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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

öffentlichen Platze am Flußufer und suchten ihr elendes Dasein durch Betteln noch um einige Tage zu fristen.

Ich blieb trotz des gelben Fiebers an sieben Wochen in New-Orleans und verdiente ziemlich viel Geld, indem ich bei einem großen Pferdehändler, dessen Stallmeister gestorben war, während dieser Zeit junge Pferde zuritt und zufuhr. Ich hätte immer hier bleiben können, aber nicht für einen Gehalt von monatlich 1000 Dollars wäre ich dazu bereit gewesen, so widerlich war mir der Ort und das ganze Getreibe, was in demselben herrscht. Ich bin überzeugt, es giebt in der ganzen Welt keine zweite Stadt von gleicher Größe, in der eine solche Menge von Schuften aller Art leben und eine so grenzenlose Immoralität herrscht wie gerade in New-Orleans. Die wilde Leidenschaftlichkeit der Südländer und die kalte berechnende Herzlosigkeit der Yankee’s vereinigen sich hier und geben ein Ganzes was nicht im Mindesten anlockend ist.

Ich war daher herzlich froh, daß ich endlich ein Fahrzeug fand, was direct nach San Francisco fuhr, und ließ gern meinen guten Verdienst bei dem Pferdehändler, einem wahren Gauner, der auch noch ein Spielhaus für junge Leute höherer Stände hielt, in Stich, und schiffte mich mit meinem Hansen ein. Das Fahrzeug, was uns trug, war ein dänisches und die dänischen Farben, die ich drei Jahre lang bekämpft hatte, flatterten jetzt über meinem Kopfe. Nur gezwungen führte der wackere Schiffscapitain eben diese dänischen Farben, denn er wie seine gesammte Mannschaft waren gute Schleswig-Holsteiner von der Westküste, die nichts weniger wie Vorliebe für Dänemark hegten. Eine gar wackre Schiffsmannschaft war dies aber und daß unsere norddeutschen Seeleute die besten sind, welche die Welt nur besitzt, konnte ich bei unserer ungemein stürmischen und gefährlichen Fahrt um das Cap Horn wieder so recht erkennen. Möglich, daß die Engländer und besonders auch Irländer oft noch verwegener und tollkühner sind, dafür saufen die Matrosen dieser Nation ungemein stark und sind auch sonst sehr nachlässig. Kann ein nordamerikanischer Kapitain norddeutsche Matrosen an Bord bekommen, so zieht er solche allen übrigen und selbst seinen eigenen Landsleuten vor. Dies ist eine Thatsache, die Jeder, der längere Zeit in nord- und südamerikanischen Häfen gelebt hat, bestätigen wird.

Eine wildere, rauhere Gegend wie das Cap Horn gibt es gewiß auf Gottes weiter Erde nicht mehr. Furchtbar zerrissene und zerklüftete Felsenmassen, ohne die mindeste Spur irgend einer Vegetation, starren in den hier stets mit dunklen grauen Wolken bedeckten Himmel hinein. Dabei herrschen hier fast beständig die heftigsten Stürme, die das Meer in hohen Wellen aufbäumen lassen und die Schifffahrt gefährlich machen. – Ein alter Capitain eines amerikanischen Wallfischfängers, der als Passagier mit an Bord war, sagte uns, er habe das Cap Horn schon siebzehn Mal in seinem Leben umfahren und stets rauhe und stürmische Witterung daselbst gefunden. Da sich mir Gott Neptun stets sehr ungnädig zeigt, so ließ er es bei meiner jetzigen Fahrt an Sturm und Unwetter auch wieder nicht fehlen. Hagelschauer, Schneegestöber und heftige Windstöße wechselten über acht Tage lang unaufhörlich, die Sturmwellen schlugen über das Verdeck, daß es eine Art hatte, und unsere Matrosen, die Tag und Nacht nicht aus den nassen Kleidern kamen, mußten ununterbrochen arbeiten. So eine Fahrt um das verrufene Cap ist für den Seemann fast immer eine harte Prüfungszeit, in der er zeigen kann, daß er aus tüchtigem Stoffe gebildet ist.

Eine nordamerikanische Brigg, die uns in übermüthiger Weise vorbeisegeln wollte und deshalb trotz des Sturmes zu viel Segel beigesetzt hatte, schlug einige hundert Schritte vor uns um und sank mit Mann und Maus augenblicklich in die Tiefe des Meeres unter, so daß an Rettung der Mannschaft gar nicht mehr zu denken war. Auch wir erlitten beträchtliche Havarie, und unser Leck war so groß geworden, daß selbst wir Kajütenpassagiere einige Tage lang an den Pumpen arbeiten mußten, bis es uns gelang, das Leck zu verstopfen. Als wir erst in das Weltmeer gekommen waren, legte sich auch allmählich das Unwetter mehr; jetzt konnten wir erst die Schäden wieder ausbessern und langten nun in sehr rascher Fahrt und ohne weitere Ereignisse glücklich bis an die Küste von Californien.

