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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

im Boudoir waren die Gardinen von wunderschönem Cachemir. Bilder mit den kostbarsten Rahmen, Statuen, vergoldeten Möbeln und bizarren Merkwürdigkeiten begegnete das Auge überall und um diese Pracht zu bewundern, war St. Germain, sonst ein unbesuchtes Dörfchen, während Dumas’ Residenz daselbst zu einem Wallfahrtsort der Fremden und Pariser, zu einer nobeln Villegiatur der Aristokratie geworden.

Ein schönes und reiches Theater wurde im Schlosse Monte Christo gebaut und hat in der ersten Zeit, als „Thèatre historique“ die Neugier aller Pariser gefesselt. Da aber Dumas, welcher eine kolossale Summe für die Unterhaltung des Theaters verbrauchte, nur Stücke von sich aufführen lies;, so gab es bald nur noch spärliche Besucher und endlich eine so bedeutende Schuldenlast, daß zuerst das Theater, dann das Schloß Monte Christo dem Gerichtshammer verfiel und verkauft wurde.

Alexander Dumas selbst ist eine der imposantesten Persönlichkeiten, dessen Abstammung von einer Negerin sich sehr deutlich markirt. Die schwarzen, gekräuselten Haare, der dunkle Teint des Gesichts, die großen Augen, welche in den Augenblicken der Aufregung wie glühende Feuerkugeln aus dem Weiß hervorleuchten, die starke, aber schön geformte Nase und die angeschwollenen Lippen gaben der Physiognomie den Urtypus eines Farbigen, verbunden mit den edlern Formen eines Europäers. Ueberdies zeigt Dumas in seinem ganzen Habitus und in seiner Tracht diese eigenthümliche Vorliebe für den auffallenden Prunk, welche den farbigen Naturen gehört. Er liebt leidenschaftlich das orientalische Kostüm und pflegt gemeinhin in einem weiten, faltenreichen Mantel nach griechischem Schnitt in seinen mit sinnlicher Pracht möblirten Zimmern zu erscheinen; eitel, und von sich selbst eingenommen, liebt er die Orden und Ordensbänder, welche ihm die Fürsten mancher Länder zum Zeichen ihrer Hochachtung gegeben haben, und im Jahre 1848 konnte es keinen stattlicheren Kommandanten der Nationalgarde von St. Germain geben, als den französischen Lope de Vega in seinem glänzenden Kostüm. Diese Vorliebe für die Pracht und den Glanz herrscht auch in seiner Häuslichkeit; die schwellenden Ottomanen, die reichen Teppiche und die Parfüms sind Zeugen von der ewig erregten Sinnlichkeit dieser glühenden Natur, welche nichtsdestoweniger in Gesellschaften eine seltene Liebenswürdigkeit und ein Erzählungstalent besitzt, welches den aristokratischen Cirkeln, die Dumas mit Eifer besucht, manche sonst mangelnde Würze verleiht.

Die immensen Summen, welche Dumas durch seine kaum noch zu zählenden Romane verdient hat, genügten gleichwohl nicht der Prachtliebe und Verschwendungssucht dieses Mannes, der überdies mit der Generosität eines Krösus seine Wohlthaten, oft über die Gebühr, zu spenden liebt. So schnell wie er große Summen verdient, ebenso schnell schmelzen sie auch in seinen Händen und überwiesen ihn für einige Zeit dem Kredit, den manche arme Teufel wie ihre gute Fee aufsuchen, ohne ihn finden zu können.

Zur Zeit, als Dumas durch die Residenz in seiner Villa Monte Christo St. Germain mit vielen Besuchern belebte, errichtete dort ein spekulativer Kopf ein Café. Der Besitzer hielt natürlich große Stücke auf Dumas, der für ihn der Grund seines schönen Geschäfts war und lieferte den Champagner oder das Eis an seinen Mäcen, ohne jemals die Unverschämtheit zu haben, eine Rechnung dafür an Dumas einzusenden. Selbstverständlich, daß er deswegen auch niemals Zahlung bekam.

Da der Winter ohne Frost gewesen war, so mangelte es bei den Restauranten an Eis und der Wirth des Café Monte Christo reservirte deshalb sein Weniges für den etwaigen Bedarf Alexander Dumas. Nichtsdestoweniger fühlten sich eines Tages einige Besucher so erhitzt, daß sie um jeden Preis sich durch Eis abkühlen wollten. Sie schickten deshalb ihren Diener zum Restauranten und glaubten auf jeden Fall ihren Wunsch befriedigt zu sehen, wenn sie im Namen Dumas das Eis verlangten.

In der That holte der Wirth das Verlangte ohne Zögern; Dumas war sein König.

„Wie viel kostet es?“ fragte der Diener, und legte ein Goldstück auf den Tisch.

„Ah!“ rief der Wirth, und griff schnell nach dem Eise; „Sie kommen sicherlich nicht von Seiten Alexander Dumas!“

„Wie so?“ fragte der bestürzte Diener.

„Bah, mein Lieber; Sie müssen wissen, daß Alexander Dumas niemals bezahlt.“

Der Diener mußte mit seinem Gelde ohne Eis zurückwandern.

