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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg.

gemacht werden, während man ihre Leiter, die vielbeaufsichtigten, gemaßregelten und gehudelten, als die allgemeinen Sündenböcke für alle Mißgriffe und Zustände hinzustellen beliebte. Als ob die Schule das Leben zu machen, zu leiten vermöge, nachdem das Leben, und zwar nicht selten ein verkehrtes und in Grundirrthümern befangenes, zum größten Theile die Schule gemacht hat und noch fortwährend an ihr herumarbeitet, so sehr auch dieselbe sich aus allen sie drückenden, beengenden und beschränkenden Fesseln herausarbeiten möchte. Da gibt es Kampf und nicht selten trägt der Feind der Wahrheit den augenblicklichen Sieg davon, und die Menschheit wird in ihrem Streben wieder zurückgeworfen, während die edelsten Kämpfer für Wahrheit und Recht das Märtyrerthum ihrer Sache schwer erdulden müssen. Nur die Zukunft lohnt mit Siegeskränzen, zwar spät, doch sicher. Einem solchen Kämpfer für die Wahrheit mögen die nachfolgenden Zeilen gewidmet sein.

Adolph Diesterweg ist unbestritten Deutschlands größter jetzt lebender Schulmann, jene gewaltige Natur, die seit drei Jahrzehnten den bedeutendsten Einfluß auf die deutsche Volksschule und ihre Lehrer ausgeübt hat, jener allezeit rüstige und schlagfertige Kämpfer, der bald mit der Kelle am Gebäude eines Geist bildenden Unterrichts und einer naturgemäßen Erziehung zu arbeiten, bald mit dem Schwerte des Geistes wider alle Finsterlinge und Dränger der Schule und ihrer Lehrer zu streiten hatte und der in nie ermüdender Thätigkeit seine Stimme über die wichtigsten Fragen der Schule und des Lebens abgegeben, seit beinahe zehn Jahren zwar seiner amtlichen Stellung enthoben und in Ruhestand versetzt, dessenungeachtet aber noch immer in ungeschwächter, ja vielleicht noch entschiedenerer Weise für die Rechte der Schule und eine vernünftige Volksbildung als tüchtigster Anwalt in die Schranken tritt. Diesterweg ward am 29. Oktober 1790 geboren zu Siegen im Nassauischen, jetzt zum Regierungsbezirk Arnsberg, Provinz Westphalen, gehörig. Hier wirkte sein Vater als Justizamtmann und erwarb sich durch Tüchtigkeit und Redlichkeit die allgemeine Liebe. Seine außerordentliche Lebhaftigkeit, sein Feuereifer ist auf den Sohn übergegangen, Diesterweg interessirt sich für die wichtigsten Fragen der Gegenwart, weiß ihnen Zeit und Kraft zu widmen, ist bei Allem, was er unternimmt, mit ganzer Seele, ist ein ganzer Mensch, ein ganzer Lehrer und ein ganzer Kämpfer. Schon im Knaben zeigte sich der Mann. Diesterweg war kein Stubenhocker; nach der Schule und der Beendigung der von ihr geforderten Arbeiten besuchte er die Werkstätten der Handwerker seiner Vaterstadt, half mit, wo er konnte, und ließ sich von ihren Reisen erzählen. Sein Jugendunterricht trug die Gebrechen seiner Zeit an sich; daß er der wohlunterrichtete, umsichtige und außerordentlich belesene Mann geworden, das ist ganz das Werk späterer Jahre und eigener Selbstständigkeit. Nachdem er die lateinische Schule seiner Vaterstadt besucht hatte, bezog er die Universität Herborn und vollendete später seine Studien, anfangs Theologie, in Tübingen. 1811 finden wir ihn, nachdem er sich vergeblich um eine Stellung bei der damaligen geographischen Vermessung des Herzogthums Westphalen beworben hatte, als Hauslehrer in Mannheim, im folgenden Jahre als Lehrer in Worms und bereits 1813 folgt er einem Rufe an die Musterschule zu Frankfurt a. M. Bald erkannte man in ihm nicht nur den wissenschaftlich gebildeten, sondern auch den praktisch gewandten Schulmann. Als Mitglied der „Frankfurtischen Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Kenntnisse und ihrer Hülfswissenschaften“ errichtete er durch dieselbe in den Hungerjahren

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_137.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)