserglas getränkt, verliert seine Entzündlichkeit.

„Ich war in der That überrascht, als ich in der Nähe von Lille die Wasserglasfabrik meines Freundes besichtigte, deren großartige Ausdehnung, wie sich leicht wahrnehmen ließ, berechnet war, Tausende von Centnern dieses Produktes dem Handel und den Gewerben zu liefern. Ich war erstaunt und beschämt; – beschämt, weil in Deutschland das Wasserglas im eigentlichen Sinne nur in den chemischen Handbüchern existirt, und weil ich wußte, mit welchen Widerwärtigkeiten mein Freund Fuchs viele Jahre zu kämpfen hatte, um nur eine einzige der vielen nützlichen Anwendungen, deren es fähig ist, verwirklicht zu sehen.

„Das merkwürdige Product, das Fuchs mit dem Namen „Wasserglas“ bezeichnet hat, ist ein Glas, welches sich im Wasser löst; es wird in der Regel durch einfaches Zusammenschmelzen von 15 Theilen Quarz, 10 Theilen Pottasche (oder 9 Theilen Soda) und 1 Theil Kohle dargestellt, und ist im trocknen Zustand wasserhell, hart und etwas schwer schmelzbar; wenn es fein gepulvert in siedendes Wasser getragen wird, so löst es sich, bei fortgesetztem Sieden, in 5 bis 6 Theilen Wasser vollkommen zu einer syrupdicken Flüssigkeit auf, die, auf Glas, Mörtel, Holz aufgestrichen, zu einem unverbrennlichen Firniß eintrocknet. In Lille wurde diese Flüssigkeit direct durch Auflösung von Quarz (Feuerstein) in einer starken Natronlauge in eisernen Kesseln, unter einem Druck von 7 bis 8 Atmosphären, also ohne vorangehende Schmelzung dargestellt.

„Es gibt einen sehr einfachen Versuch, welcher die wichtigsten Eigenschaften des Wasserglases anschaulich macht; es ist folgender: Man lege in eine Auflösung von Wasserglas, welche etwa zehn Procent trockene Substanz enthält, ein Stück gewöhnlicher Schreibkreide, vorher benetzt mit gewöhnlichem Wasser, und lasse es vier bis fünf Tage darin liegen. Wenn man es nach dieser Zeit aus der Flüssigkeit herausnimmt und trocknet, so wird man wahrnehmen, daß die Kreide alle ihre gewöhnlichen Eigenschaften verloren hat; aus einer weichen, färbenden Substanz ist sie in eine steinharte Masse übergegangen, welche mit dem Fingernagel keinen Eindruck mehr annimmt und, mit einem glatten Körper gerieben, Politur erhält; diese Aenderung in der ersten Beschaffenheit erstreckt sich tief in das Innere des Stückes, je nach der Dauer der Einwirkung des Wasserglases, und rührt von einer wahren Verbindung desselben mit dem Kieselglase her, zu einer Masse, die durch Wasser und Kohlensäure nicht mehr angegriffen wird. Man wird hieraus den Nutzen des Wasserglases auf Mauern und Kalkwänden und auf porösem, verwitterndem Baustein leicht verstehen; wenn sie damit bis zur Sättigung getränkt werden, so wird ihre Oberfläche wie verkieselt und gegen die Einwirkung der Witterung mehr als durch irgend ein anderes bekanntes Mittel geschützt.“

Diese Mittheilung über das Wasserglas erregte in ganz Deutschland ein großes Interesse, ob nun deshalb, weil sie von Liebig kam oder weil die deutsche Entdeckung erst im Ausland gewürdigt werden mußte, mag ich nicht entscheiden. Gewerbtreibende und Künstler prüften die Angaben und stellten nach verschiedenen Seiten hin neue Versuche mit dem Wasserglas an. Die Nachfrage um Wasserglas vermehrte sich so, daß alsbald auch in Deutschland Fabriken darauf begründet wurden. Dr. Marquart in Bonn ist wohl der Erste in Deutschland gewesen, welcher nach der Liebig’schen Bekanntmachung eine Fabrik auf Wasserglas errichtete und zugleich durch ein kleines Schriftchen „Anleitung zur Anwendung[WS 1] des Wasserglases. Eilenburg, 1856“ für die Verbreitung desselben wesentlich beigetragen hat. –

Das Wasserglas ist eine Verbindung, welche in der chemischen Sprache ein Salz, im Besonderen ein Sauerstoffsalz genannt wird, indem in ihm neben einer sauerstoffhaltigen Basis eine sauerstoffhaltige Säure zu einem neuen Ganzen gebunden enthalten ist. Die Basis ist im Wasserglas das Kali oder Natron, im Döbereiner’schen Krystallglas beide neben einander, die Säure hingegen eine Substanz, welche zwar für sich nicht im geringsten die Eigenthümlichkeit einer Säure hat, aber bei Berührung mit basischen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Anwen-/wendung
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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_199.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)