Alexander Dumas ist bekanntlich der Chef einer großen literarischen Fabrik, welche unzählige Werke veröffentlicht hat, von denen der berühmte Autor keine einzige Zeile oder höchstens nur einige Kapitel geschrieben hat. Dumas selbst arbeitet mit unglaublicher Geschwindigkeit; aber er arrangirt mehr die Romane, welche seinen Namen tragen, als daß er sie schreibt. Marschall der französischen Literatur ist ihm Alles erlaubt und selbst die Kopien, welche er mit liebenswürdiger Freiheit aus den Werken Anderer macht, um sie als seine Originalarbeit auszugeben, erregt keinen Anstoß mehr, da er ein berühmter Mann ist und die Gloire noch viel mehr trügerischen Glanz besitzt, als der deutsche Ruhm, der für Poeten und Schriftsteller keine schönen Schlafstellen schafft. Das Haus Alexander Dumas und Kompagnie ist einzig in seiner Art in der Literatur und, gibt es deren noch mehr, so hat es jenes auch zu einer kaum glaublichen Ausdehnung gebracht. Todte und lebendige Schriftsteller arbeiten für den literarischen Marschall und Alle nur für seinen Ruhm und Säckel allein. Er entwirft einen Roman, schneidet den Stoff in Kapitel, gibt das eine diesem Autor zur Ausarbeitung, das andere jenem; heut schneidert er einen Roman aus irgend einem längst vergessenen Buche; morgen ein Theaterstück aus einem alten Roman oder mit den Scenen irgend eines Stückes von irgend einem längst begrabenen Literaten, wie der selige Shakespeare oder auch Schiller, wie Walter Scott oder auch Goethe. Mitten in diesem Arrangiren neuer romantischer Fabrikate schreibt er Mahnbriefe oder galante Korrespondenzen, dazwischen einen Feuilletonartikel, auch eine Scene von einem neuen Stück, oder einige Seiten von einem Roman; dann setzt er den Plan zu einer Erzählung auf, stempelt ein eingeliefertes Produkt mit seinem Namen, um es sogleich drucken zu lassen, liest eine Korrektur, empfängt Besuche, plaudert und redigirt dabei den Roman irgend eines seiner Mitarbeiter. Das ist der Schriftsteller Alexander Dumas.

Wenn es auch allgemein bekannt ist, daß der berühmte Autor dergleichen Fabrikarbeit unternimmt, so ist es doch von Interesse, die Namen der Verfasser oder die Kopien, die Dumas als Originale gemacht, aufzuführen. Von seinen Dramen will ich nicht reden, denn es ist bekannt, in welcher Weise er dabei Schiller, W. Scott, V. Hugo, da Vigny bestohlen, und wie die besten Stücke von andern Autoren geschrieben wurden.

Interessanter noch ist in seinem literarischen Atelier die Fabrikation der Romane. Alexander Dumas stempelte mit seinem Namen Corriculo und Speronare, welche beide von Fiorentino verfaßt sind; ebenso Ascanio, Amaury und die beiden Dianen, welche Paul Maurice geschrieben hat. Mallefille schrieb den Roman „Georges“ von einem Ende bis zum anderen und ließ ihn Alexander Dumas signiren; August Marquet, der fruchtbarste aller literarischen Collaborateure für den romantischen Industriehelden, lieferte demselben mehr wie fünfzig Bände; darunter die drei Musketiere, zwanzig Jahre später, der Vicomte von Bragelonne, Sylvandire, der Graf von Monte Christo, der überdies ganze Kapitel aus den Mémoires tirés des archives de la police von Peuchet enthält; ferner der Frauenkrieg, Königin Margot, der Chevalier von Maisonrouge und die Dame von Montsereau: – das heißt also alle diejenigen Werke, welche am bekanntesten sind und welche Dumas zu einem Wunder der Erfindungskraft und zu einem Autor dieses Jahrhunderts erhoben, dessen Fruchtbarkeit ohne Gleichen sei.

Das Stück „Romulus,“ welches seiner Zeit viel Glück auf dem Theater der Rue Richelieu machte, ist vollständig einem Romane des guten Lafontaine entnommen, den Paul Borage zum dramatischen Leben verhalf und welchen Dumas zeichnete, ohue ein Wort davon zu kennen. Als Romulus gelesen wurde, war der Verfasser desselben, der es aber nicht geschrieben, in Brüssel. Alexander Dumas macht aus dergleichen Dingen gar keine großen Geheimnisse. „Die Menschen,“ sagt er, „nicht der Mensch erfindet; Jeder bemächtigt sich der bekannten Sachen, setzt sie durch neue Zusammenstellungen wieder zurecht, und bringt damit seinen Theil zur Summe der menschlichen Kenntnisse. Eine vollständige Schöpfung einer Sache ist unmöglich; man nimmt das Gute, wo man es findet, denn der Mann von Genie stiehlt nicht, er erobert. Ich sage dies, weil, ohne die Schönheiten meiner neuen Scenerien anzuerkennen, man mich des Diebstahls und Plagiats

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verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_123.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)