Als wir am Abend vor San Francisco die Anker warfen, stand gerade ein großes Quartier dieser leicht gebauten Stadt in vollen Flammen und die Gluth röthete den Horizont. Feuersbrünste waren damals etwas sehr Gewöhnliches und fast keine Woche verging, wo nicht eine oder mehrere stattfanden. Sehr häufig geschahen dieselben durch absichtliches Brandanlegen, wie denn gerade zu jener Zeit die öffentliche Sicherheit auf das Aergste gefährdet war und Raubanfälle, Mordthaten und Brandstiftungen zu den gewöhnlichen Begebenheiten gehörten. Später hat das sogenannte „Vigilance-Comité,“ dem ich selbst angehörte, etwas mehr unter diesen Verbrechern aufgeräumt und wir haben wenigstens ein Dutzend solcher Kerle, die auf frischer That ergriffen wurden, ohne Weiteres an den ersten besten Baum aufgeknüpft. Ich selbst habe später einmal eine derartige Execution, die leider dazu noch an einem Deutschen vollführt werden mußte, geleitet und dem Verbrecher selbst den Strick um den Hals gelegt. Derselbe hatte seinen Kameraden, der mit ihm in einem Goldloche gearbeitet und in einem Zelte geschlafen, heimtückischer Weise ermordet, um sich des Vermögens desselben zu bemächtigen. Die Sache ward am anderen Tage – ich weiß nicht mehr durch welchen Zufall – entdeckt; wir machten nun Jagd auf den Kerl, der sich indessen geflüchtet hatte, und holten ihn auch glücklich ein. Eine Jury aus zwölf Steinarbeitern und Fuhrleuten, denen ich präsidirte, trat zusammen; der Schuldige konnte sein Verbrechen nicht leugnen und ward deshalb einstimmig zum Erhängen verurtheilt. Ein Strick wurde genommen, ein früherer Matrose machte eine gute Schlinge daraus, ich legte sie dem Verurtheilten, dem Hände und Füße gebunden waren, um den Hals; darauf ward das Ende des Strickes über den Ast eines Baumes geworfen und dann von drei bis vier Mann schnell und kräftig angezogen – und der Verbrecher war nach einigen Augenblicken schon eine Leiche. Diese ließen wir zur Warnung am Baume hängen, nachdem ihr ein Bogen Papier, auf dem in englischer und deutscher Sprache der Grund der Strafe und der Art ihrer Vollziehung stand, an der Brust befestigt worden war. Gewiß eine schnelle, dabei freilich etwas formlose Handhabung der Justiz, die sich aber für die californischen Zustände, wie sie nun einmal waren, trefflich eignete.

Ich komme noch einmal auf meine Ankunft in San Francisco zurück. – Es sah daselbst am Morgen nach dem Ausbruche des großen Brandes schaurig aus. Ganze Straßen lagen in Schutt und Asche und überall schlugen noch die hellen Flammen aus den Brandhaufen heraus. Trotz dieser Verwüstung fing man aber schon wieder an, neue Häuser zu bauen, und besonders die Besitzer der Spielbanken konnten es gar nicht erwarten, daß ihre Locale wieder bereit standen, um auf’s Neue die thörichten Spieler auszuplündern. Hier war für zwei rüstige, kräftige Männer, die arbeiten wollten und konnten, etwas zu verdienen, das sah ich sogleich ein. Um zu faullenzen, waren wir, Hansen und ich, wahrlich nicht nach San Francisco gekommen, und den nordamerikanischen Wahlspruch „Zeit ist Geld“ hatte ich mir wohl gemerkt. Am Morgen waren wir gelandet und am Nachmittage desselben Tages hatte ich mir schon einen starken Lastwagen und drei tüchtige Zugpferde mit Geschirr für die Summe von 450 Dollars von einem Amerikaner, der in seine Heimath zurückkehren wollte, gekauft. Der Wagen diente uns auch des Nachts als Schlafstätte, indem wir uns, in unsere dicken Wolldecken gehüllt, zwischen seine Räder legten und vortrefflich schliefen, während die Pferde, an der Deichsel angebunden, aus den vorgehängten Futtersäcken ihren Mais verzehrten.

Schon am nächsten Tage fing die Arbeit an und ich unternahm es, Ziegelsteine aus einer eine halbe Meile von der Stadt entfernten Ziegelei für den Bau der Häuser zu fahren. Mein Hansen und ich mußten die Ziegelsteine auf- und abladen und aufstellen, erhielten dann aber für jede Fuhre sieben Dollars. Wenn wir recht fleißig waren, konnten wir an einem Tage vier Fuhren machen und hatten dann 28 Dollars verdient. Für drei Dollars per Tag konnten wir uns reichlich beköstigen, vier Dollars kostete die Fourage für die drei Pferde und ein bis zwei Dollars gingen für sonstige Nebenausgaben auf, so daß uns ein reiner Gewinn von fünfzehn Dollars täglich übrig blieb. Davon erhielt Jeder von uns fünf Dollars und die übrigen fünf kamen noch auf mein Theil als das Verdienst des Gespannes, was mir gehörte. Wir arbeiteten übrigens anstrengend und gönnten uns nur des Sonntags Ruhe. Wie mancher Schweißtropfen floß da bei der Arbeit über meine gebräunte Stirn, während meine Hände von dem steten Anfassen der rauhen Ziegelsteine so hart und schwielig wurden, daß sie in Glacehandschuhe wahrlich nicht mehr

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