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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

No. 13. 1857.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redakteure F. Stolle u. A. Diezmann.

Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0 Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.



Auf der Louisenburg.
(Schluß.)


„Aber, mein Herr,“ unterbrach Amanda den heftig Erglühenden, „Sie nennen ein schreckliches Mittel und ich kam, weil ich glaubte, Sie hätten ein anderes, um Blumenbach zur Entsagung zu bringen.“

Bruno sah nachdenkend vor sich nieder.

„Ein unehrliches Mittel, wie eine Lüge wäre, mag ich nicht anwenden,“ sagte er, „und ich weiß nicht, ob die Unterredung, die er mir zu morgen bewilligt, einen so guten Erfolg haben wird, wie meine heutige. – Fräulein, Sie sind Malerin!“ rief er nach einigem Besinnen, „eine Malerin in Baireuth, die mir befreundet, ein altes Fräulein – einst eine Freundin und Jüngerin Jean Paul’s – würde Ihnen ein schützendes Asyl gewähren; wollen Sie zu ihr?“

„Aber, wie kann ich? Alles das ist so abenteuerlich!“ sagte Amanda zögernd.

„Wenn man nicht in der Flachheit des Lebens zu Grunde gehen will, muß man auch vor keinem Abenteuer zurückbeben, das rettend auf seine Höhen führt!“

Er hatte kaum mit sehr entschiedener Stimme diese Worte ziemlich laut gesagt, als nahe her der Ruf erscholl:

„Amanda! Amanda!“

„Wollen Sie sich verbergen?“ flüsterte ihr Bruno zu, „so trete ich hervor.“

„Nein,“ antwortete Amanda hastig, „es ist meine Verwandte Bertha, von der ich Ihnen sagte.“

„Also doch Mißtrauen!“ rief Bruno schmerzlich.

„Nein!“ versetzte Amanda, „sie weiß nicht, wo ich bin, sie sucht mich nur an meinem Lieblingsplatze, sie wird mich vermißt haben!“

Bruno nahm dies für eine Weisung sich zurückzuziehen, und indeß Amanda vorwärts eilte und „Bertha, hier bin ich!“ rief, schlich er in die Grotte, die ihn verbergen konnte.

„Um’s Himmelswillen, Amanda!“ rief Bertha, auf sie zueilend, „wo bist Du und ist es wahr, bist Du nicht allein? Hat der Zudringliche von gestern es wieder gewagt, sich Dir zu nähern?“

„Ja, er hat es gewagt!“ sagte Bruno vortretend.

„Mein Herr!“ rief Bertha, „sowenig kümmert Sie der Ruf einer jungen Dame?“

„Weniger immerhin als ihr ganzes Lebensglück!“ antwortete Bruno fest; „in keiner geringern Absicht kam ich hierher.“

„Herr Meinhardt beging keine Indiscretion,“ sagte Amanda athemlos und Bruno fiel es auf, daß sie seinen Namen nannte, er hatte ihr ihn nicht gesagt, so mußte sie sich bei Andern bemüht haben, ihn zu erfahren. Sie fuhr fort: „Nachher erkläre ich Dir Alles, jetzt rede, was ist geschehen? Vermißt man mich? Warum suchst Du mich?“

„Weil man Dich hier gesehen und in dieser Gesellschaft. Herr von Subow, der Freund Deiner Mutter und Blumenbach’s, erzählte es Beiden laut im Concertsaal, da man nach Dir fragte; Du warst verschwunden, ich hatte es längst bemerkt und eilte hierher, Dich zu suchen; ich bin außer mir, denn ich kann mir nicht schrecklich genug denken, was Dich erwartet; komm, laß uns eilen. Herr Meinhardt, verschonen Sie uns mit Ihrer Begleitung.“

„Zu Ihrem Befehl,“ antwortete Bruno; „aber ich werde vor Ihnen im Concertsaal sein und ein Wort mit diesem Subow reden.“

Amanda ergriff seine Hand: „Versprechen Sie mir, daß Sie sich um meinetwillen keiner Gefahr aussetzen, sie sei welcher Art sie wolle.“

Bruno drückte diese Hand und schob eine Visitenkarte hinein, dann eilte er mit schnellen Schritten davon.




V.

Als Bertha und Amanda nach Alexanderbad zurückkamen, war zehn Uhr vorüber. Erstere wollte im Cursaal recognosciren, ob Amanda’s Eltern und Blumenbach noch da seien, und letztere ging in ihre Wohnung. Ihre Aufwärterin im Hause sagte, daß die Frau Regierungsräthin, auf ihren Gemahl gestützt, schon vor einer Stunde nach Hause gekommen sei und heftige Krämpfe gehabt habe. „Ach, sie war so wüthend und ist es gewiß noch!“ fügte das Mädchen mit mitleidigen Blicken auf Amanda hinzu, als wolle sie damit warnen, denn im Hause war es nur zu bekannt, daß die Stiefmutter ihre Tochter in ausgesuchter und gemeiner Weise zu quälen suchte.

Amanda ging mit klopfendem Herzen hinauf. Die Familienwohnung bestand aus drei Zimmern. Ein Wohnzimmer, rechts das Schlafzimmer der Eltern, links das Amanda’s. Letzteres hatte keinen besondern Eingang und konnte nur durch das Wohnzimmer betreten werden. Die Thür war verschlossen. Amanda klopfte vergeblich. Endlich klopfte sie auch an der Thür des elterlichen Schlafzimmers, das eine zweite Thür nach Außen hatte.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_169.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)